Die Österreicherinnen und Österreicher sind immer noch Aktienmuffel. Nur rund ein Viertel der Menschen im Land hat sein Geld in Aktien, Anleihen oder Fonds investiert. Zwar werden es jährlich mehr ­– doch von den USA, Dänemark oder Schweden, wo rund 60 Prozent an der Börse aktiv sind, ist Österreich noch weit entfernt.

Das hat vor allem einen Grund. "Ich kenne mich nicht genug aus", gab die Mehrheit der Befragten in einer AK-Studie von 2022 als Hauptgrund an, warum sie um Wertpapiere bisher einen Bogen macht. Viele schrecken vor einer Investition am Kapitalmarkt mit seinen kryptischen Fachbegriffen, den Kursschwankungen und seinem erschlagenden Angebot zurück. Bei manchen kommen ethische Bedenken dazu: was, wenn ich mich mit meinem Investment mitschuldig an Ausbeutung von Mensch und Natur mache?

Mit Geld die Welt verändern

Diese Zweifel versucht die Branche zunehmend zu zerstreuen. Banken und Broker werben besonders um die junge, umweltbewusste Zielgruppe, die offener für die Börse ist als ihre Eltern- und Großelterngeneration. Die Botschaft: Du kannst mit deinem Geld auch Gutes tun – und etwa in Unternehmen investieren, die an der Energiewende arbeiten oder besonders umweltschonend produzieren.

Geld aus grünen Anlagefonds soll die Energiewende beschleunigen – doch es landet nicht nur in Wind- und Solarprojekten.
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Die drei Buchstaben ESG versprechen genau das: eine Geldanlage, die nicht nur finanzielle Rendite bringt, sondern auch ethischen und ökologischen Mehrwert schafft. Investmentfonds mit diesem Label versichern, nur in Unternehmen zu investieren, die Vorreiter bei Umweltschutz (Environment), Sozialem (Social) und Unternehmensführung (Governance) sind.

Grünes Geld im Ölkonzern

Die Fondsgesellschaft legt das Geld dabei in einer Auswahl von Aktien oder Anleihen ESG-konformer Firmen an. Anlegerinnen und Anleger müssen sich nicht damit beschäftigen, welche unter zehntausenden börsennotierten Unternehmen die aussichtsreichsten und nachhaltigsten sind. Dass nicht in Streumunition, Kohlekraftwerke und Ausbeutung investiert wird, dafür sorgen die Profis.

Doch auf diese ist nicht immer Verlass. Das zeigt die Recherchekooperation "Great Green Investment Investigation" die von Follow the Money und Investico initiiert wurde und an der unter anderen Le Monde, Handelsblatt und STANDARD beteiligt sind. Denn in vielen vorgeblich grünen Investmentfonds stecken auch Anteile von fossilen Firmen wie Ölförderern, Pipelineunternehmen oder Betreibern von Kohlekraftwerken.

Vier von zehn grünen Fonds mit fossilen Spuren

Im Rahmen der Recherche wurden mehr als 1300 in der EU erhältliche Investmentfonds analysiert, die Bezeichnungen wie "ESG", "grün", "nachhaltig" oder "Klima" im Namen tragen. Über öffentlich zugängliche Daten von Finanzinformationsunternehmen lässt sich genau nachverfolgen, in welche Wertpapiere Fonds investiert haben. Das Ergebnis: Mehr als 40 Prozent dieser angeblich grünen Fonds investieren auch in Unternehmen, die einen wesentlichen Teil ihrer Umsätze mit Kohle, Öl und Gas machen.

Beim "iShares MSCI World Energy Sector ESG ETF" liegt der fossile Anteil etwa bei über drei Vierteln des Portfoliowerts, der "Invesco S&P World Energy ESG ETF" investiert sogar knapp 90 Prozent seines Anlagevermögens in fossile Unternehmen. Bei den meisten Fonds sind es allerdings nur einstellige Prozentbeträge, die in Kohle-, Öl- und Gasindustrie fließen.

Rund 1,3 Prozent des Vermögens der untersuchten grünen Fonds sind in fossile Unternehmen investiert. Bei einem Börsenwert von insgesamt hunderten Milliarden Euro sind das dennoch große Beträge: So sind es fast sieben Milliarden Euro, die unter dem Schein der Nachhaltigkeit in Unternehmen fließen, die ihr Geld mit klimaschädlichen fossilen Brennstoffen machen.

Die Tankstelle im Raiffeisen-Fonds

Auch in Österreich aufgelegte Fonds finden sich in der Liste. Der Zentraleuropa-ESG-Aktienfonds von Raiffeisen, der insgesamt rund 120 Millionen Euro verwaltet, investiert etwa elf Prozent in fossile Unternehmen.

Alleine knapp neun Millionen Euro des Fonds stecken im polnischen Raffinerie- und Tankstellenbetreiber Orlen, weitere Beteiligungen sind der ungarische Ölkonzern Mol oder der polnische Stromversorger Tauron, der fast ausschließlich Kohle- und Gasstrom produziert. Auch drei weitere Fonds von Raiffeisen Capital Management (RCM) mit ESG-Label investieren in fossile Unternehmen.

Eine Raffinerie des polnischen Ölverarbeiters Orlen in Gdánsk. Hier landet auch Geld aus grünen Fonds.
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Nicht nur ausschließen

RCM lässt auf STANDARD-Anfrage wissen, dass man in den vergangenen Jahren neben einer Vermeidungsstrategie verstärkt auch einen unterstützenden Ansatz verfolge. Dabei gehe es darum, "zukünftige nachhaltige Perspektiven zu erkennen und eine positive Transformation im Energiebereich zu begleiten und zu unterstützen".

Erdgas sieht RCM etwa als Brückentechnologie – und verweist dabei auf die EU, die den fossilen Brennstoff in ihrer umstrittenen Finanz-Taxonomie ebenso einstuft. Auch für chemische Prozesse und notwendige Kunststoffe werde Erdgas weiter gebraucht. Die polnischen Unternehmen Orlen und Tauron würden zudem auch in erneuerbare Energien investieren, heißt es von Raiffeisen Capital Management.

"Alle Gesetze eingehalten"

Auch in grünen Fonds der Security KAG, Teil der Grazer-Wechselseitige-Bankengruppe, finden sich fossile Unternehmen. Im Fonds "Apollo Nachhaltig EMMA Equity" sind etwa die Indian Oil Corporation und der thailändische Ölkonzern PTTEP vertreten.

Security KAG betont auf STANDARD-Anfrage, dass man sich an alle gesetzlichen Vorgaben halte und die betroffenen Fonds sogar mit Gütesiegeln ausgezeichnet worden seien. "Ein Totalausschluss von fossilen Titeln ist in keinem Regulativ festgeschrieben", heißt es in der Stellungnahme des Vermögensverwalters. In den Namen sehe man keine Irreführung.

Neue Regeln sollen Klarheit bringen

Tatsächlich ist es derzeit nicht verboten, Aktien von Ölkonzernen in Fonds zu packen und diese unter grünem Namen zu verkaufen. Fonds hingegen, die sich als "dunkelgrün" im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) vermarkten wollen, müssen bestimmte Auflagen erfüllen. Per se verboten sind fossile Investments aber auch bei diesen dunkelgrünen Fonds nicht – weshalb auch in diesen Wertpapiere von Öl- oder Luftfahrtunternehmen vertreten sind, wie frühere Recherchen von STANDARD und Follow the Money zeigten.

Die EU-Wertpapieraufsicht ESMA arbeitet derzeit an neuen Regeln, wonach Fonds mit Begriffen wie "nachhaltig" oder "ESG" im Namen nicht mehr in Unternehmen investieren dürfen, die mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit Gas, mehr als zehn Prozent mit Öl oder mehr als ein Prozent mit Kohle erwirtschaften.

Diese Kriterien haben auch Follow the Money und STANDARD im Rahmen der Recherche benutzt, um fossile Unternehmen in grünen Fonds ausfindig zu machen.

Name für viele Anleger ausschlaggebend

Die neuen Regeln für die Benennung von grünen Fonds sollen im ersten Halbjahr 2025 in Kraft treten. Manager von nachhaltigen Fonds müssen dann fossile Unternehmen aus ihren Portfolios werfen – oder den Namen des betroffenen Fonds ändern.

Die Regeln seien gerechtfertigt, da Anlegerinnen und Anleger "zu Recht erwarten können, dass Fonds mit umweltbezogenen Begriffen in ihrem Namen nicht in erheblichem Umfang in fossile Brennstoffe investieren", schreibt die ESMA in eine Presseaussendung.

Schließlich ist laut einer Untersuchung der niederländischen Finanzaufsicht AFM für rund ein Viertel des Privatinvestorinnen und -investoren der Name eines Fonds der ausschlaggebende Faktor, um in ein nachhaltiges Finanzprodukt zu investieren.

Die neuen EU-Regeln werden in Zukunft also etwas Licht in das Dickicht an Investmentfonds bringen, das auf viele potenzielle Anlegerinnen und Anleger abschreckend wirkt. Bis dahin bleibt nachhaltig orientierten Anlegerinnen und Anlegern der Blick auf die Website der Fondsgesellschaft wohl nicht erspart. Dort sind alle Unternehmen, in die ein Fonds investiert, aufgelistet – inklusive der fossilen. (Philip Pramer, 30.4.2024)