Raumstation aufblasbar Liquifer
Neben Hardware werden in Österreich auch futuristische Konzepte entwickelt, etwa aufblasbare Module für eine Raumstation durch die Firma Liquifer.
Airbus DS Germany, LIQUIFER

Es wäre wohl vermessen, Österreich als echte Raumfahrtnation zu bezeichnen. Denn per definitionem zählen dazu nur Staaten, die in der Lage sind, mit eigenen Raketen eigene Satelliten oder Sonden ins All zu schießen. Dass die private Raumfahrt das etablierte Konzept längst infrage gestellt hat, zeigen nicht nur große Marktplayer wie Space X. Als Zulieferer und Nischenspezialist hat sich in den vergangenen Jahren auch Österreich mit zahlreichen Firmen international einen Namen gemacht.

Auf diese Entwicklung, dass in vielen Ländern, aber auch regional, spannende Ökosysteme im Bereich der Raumfahrt entstanden sind, reagiert nun auch die europäische Raumfahrtagentur Esa. Sie hat am Freitag ein neues Konzept vorgestellt, das insgesamt zwölf kleinere Zentren mit enger Andockung an die Industrie und den Hochschulbereich sowie die verschiedenen Weltraumagenturen vorsieht. Der erste dieser Weltraum-Hubs entsteht in Österreich, genauer gesagt in Schwechat. Zur Eröffnung reiste Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher an.

Antrieb für Satelliten

Bei dem "Esa Phi-Lab Austria" am Standort Flughafen Wien werden etablierte Firmen und Start-ups wie das aus dem Umfeld der FH Wiener Neustadt hervorgegangene Spin-off Enpulsion andocken. Das Unternehmen hat sich bei ionenbasierten Antrieben für Klein- und Kleinstsatelliten zum Weltmarktführer hinaufgearbeitet und führte nach der Präsentation mit Aschbacher durch die neu eröffneten Räumlichkeiten am Flughafengelände.

Vakuumbehälter Enpulsion
Das österreichische Unternehmen Enpulsion gewährte einen Blick auf seine Vakuumbehälter.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Die Esa-Initiative soll solchen Firmen bei der Prototyp- und Produktentwicklung künftig unter die Arme greifen. 11,2 Millionen Euro in vier Jahren werden investiert. Das Geld stammt etwa zur Hälfte aus dem österreichischen Esa-Budget, das vom Klimaschutzministerium finanziert wird. Unterstützung steuert auch das Land Niederösterreich bei, das laut Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vier Millionen Euro direkt und weitere 1,2 Millionen über europäische Programme beisteuert.

Das Land Niederösterreich soll zudem mit seinem Technologie-Inkubator Accent und der Technologieagentur Tecnet Equity dazu beitragen, dass neben klassischen Unternehmen, Start-ups und Spin-offs auch Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen ihre Expertise an dem neuen Weltraum-Hub bündeln. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf den Bereichen neue Materialien, innovative Bauteile und Antriebssysteme, sowohl für Raketen als auch für Raumfahrzeuge und Satelliten. Die angestrebten Prototypen und Produkte sollen auf seriennahem Niveau entwickelt werden.

Silicon Valley als Vorbild

Mit dem Hub – weitere Phi-Labs sollen etwa in den Niederlanden, Deutschland oder Italien folgen – sollen aber nicht nur bereits bestehende Unternehmen angesprochen werden. Vielmehr erhoffen sich die Verantwortlichen auch Neugründungen, Aschbacher nannte das Silicon Valley in Kalifornien als Vorbild. Mit Förderungen für vier bis sechs Projektteams pro Jahr zwischen 200.000 und 500.000 Euro über bis zu zwei Jahre hinweg will man der heimischen Weltraumtechnologie als Anlaufstelle dienen. Interessenten werden bald Anträge stellen können, der erste Auswahlprozess soll im Juni über die Bühne gehen.

Für die angedockten Unternehmen ist folglich auch eine Unterstützung in den Bereichen Unternehmensführung, Schutz von geistigem Eigentum und bei der Markteinführung von Entwicklungen vorgesehen. Die Europäische Raumfahrtagentur wird sich in die zweimal im Jahr geplante Auswahl der Projektteams einbringen und diese dann mit Experten und Expertinnen innerhalb des Esa-Netzwerkes verknüpfen.

Die Initiative zu den "Phi-Labs" hatte Aschbacher, der seit 2020 als Esa-Generaldirektor fungiert und gebürtiger Österreicher ist, im Jahr 2017 noch in seiner damaligen Funktion als Direktor für die Erdbeobachtungsprogramme der Agentur gestartet. Mit der Eröffnung des "Phi-Lab Austria" wird das Konzept, das in ein Weltraumzentrum für Erdbeobachtung in Italien mündete, nun auf andere Bereiche der Weltraumtechnologie und deren Vermarktung ausgeweitet. Damit soll das Feld sensibler Technikentwicklungen nicht allein den USA oder China überlassen werden. (red, APA, 26.4.2024)