Ansicht der Justizanstalt Graz-Karlau
Lorenz K. und ein mitangeklagter Häftling lernten einander in der Justizanstalt Graz-Karlau kennen.
ERWIN SCHERIAU / APA / picturedesk.com

Wien/Graz – Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat am Freitag am Wiener Landesgericht der zweite Prozess gegen den im April 2018 zu neun Jahren Haft verurteilten IS-Terroristen Lorenz K. begonnen. Der mittlerweile 25-Jährige bekannte sich teilweise schuldig. Spezialkräfte der Justizwache-Einsatzgruppe, Polizeibeamte und Verfassungsschützer waren für die Verhandlung abgestellt. Im Gerichtssaal galt ein Fotografier- und Filmverbot.

"Bedenken Sie, was für ein gefährlicher Mann Lorenz K. ist", sagte Staatsanwalt Hannes Winklhofer zu Beginn der Verhandlung in Richtung der Geschworenen. Dieser habe sich "bei der ersten Möglichkeit wieder ein Instrument verschafft, um Werbung für den 'Islamischen Staat' zu betreiben und ganz gezielt zur Begehung von Selbstmordanschlägen aufzufordern". Der Ankläger betonte, der mittlerweile 25-Jährige habe im Gefängnis illegale Handys besessen und dazu genutzt, Leute zu Anschlägen anzustiften: "Das ist die Definition eines Terroristen."

Unterbrechung

Nach dem Staatsanwalt kamen die Verteidiger David Jodlbauer und Rudolf Mayer zu Wort. Als Mayer darauf hinwies, dass sich Lorenz K. und ein mitangeklagter 33-Jähriger im Gefängnis radikalisiert hätten und ein "Versagen staatlicher Organisationen" ortete, wurde es emotional. Der Staatsanwalt wies diese Darstellung mit den Worten "Anwaltskitsch" zurück, worauf es zu einem heftigen Schreiduell zwischen Winklhofer und Mayer kam. Die Verhandlung wurde für mehrere Minuten zur Abkühlung der Gemüter unterbrochen.

Der Staatsanwalt wirft K. und einem mitangeklagten Häftling – die beiden lernten einander in der Justizanstalt Graz-Karlau kennen – eine Fülle terroristischer, im Gefängnis begangener Straftaten vor. Lorenz K. hat sich wegen Bestimmung zum Mord sowie Bestimmung zur vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel, jeweils begangen als terroristische Straftaten, zu verantworten, "wobei diese Verbrechen im Versuchsstadium steckengeblieben sind", wie der Staatsanwalt eingangs der Verhandlung darlegte. Zusätzlich sind die Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation inkriminiert. Bei einer anklagekonformen Verurteilung müsste Lorenz K., dessen reguläres Strafende Ende Oktober 2026 wäre, mit weiteren zehn bis 20 Jahren oder gar lebenslanger Haft rechnen.

Nach den im Namen der radikalislamistischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) begangenen Anschlägen in Paris vom Oktober 2015 und in Brüssel vom März 2016 plante der damals 17-jährige K. einen Bombenanschlag auf den deutschen US-Truppenstützpunkt Ramstein und wollte zudem einen damals unmündigen Buben Ende November 2016 dazu bringen, mit einem selbstgebauten Sprengsatz einen Selbstmordanschlag auf einen Weihnachtsmarkt im deutschen Ludwigshafen durchzuführen. Obwohl er dafür verurteilt wurde und eine neunjährige Freiheitsstrafe verbüßt, legte er seine dem IS verhaftete Gesinnung offenbar nicht ab.

Instagram-Profile

Der nunmehrigen Anklage zufolge soll er seine erneuten terroristischen Aktivitäten ab November 2019 zunächst in der JA Stein und nach seiner Verlegung nach Graz ab Jänner 2020 in der JA Karlau mittels illegal beschaffter Mobiltelefone betrieben haben. Lorenz K. unterhielt zwei Instagram-Profile mit 278 bzw. 73 Abonnenten und nutzte den Messenger-Dienst WhatsApp, wobei er seine Profile mit dem IS-Logo versah. "Der Name macht den Mann in der Szene", sagte Lorenz K. dazu in seiner Beschuldigteneinvernahme. Er gab zu, über die Kanäle Propagandamaterial des IS verbreitet zu haben. Ihm sei es um "Aufmerksamkeit und Anerkennung" gegangen: "Ich lag den ganzen Tag in der Zelle rum, faul." Er sei "zu stur" gewesen, "um mich vom IS abzuwenden. Das war das Einzige in meinem Leben, was ich gekannt habe. Ich konnte mich davon nicht trennen. Es war für mich schwer, die Anerkennung der Leute abzulehnen".

Lorenz K. soll darüber hinaus versucht haben, mit seinem Handy einen in Deutschland vermuteten Ansprechpartner, der sich Manfred U. nannte, zu einem Selbstmordattentat mittels eines Sprengsatzes an einem nicht näher bestimmten Ort in Österreich oder Deutschland anzustiften. "Du kannst die Kuffar (Ungläubige, Anm.) versteckt angreifen", schrieb Lorenz K. dem Mann unter anderem in einem Chat. "Für mich war absolut klar, dass er keinen Anschlag machen wird in Form einer Bombe", wies der Angeklagte den Vorwurf zurück, damit seinen Gesprächspartner zu einem Anschlag angestiftet zu haben. Er habe bei der Unterhaltung "an nichts Bestimmtes", allenfalls "eine Operation" gedacht.

In dem Chat verwendete Lorenz K. allerdings das arabische Wort für Märtyrertod. "Dafür brauch ich Material", antwortete ihm U. Damit sei "Material zum Lernen" gemeint gewesen, erläuterte Lorenz K. auf richterlichen Vorhalt des Chats, was die Richterin als "nicht ganz nachvollziehbar" bezeichnete. "Ich wusste, dass er nicht bereit war, einen Mord zu begehen", insistierte der 25-Jährige. "Schauen Sie, ich habe ihn weder zum Mord angestiftet noch ihm irgendwelche pdf-Dateien geschickt noch ihm irgendwas beigebracht", versicherte Lorenz K.

"Terrorzelle"

In der JA Karlau, wo er als Hausarbeiter beschäftigt wurde, soll Lorenz K. gemeinsam mit zwei anderen Hausarbeitern eine Art "Terror-Zelle" gebildet haben. Zum einen lernte er den mehrfach vorbestraften, nunmehr mitangeklagten Nino K. kennen, der eine 16-jährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Raubmordes verbüßt und der sich als Anhänger des IS erwies. Lorenz K. übermittelte dem 33-Jährigen per WhatsApp ein Propagandavideo des IS, in dem erläutert wird, dass man keine Waffen benötige, um "verheerenden Schaden bei den 'Kuffar' anzurichten". Zum anderen stieß Lorenz K. auf Abdelkarim Abu H., den das Landesgericht Krems wegen versuchter Bestimmung zu Mordanschlägen und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung – nämlich der Hamas – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Lorenz K. soll dem "Lebenslangen" eine Anleitung zum Bombenbasteln übermittelt haben. Anfang August 2020 wurden bei einer Durchsuchung der Zelle von Abdelkarim Abu H. Elektronikteile sowie vier Patronenhülsen aus einer Langwaffe gefunden, mit denen dieser vermutlich eine Sprengvorrichtung bauen wollte. Gegen den Hamas-Terroristen wird von der Staatsanwaltschaft Graz separat ermittelt.

Losgelöst davon lud sich Lorenz K. Ende Juli 2020 in seiner Zelle ein vom IS produziertes Video auf sein Handy, auf dem unter anderem zu sehen ist, wie eine Geisel des IS getötet, eine Bombe gebastelt und ein Sprengsatz gezündet wird. Die Datei mit der Tötung der Geisel – laut Anklage ein 20-minütiges "Lehrvideo" des IS – leitete Lorenz K. weiter, wobei das Dokument weitere Verbreitung fand. Die Staatsanwaltschaft qualifiziert auch das als versuchte Bestimmung zum Mord. "Die Videos sind ein essenzieller Teil der Ideologie des IS", bemerkte der Angeklagte dazu. "Ich verstehe nicht, dass man das weitergibt", hielt die vorsitzende Richterin fest. "Wenn man dieser Ideologie angehört, ist man bereit dafür zu sterben. Die IS war meine Welt", antwortete Lorenz K., der seit Juli 2020 im Gefängnis keinen Zugang zu Handys mehr haben soll.

Deradikalisierungsprogramm

Seit seiner Inhaftierung im Alter von 17 wurde und wird Lorenz K. laufend vom Verein Derad begleitet und einem aus Mitteln des Justiz-Budgets finanzierten Deradikalisierungsprogramm unterzogen. Offensichtlich ist dieses Unterfangen gescheitert, wie Lorenz K. nun selbst vor den Geschworenen einräumte: "Die Haft und alles, was danach gekommen ist, hat meine Radikalisierung nur verstärkt."

David Jodlbauer, Lorenz K.'s Rechtsvertreter, räumte ein, sein Mandant sei zum Zeitpunkt seiner ersten Verurteilung "ganz sicher überzeugter Salafist" gewesen, "der an diesen Wahnsinn geglaubt hat". Jetzt sei er "das ganz sicher nicht mehr". Er ersuchte um Verständnis dafür, dass sein Mandant, der im Gefängnis erwachsen geworden sei, die Handys als "Fenster zur Außenwelt" genutzt habe. (APA, red, 26.4.2024)