Suppenküche
Essensausgabe für Bedürftige: Über 400.000 Menschen mussten im Vorjahr laut einer Befragung Mahlzeiten ausfallen lassen.
© Christian Fischer

Aus Geldnot unfreiwillig Mahlzeiten ausfallen lassen oder einen ganzen Tag nichts zu essen haben: Geht es nach einer neuen Studie, dann ist das die Realität für rund 420.000 Menschen in Österreich. 4,5 Prozent der Bevölkerung leiden demnach unter schwerer materieller Ernährungsarmut, zeigt die von der Gesundheit Österreich GmbH (Gög) in Auftrag gegebene Untersuchung, basierend auf einer Befragung von 2000 Personen von Mai bis Juli 2023.

Bezieht man auch moderate Fälle von Ernährungsarmut mit ein, wächst die Zahl der Leidtragenden sogar auf 1,1 Millionen, ergo zwölf Prozent der Bevölkerung. Mit dabei sind dann auch Menschen, denen finanzielle Mittel für gesunde Ernährung fehlten oder die Sorgen hatten, sich keinen ausreichenden Lebensmitteleinkauf leisten zu können. Besonders betroffen sind demnach Jüngere, Kranke, Arbeitslose und Personen mit niedrigem Bildungsstandard. Aber auch fehlende Zeit zum gezielten Einkaufen entpuppte sich laut Erhebung als Hürde.

Anzumerken ist bei Befragungen wie diesen stets: Die Ergebnisse spiegeln subjektive Selbsteinschätzungen wider, die Fragestellungen bieten einen gewissen Interpretationsspielraum. Es macht in Sachen Leistbarkeit etwa einen großen Unterschied, ob jemand unter "gesunder" Ernährung bloß gewöhnliches Obst und Gemüse versteht oder gleich Bio-Qualität.

Hürde für Bablers Schulessen

Als zentrale Gegenmaßnahme sehen die Autorinnen und Autoren der Studie kostenlose Gemeinschaftsverpflegung in Bildungs- und Sozialeinrichtungen: So gibt es in Schulen anderer Staaten sogenannte Breakfast-Clubs, wo Kinder gratis frühstücken können. In Österreich propagiert aktuell die SPÖ eine vergleichbare Idee: Das kostenlose, tägliche Mittagessen in allen Schulen und Betreuungseinrichtungen ist ein Leuchtturmprojekt in Andreas Bablers 24-Punkte-Programm.

Der Ernährungswissenschafter Manuel Schätzer vom vorsorgemedizinischen Institut Sipcan erkennt in derartigen Ansätzen nicht nur ein gutes Mittel gegen Armut. Gemeinsames Schulessen biete auch einen Blick über den kulinarischen Tellerrand hinaus: "Da lernen Kinder Vielfalt kennen, die zu Hause vielleicht keinen Brokkoli bekommen." Allerdings sieht Schätzer hohe Hürden für Bablers Plan, denn für ein flächendeckendes Gratisangebot fehle es derzeit schlicht an Räumlichkeiten: "Ich kenne Schulen, da essen die Kinder schon jetzt auf dem Gang."

Laut Sipcan-Erhebung bieten zwei Drittel der Schulen der Sekundarstufe (AHS, Mittelschulen) Mittagessen an, im Schnitt kostet es 4,5 bis 5,5 Euro pro Tag. Jedoch nutzen nur 31 Prozent der Schülerinnen und Schüler dieses Angebot. Für die Volksschule hat das Institut keine Daten vorliegen.

Auch in Wien nicht alles gratis

Die von SPÖ und Neos geführte Wiener Stadtregierung kann für ihren Zuständigkeitsbereich so viel sagen: Jene knapp 54.500 Schülerinnen und Schüler, die eine ganztägige öffentliche Pflichtschule besuchen, hätten Anspruch auf ein kostenfreies Mittagsessen. Beiträge sind hingegen für die Verköstigung im Hort und in den Kindergärten zu bezahlen, und zwar 79,95 Euro im Monat. Für finanziell schlecht situierte Menschen gibt es die Möglichkeit von Ermäßigungen und Befreiungen. Damit wolle man sich aber nicht zufriedengeben, sagt Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos): Langfristiges Ziel sei es, dass jedes Kind in Wien ein kostenfreies warmes und gesundes Mittagessen erhalte.

Die Zahlen der Statistik Austria geben zumindest bis zum Schulalter österreichweit Aufschluss. In den Kindergärten beansprucht österreichweit die Hälfte der Kinder ein Mittagessen, wobei es allerdings, wie die Arbeiterkammer in einem Hinweis verdeutlicht, große regionale Unterschiede gibt. In den von der SPÖ regierten Ländern liegt die Quote jeweils über 70 Prozent, mit Wien als Spitzenreiter (76,3 Prozent). Von den restlichen Ländern liegt Niederösterreich im Schnitt, alle anderen rangieren darunter. Steiermark und Tirol kommen auf rund 35 Prozent, in Vorarlberg beträgt der Anteil nicht einmal 32 Prozent. (Gerald John, 2.5.2024)