Dua Lipa hat eben ihr drittes Album veröffentlicht.
Dua Lipa hat eben ihr drittes Album veröffentlicht. "Radical Optimism" geht runter wie ein kühler Longdrink am Ende eines Tages am Strand.
Drew Gurian/Invision/AP

Wahrscheinlich beschreibt der Albumtitel das notwendige Mindset unserer Zeit. Radical Optimism nennt Dua Lipa ihr drittes Album, und man möchte meinen, genau so einen Ansatz braucht es jetzt: Optimismus und die notwendige Radikalität für jene Änderungen, die den Optimismus aufrechterhalten. Selbst das Artwork des Covers lässt sich dahingehend deuten: Darauf sieht man Lipa im Meer, vor ihr gleitet eine schwarze Rückenflosse durchs Wasser. Wird schon kein Hai sein. Schluck.

Musikalisch bleibt Dua Lipa die Radikalität aber erst einmal schuldig. Schließlich beackert sie ein Feld, das seit den 1980ern immer wieder bestellt wird: Disco-Pop. Damit fällt die Neuerfindung des Rads schwer, doch das tut dem Werk keinen Abbruch. Denn Lipas Songs bezirzen mit einer Leichtfüßigkeit, die ansteckend ist und in den nächsten Monaten mehr als einmal das Begleitgeläut zu kühlen Drinks liefern wird. Ihre Musik klingt nach Lebenshunger, die elf Songs gehen runter wie ein notwendiger Cocktail am Ende eines Tages am Strand. Und man ahnt, dass der Sonnenuntergang nicht das Ende, sondern erst der Anfang ist.

Kein Buch-fernes Wesen

Dua Lipa kam 1995 als Kind von Kriegsflüchtlingen aus dem Kosovo in England zur Welt. Mit elf zog sie mit ihren Eltern zurück in deren alte Heimat, mit 15 Jahren empfahl sie sich alleine zurück nach London, wo sie, wie sie sagt, früh erwachsen wurde. Sie jobbte in Clubs und als Model, gab sich als älter aus, als sie war, und entwickelte einen Zug in Richtung Karriere als Musikerin.

Rückhalt fand sie zudem in der Literatur. Anders als viele ihrer Kollegen und Kolleginnen ist Lipa kein Buch-fernes Wesen, sondern unterhält sogar einen eigenen Buchclub, für den sie schon große Namen wie Patti Smith oder Emma Cline (The Girls) interviewt hat. Heute ist sie eine der Großen im Mainstream-Pop. Und seit ihr Song Dance the Night auf dem Soundtrack von Barbie aufgetaucht ist, kennt selbst der Sepp aus Pinkafeld die Dame. Ihr drittes Album wird ihre Popularität nicht schmälern.

Dua Lipa

Dua Lipa wurde anachronistischerweise während der Pandemie ein Star. 2020 erschien ihr zweites Album Future Nostalgia, und sie landete mit Don’t Start Now oder Physical Hits, deren Trost- und Sehnsuchtspotenzial für viele das Corona-Gefühl auf den Punkt brachten. In 15 Ländern war das Album auf Platz eins, ihre Songs in über 30 Ländern in den Top Ten. Diese könnten alles oder nichts bedeuten, diagnostizierte ein Rezensent aus Deutschland.

Das trifft auf viel Musik zu, doch das durchgängige Uptempo ihres Albums entwickelt eine Grundstimmung, die den Albumtitel rechtfertigt. Dabei ist Lipas Optimismus kein naiver, sondern eine Form der Energie, die sie als Treibstoff der Veränderung betrachtet. So klingt ein Song wie der Opener End of an Era nicht nach einem Ende, sondern nach einem notwendigen Aufbruch. Und wenn sie ihren letzten Song Happy For You nennt, wirkt nicht nur sie versöhnt mit der Welt. Diese mag uns mitunter als ein schrecklicher Ort erscheinen, aber warum ändern wir das nicht? Mit ein wenig radikalem Optimismus. (Karl Fluch, 8.5.2024)