Ich liebe Sardellen1 in allen Formen und Aggregatzuständen: frisch und eingedost, knusprig frittiert, gebraten, gedämpft oder in ihrer flüssigen Form als Sauce. Aber auf die Gefahr hin, dass man das jetzt auf mein Österreichertum schiebt, behaupte ich trotzdem: Am sichersten gut werden sie als Schnitzel.

Sardellenschnitzel Gruß aus der Küche Derstandard Cotolette di Alici
Wenn die Sardellen im Frühjahr ins Cilento kommen, kommen sie in Schwärmen, manchmal so groß, dass die Fischer sie nur mit Eimern abschöpfen können.
Foto: Tobias Müller

Verzeihendes Gericht

Klar: Richtig frische Sardellen – idealerweise gerade aus dem Meer gehoben – schmecken am allerbesten roh. In unserem süditalienischen Fischerdorf, das ein wenig berühmt ist für seine Sardellen2, werden sie in der Saison von den Fischern noch auf dem Boot filetiert, mit etwas Zitronensaft und Öl beträufelt und sofort gegessen. Die an Land Zurückgebliebenen tun es ihnen gleich und trösten sich über die etwas geringere Frische mit einem Hauch von wildem Fenchelgrün.

Sardellenschnitzel Gruß aus der Küche Derstandard Cotolette di Alici
Rohe Sardellen (links), roher Schwertfisch.
Foto: Tobias Müller

Sehr große und dralle Sardellen hingegen schmecken für mich am besten gegrillt, und zwar so heiß, dass sie außen zwar herrlich knusprig, innen aber noch schön saftig bleiben. Die Guten, direkt am Strand nach der Landung genossen, nur mit Salz, Zitrone und ihren bitteren Eingeweiden gewürzt, sind ein animalisch-kräftig-fischiger Genuss.

Beides ist bei uns leider schwer nachzumachen. Es verlangt eine Frische, die gerade Sardellen nie haben (sie halten sich nicht gut und verwelken schnell), und die gegrillte Version verlangt außerdem Übung. Das Sardellenschnitzel hingegen ist ein verzeihendes Gericht.

Sardellenschnitzel Gruß aus der Küche Derstandard Cotolette di Alici
Gegrillte Sardelle.
Foto: Tobias Müller

Beislessen

Es ist salzig, knusprig, saftig und überzeugend fischig, ein mürber, warmer Cracker mit Sardellengeschmack, so was wie der Kartoffelchip des Meeres (meine kleine Tochter isst sie entsprechend mit fast der gleichen Begeisterung). Garpunkt, Größe, Entfernung von Fangort und -zeitpunkt – das alles kümmert den Schnitzelkoch wenig. Selbst Fische, die bereits mit aufgehenden Bäuchen liegen, ein klares Zeichen fortgeschrittener Reife, werden paniert und im Fett gebacken noch ziemlich gut.

In Süditalien heißen Sardellenschnitzel "Cotolette di Alici" und gehören zur Standardausstattung vieler Beisl-Speisekarten. Meist werden sie als Antipasto gegessen. Sollten Sie in Neapel vorbeikommen: Cap'Alice in der generell superen Via Bausan macht sie ganz hervorragend.

Sardellenschnitzel Gruß aus der Küche Derstandard Cotolette di Alici
Sardinen, eingedost.
Foto: Tobias Müller

Wer selber ranmuss: Mit ein bisserl Übung sind sie ziemlich schnell gemacht. Ich würde sie nicht für sechs Gäste als Hauptspeise servieren wollen, aber für drei Esser sind sie kein Problem. Achtung: lieber das Küchenfenster öffnen, Tür schließen und/oder den guten Abzug einschalten. Fischfrittiergeruch im Schlafzimmer ist nur was für echte Fans.

Ich kaufe meine Sardellen meist bei Gurkerl, oft aus der "Rette Lebensmittel"-Kategorie (es will sie wohl kaum einer), aber selbst mit Vollpreis kostet die 250-g-Packung deutlich unter vier Euro.3 Frische Sardellen gibt es außerdem auf fast jedem Wiener Markt mit balkanesischem oder türkischem Fischtandler (Brunnen-, Meisel- und Hannovermarkt verlässlich). Wer gern edler shoppt: Gastrofisch Brac hat sie auch ziemlich regelmäßig. Je fester das Fleisch und je geschlossener der Bauch, desto besser die Fische.

Rezept und Zubereitung

Sardellenschnitzel Gruß aus der Küche Derstandard Cotolette di Alici
Cotolette di Alici.
Foto: Tobias Müller

Gute Vorbereitung ist alles. Das gilt beim Panieren und Frittieren noch viel mehr als bei jeder anderen Form von Kochen.

Putzen Sie all ihre Fische. Am leichtesten geht das, indem man einfach die Köpfe nach hinten knickt und dann sanft abreißt – meistens kommt gleich der Innereiensack, der am Kopf hängt, mit. Mit dem Daumen den Bauch öffnen (wenn er nicht eh schon von selbst aufgegangen ist), den Fisch aufklappen, das Fleisch auf einer Seite vom Rückgrat lösen und dieses dann herausziehen. Achtung: Die Schwanzflosse sollte idealerweise am Fisch bleiben, sie ist nämlich perfekt, um ihn nachher daran durchs Ei zu ziehen, und wird außerdem wunderbar knusprig.

Den Vorgang für drei Esser ungefähr 20-mal wiederholen, spätestens beim fünften Fisch geht es fast von selbst. Ideal sind Fische, die vor zwei, drei Tagen gefangen wurden. Ganz frische sind zu knackig, um sich leicht auslösen zu lassen, zu alte beginnen, breiig zu werden und zu zerfallen.

Heizen Sie das Backrohr auf 80 Grad vor, zum späteren Warmhalten der Schnitzel. Verschlagen Sie ein Ei, stellen Sie einen Teller mit gesalzenem Mehl und nicht zu knapp Brösel bereit und einen Teller (oder, noch besser, einen Rost) mit etwas Küchenpapier zum Abtropfen der fertigen Fische. Legen Sie Essstäbchen oder Schaumlöffel, oder womit sie sonst auch immer gern frittieren, neben den Herd.

Panieren Sie die erste Runde Sardellen (auf beiden Seiten ins Mehl drücken, an der Schwanzflosse durchs Ei ziehen, auf beiden Seiten gut in die Brösel tunken), mindestens so viele, wie sie auf einmal frittieren können, und am besten noch ein bisschen mehr.

Erst jetzt geben Sie das Öl in den Topf, mindestens drei, vier Zentimeter tief. Ich verwende gern eine Mischung aus Sonnenblumen- und Olivenöl. Erhitzen Sie es, bis es Schlieren zieht, und geben die erste Runde Sardellen hinein – nur so viele, wie dort gemütlich Platz haben. Unter gelegentlichem Topfrütteln frittieren, bis sie auf beiden Seiten goldbraun sind. Das Wenden geht übrigens meiner Meinung nach am leichtesten mit Stäbchen.

Aus dem Öl heben, gut abtropfen lassen, auf einen Rost oder Teller mit Küchenpapier geben und mit grobem Meersalz salzen. Im Backrohr warm halten, während die restlichen Sardellen frittiert werden. Wer will, reibt vor dem Servieren noch etwas Zitronenschale darüber. Ein frischer Salat dazu macht ein Abendessen draus. (Tobias Müller, 28.4.2024)