Das kennen wohl viele: Smartphone frisch einrichten, App-Liste durchgehen und wundern. Okay, Taschenrechner, Kalender oder auch Mail-Client: Macht irgendwie Sinn, dass das vorinstalliert ist. Telefonie- oder SMS-App sowieso. Aber wieso liegt hier auch noch Netflix herum? Obwohl ich das gar nicht abonniert habe? Und wer zur Hölle verwendet eigentlich noch Facebook?? Candy Crush Saga??? Das ist jetzt aber nicht euer Ernst ...

Also folgt das Aufräumen. Entfernen, was zu entfernen geht, deaktivieren, was nicht gänzlich gelöscht werden kann. Während irgendwo im Kopf eine nicht zu verdrängende Frage herumschwirrt: Wie komme ich eigentlich dazu, mich mit so einem Unsinn herumschlagen zu müssen?

Bloatware am Samsung Galaxy S24 Ultra
Da wird der Panda ganz traurig: so viel unnötige Bloatware. Und dabei ist Samsung noch nicht einmal der schlimmste Smartphone-Hersteller in dieser Hinsicht.
Proschofsky / STANDARD

Werbung und sonst nichts

Denn natürlich geht es dabei nicht um irgendwelche Nutzerinteressen, nicht um "nützliche Empfehlungen", als die solche Bloatware gerne verkauft wird. Außer die Hersteller wollen damit zum Ausdruck bringen, dass sie die eigenen Kundinnen und Kunden für zu blöd halten, so exotische Apps wie Facebook, Netflix oder Spotify im Play Store zu finden. Nein, es geht darum, über Deals mit den jeweiligen App-Herstellern noch mal ein bisschen was dazuzuverdienen. Ich hoffe, diese Information schockiert jetzt niemanden, aber: Linkedin findet sich nicht deshalb auf einem Galaxy S24 Ultra, weil Samsung denkt, dass das für unser Leben unerlässlich ist, sondern weil Microsoft dafür zahlt.

Nun könnte man durchaus argumentieren, dass es Fälle gibt, wo solche Werbeplatzierungen irgendwie in Ordnung sind. So nervt entsprechende Bloatware und Werbung auch bei Amazons Fire Tablets, dort kann der Hersteller aber wenigstens darauf verweisen, dass die Hardware im Gegenzug sehr günstig verkauft wird. Das Gleiche bei Geräten zu machen, die zum Teil um 1000 Euro verkauft werden, ist – mit Verlaub – eine Frechheit. Oder, um es auf den Punkt zu bringen: pure Gier.

Schlimmer geht immer

Doch wer meint, dass diese leider seit Jahren etablierte und irgendwie nicht totzukriegende Praxis schon den Höhepunkt darstellt, der wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Frei nach dem Motto "Schlimmer geht immer" hat man bei der Einrichtung neuer Mittelklassegeräte wie des Galaxy A55 einen Dialog namens "Entdecke und installiere tolle Apps" eingeführt. Toll! Wer kann damit noch ein Problem haben? Der Autor natürlich, und potenziell natürlich einige mehr.

Dahinter verbirgt sich nämlich ein mehr als zweifelhafter Dienst. Zunächst werden die Nutzerinnen und Nutzer nach Alter und Geschlecht gefragt, um dann personalisierte App-Empfehlungen zu erhalten. Wer jetzt befürchtet, dass das ein bisschen gar klischeehafte Kriterien sind, kann umgehend beruhigt werden: Egal was man hier eingibt, hinten kommen immer Müll-Empfehlungen heraus.

Samsung Bloatware
Ein eigener Dialog, um den Nutzerinnen und Nutzern Extra-Bloatware aufzudrängen: Dafür hat sich Samsung eine Negativauszeichnung verdient. Ebenso dafür, dass die Sicherheitseinstellungen missbraucht werden, um die Aktivierung von zusätzlichen und sinnlosen Antivirenscannern durchzudrücken.
Proschofsky / STANDARD

Im Test wurden so tolle Tipps wie Candy Crush Saga, Temu (ernsthaft?) oder auch irgendwelche beliebigen Wetter-Apps geliefert. Offenbar sagt mein Alter und Geschlecht also aus, dass ich mich für Wetter interessiere. Gratulation an die Entwickler! Dass in der Liste dann auch noch irgendwelche schwindligen "Geld verdienen"-Apps zu finden sind, setzt dem Ganzen die Krone auf. Dass einige dieser Apps auch dann installiert werden, wenn man nichts auswählt, versteht sich da fast schon von selbst.

Remember Facebook-Bloatware?

Bei all dem Ärger darf nicht vergessen werden, dass auch heute noch auf Geräten von Samsung und manch anderen Herstellern versteckt unlöschbare Dienste von Meta/Facebook zu finden sind. Das Problem wurde an dieser Stelle schon vor einiger Zeit ausführlich beschrieben, geändert hat sich daran leider wenig. Außer dass die entsprechenden Dienste nun statt irgendwas mit Facebook irgendwas mit Meta heißen. Sie laufen noch immer unnötig im Hintergrund, belegen Ressourcen und haben hohe Berechtigungen, können etwa Apps nachinstallieren, womit sie auch ein zusätzliches Sicherheitsrisiko sind. Einen nachvollziehbaren technischen Grund dafür gibt es nicht.

Insofern gilt bis heute der Tipp, diese Dienste zu deaktivieren, womit man dann aber auf eine weitere zweifelhafte Praxis bei Samsung trifft. Bis heute nutzt Samsung nämlich Softwareupdates, um deaktivierte Dienste oder gelöschte Apps zu reaktivieren – oder gar neue Bloatware einzuführen. Damit zeigt man eine Respektlosigkeit gegenüber den Entscheidungen der User, die durchaus irritierend ist.

Wichtige Klarstellungen

Nun müssen an dieser Stelle ein paar Dinge angemerkt werden: Samsung kommt bisher besonders oft vor, das liegt daran, dass das Unternehmen der größte und vor allem in unseren Breitengraden der klar wichtigste Hersteller von Android-Smartphones ist. Das soll aber nicht heißen, dass andere Anbieter besser sind, gerade chinesische Hersteller verblüffen oft damit, was für schrottige Apps sich auf ihren Smartphones finden, nur weil irgendwer ein paar Cent pro Gerät dafür zahlt.

Zudem ist die Definition des Begriffs Bloatware natürlich eine schwierige und oft auch eine der eigenen Perspektive. Wer will, kann mit Recht auch so manch vorinstallierte App auf Apple- oder Google-Smartphones zu dieser Kategorie zählen. Dass auch dahinter kommerzielle Interessen stehen, ist zweifellos. Und auch der Autor selbst würde für eine deutlich schlankere Auswahl an vorinstallierten Apps plädieren – oder zumindest eine wirklich Wahlmöglichkeit schon beim Einrichten des Geräts. Irgendwelche zufälligen Apps von irgendwelchen Drittherstellern, die ohne nachvollziehbaren Sinn vorinstalliert sind, da ist die Lage aber klar: Bloatware.

Microsoft ist nicht besser

Am Rande sei betont, dass Samsung und Co damit natürlich nicht alleine dastehen. Was Microsoft rund um sein kommerzielles und ziemlich profitables Betriebssystem Windows derzeit aufführt, ist regelrecht atemberaubend – aber nicht im positiven Sinne. Die Integration von Werbung in das Startmenü, und damit eines der wichtigsten Elemente des gesamten User Interface, ist ein absolutes No-Go. Das alleine sollte schon Grund genug sein, endlich auf Linux umzusteigen. (Das war jetzt zugegeben eine nicht sehr gut kaschierte Werbung des Autors, wenigstens aber eine unbezahlte, Anm.)

Windows Werbespam im Startmenü
Bei alldem will Microsoft natürlich nicht zurückstehen und missbrauch das Startmenü für Werbespam.
Microsoft

Ganz zu schweigen von den immer neuen und aufdringlicher werdenden Versuchen Microsofts, wirklich jeden Windows-User so lange mit dem eigenen Browser Edge zu nerven, bis diese aufgeben und darauf wechseln. So wirkt jedenfalls die Strategie, die sich vieler mehr als zweifelhafter Praktiken bedient.

Dass die Wettbewerbsbehörden in diesem Fall nicht einschreiten, ist angesichts der Dominanz von Windows irritierend. Immerhin ist das ein klarer Versuch, die eigene Marktmacht auf einen anderen Bereich auszudehnen. Noch dazu einer, für den Microsoft bereits einmal verurteilt wurde. Aber vielleicht will man lieber wieder zuschauen, bis der Plan aufgeht, um dann verblüfft zu sein, wie es dazu bloß kommen konnte.

Zumindest steht dieses Mal auf der anderen Seite mit Google ein Unternehmen, das selbst vor zweifelhafter Bewerbung nicht zurückschreckt und sich wohl zu wehren weiß. Dass das alles ziemlich nervig für die Nutzerinnen und Nutzer ist, scheint da irgendwie keine Rolle zu spielen, die brauchen solch "hilfreiche Hinweise" nämlich schlicht nicht – egal von wem.

Insofern, ob Samsung oder Microsoft, ob Xiaomi oder auch Google – egal wer: Schluss damit! (Andreas Proschofsky, 27.4.2024)