LiveWire One
E-Motorräder wie die Livewire One von Harley-Davidson bleiben auf der Straße eine Seltenheit – nicht ohne Grund.
Harley Davidson

Auf den ersten Blick sieht die Harley-Davidson Livewire One aus wie ein gewöhnliches Motorrad. Erst an der Ampel hört man den Unterschied zur sonst üblichen Lärmkulisse. Mit ihrem elektrischen Antrieb ist sie nicht nur leise unterwegs, sondern auch umweltfreundlich: Weil der Zweiradstromer keine Abgase ausstößt, reduziert er die lokale Belastung durch Feinstaub und Schadstoffe.

Elektromobilität spielt in der Automobilindustrie eine wichtige Rolle, um Klimaziele zu erreichen. Doch während sich E-Autos langsam etablieren, haben die batteriebetriebenen Motorräder noch einen langen Weg vor sich. "Die meisten Biker brauchen das Freiheitsgefühl auf der Maschine. Sie wollen ihre Strecken fahren, ohne an die nächste Steckdose denken zu müssen", verrät Dirk, der anonym bleiben möchte, der Deutschen Presse-Agentur. Für den leidenschaftlichen Motorradfahrer komme der Kauf eines E-Modells nicht infrage: "Ein Biker erkennt eine Maschine am Klang – auch das fällt bei den Elektromotorrädern weg."

Zwar ist nach Angaben des Industrieverbands Motorrad Deutschland (IVM) das Interesse an motorisierten Zweirädern mit Elektroantrieb in den Jahren seit 2020 ist deutlich gestiegen, das gelte aber vor allem für die kleineren Fahrzeugsegmente. 2023 gab es nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) 222.046 Neuzulassungen für Krafträder – davon waren nur 16.945 (7,6 Prozent) mit Elektroantrieb. Im Jahr zuvor waren es noch 33.687 von 223.889 neu zugelassenen Krafträdern.

Angebot überschaubar

Auch die Angebotspalette von elektrischen Krafträdern ist überschaubar. So verschob BMW die Vorstellung seines ersten E-Motorrads auf frühestens 2026 – ursprünglich war das Modell schon für 2025 angekündigt worden. Es gebe weltweit "nirgendwo eine wirklich relevante Nachfrage seitens der Kunden nach elektrischen Motorrädern", sagt BMW-Sprecher Tim Diehl-Thiele. Solange die Nachfrage ausbleibt, mache es keinen Sinn, ein vollelektrisches Motorrad auf den Markt zu bringen.

Die häufigsten Kaufhindernisse sind die eingeschränkte Reichweite und die Aufladedauer von E-Motorrädern, erklärt Matthias Meier, Geschäftsführer der Harley-Davidson-Factory in Frankfurt. Nach Angaben des Adac schaffen es die meisten Modelle nur auf 100 bis 200 Kilometer Reichweite, einige wenige schaffen auch mehr. Motorradfahrer würden ihre Krafträder aber oft für deutlich längere Strecken nutzen, sagt Meier. "Wenn der typische Motorradfahrer mit seinen Kumpels einen Ausflug machen will, kommt er mit der E-Version nicht weit."

Um die Barrieren der Motorradfahrer abzubauen, lohne sich eine Probefahrt, sagt Meier. "Elektrische Motorräder polarisieren beim Erstkontakt." Das Handling und die spielerische Leichtigkeit würden fast jeden Fahrer begeistern. "Man muss nicht mal kuppeln. Auch die Bremse braucht man nur, wenn man mal scharf bremsen muss. Und im Hochsommer muss man sich nicht vor der Motorwärme schützen", erzählt er über die E-Harley.

E-Moped beliebter

Deutlich erfolgreicher sind in Deutschland die kleineren E-Modelle. Gerade in Stadtgebieten profitiere man von kurzen Stauzeiten, einfacheren Parkmöglichkeiten und überschaubaren Fahrzeugkosten, heißt es vom IVM. Dem Verband zufolge machen Elektrofahrzeuge in der kleinsten Klasse, die Kleinkrafträdern mit bis zu 50 Kubikzentimetern Hubraum entspricht, fast 30 Prozent aus.

Viele Hersteller setzen demnach gerade in Stadtgebieten auf den E-Antrieb. Gerade aus China werden zahlreiche Elektroroller angeboten. Auch BMW fokussiert sich nach eigenen Angaben bei neuen Modellen für städtische Räume und überschaubare Distanzen ausschließlich auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Schließlich seien die Bayern mit ihrem ersten E-Großroller C Evolution von 2013 auf Anhieb Marktführer geworden und hätten den Markt wesentlich angeschoben, betont Diehl-Thiele.

Lade-Infrastruktur gefragt

Damit künftig mehr Motorradfahrer auf den emissionsfreien Geschmack kommen, müsse sich Meier zufolge die Infrastruktur von Ladestationen verbessern. "Man braucht für die E-Modelle mehr Lademöglichkeiten in- und außerhalb der Stadt", betont er. Auch BMW-Sprecher Diehl-Thiele bemängelt "die bei weitem noch nicht ausreichende Dichte an Ladestationen" für die überwiegend in der Freizeit genutzten Motorräder. Daneben würden technische Herausforderungen auf der Produktseite das Umstellen von Motorrädern auf E-Motoren erschweren, erklärt er. "Nur ein Beispiel: Das Batteriegewicht ist im Motorrad ein viel komplizierteres Thema als im Auto."

Auch gebe es keine regulatorischen Angaben für Hersteller, wie etwa Flottenvorgaben, erklärt der BMW-Mann. Für die Anschaffung von E-Autos wurden von der Bundesregierung finanzielle Anreize gesetzt. Bis Mitte Dezember 2023 förderte die Bundesregierung den Kauf eines Elektrofahrzeuges mit bis zu 4500 Euro. Für ein E-Motorrad gab es keine Umweltprämie. "Wenn es für E-Motorräder eine staatliche Förderung gäbe, würde man vielleicht den ein oder anderen davon überzeugen", sagt Meier. "Aber das ist bei der Regierung durchs Raster gefallen."

Nach IVM-Ansicht wird der Anteil von Elektrofahrzeugen bei motorisierten Zweirädern gerade im Bereich der kleineren Fahrzeuge als Mobilitätsalternative weiter steigen. Gleiches gelte für das Motorradsegment, in dem auch Hybridantriebe eine Rolle spielen könnten. (APA, red, 29.4.2024)