Wladimir Putin schreitet durch eine Tür im Kreml.
Auftritt Wladimir Putin: Am Dienstag begann seine fünfte Amtszeit im Kreml.
via REUTERS/Sergei Ilnitsky

Manchmal beginnt mit der Amtseinführung eines Staatsoberhaupts eine neue Ära. Als am Dienstag die fünfte Amtszeit von Kreml-Chef Wladimir Putin festlich eingeläutet wurde, war davon freilich nichts zu spüren. Moskau machte klar: Es geht weiter mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine, weiter mit internationalen Drohgebärden, weiter mit der Unterdrückung der Opposition im eigenen Land.

In Moskau dürfte sich die Verwunderung darüber, dass die meisten EU-Staaten – darunter Österreich – keine Vertreter zur Inauguration in den Kreml entsandt hatten, in Grenzen halten. Wer aber erwartet hatte, dass europäische Einigkeit herrschen würde, wurde ebenfalls enttäuscht. Mehrere Länder, etwa Frankreich, Ungarn und die Slowakei, wollten sehr wohl Abgesandte in den Kreml schicken.

Verschiedene Motivlagen

Doch wenn mehrere das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Für die Kreml-nahe Regierung in Budapest und für jene in Bratislava, die zuletzt ebenfalls einen russlandfreundlicheren Kurs eingeschlagen hat, mag das "Offenhalten diplomatischer Kanäle" ein willkommenes Stellvertreterargument sein. Bei Frankreich hingegen ist die Sache anders gelagert: Präsident Emmanuel Macron, der kürzlich laut über den Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine nachgedacht hat, verfolgt ein Wechselspiel aus Härte und Gesprächsbereitschaft.

Dass er meist weder das eine noch das andere mit den EU-Partnern abstimmt, sorgt mit Recht für Ärger. Dennoch sollte man nicht aus dem Blick verlieren, dass es für die Präsenz bei Putins Vereidigung unterschiedliche Motive gibt. Und dass es sogar Vorteile haben kann, Russland über die Haltung des Westens im Unklaren zu lassen. Denn mit der Vielstimmigkeit in der EU kann Putin nur schlecht umgehen – und sie ist nicht automatisch ein Zeichen der Schwäche. (Gerald Schubert, 7.5.2024)