Polizei-Schäferhund sitzt zwischen den Beinen einer Dienshundeführerin und blickt in die Kamera.
Die Damen und Herren der Polizei-Diensthunde-Einheit werden zu Hilfe gerufen, wenn Einsätze mit Tierbeteiligung anstehen, wie am 30. Dezember in Wien-Meidling.
heribert corn , corn@corn.at

Wien – "Tierquälerei ist ein extremes Delikt!", gibt der Angeklagte D. der Staatsanwältin recht. Nur: Er habe am 30. Dezember keine begangen, stellt der 45-Jährige klar. Er habe seiner vierjährigen Mischlingshündin "nur eine auf den Popsch gegeben", da sie damals auf der Meidlinger Hauptstraße "mich erstmals geschnappt und verletzt hat", erzählt der Unbescholtene dem Richter Mark Tuttinger. Dass ein Anrufer und fünf Polizisten angegeben haben, dass er das Tier geschlagen, getreten und an der Halsleine vom Boden hochgehoben habe, bestreitet er.

Das Angebot einer diversionellen Erledigung schlägt der Bosnier aus. "Ich bin nicht schuldig!", sagt er, auf seine Unschuld beharrend. Er sei damals obdachlos gewesen und habe in einer Sozialeinrichtung genächtigt. Von dort habe er auch einen Herrn gekannt, der ihm im zwölften Wiener Gemeindebezirk angeblich aufdringlich illegale Rauschmittel verkaufen wollte. Er habe mit dem Herrn ein Problem, deshalb müsse dieser aus Rache den Notruf gewählt und der Exekutive berichtet haben, dass er, D., seinen Hund fast totprügle, vermutet der Angeklagte.

Bei dem darauffolgenden Polizeieinsatz habe die Hündin Angst bekommen. "Wenn sich jemand mir nähert, bellt sie ihn an!", berichtet er weiter. "Ich habe schon zwei Mal eine Schule besucht, aber die Trainer haben das auch nicht geschafft", erzählt der Angeklagte von gescheiterten Abrichteversuchen. Als das Tier sich den Maulkorb abgestreift hatte, habe er ihn wieder anlegen wollen, dabei habe die Hündin ihn dann in die Hand gebissen, worauf er ihr einen leichten Schlag gab. Das sei alles gewesen, behauptet der Mann.

"Weil Polizei falsch gehandelt hat"

"Und warum ist Ihnen das Tier dann abgenommen worden?", interessiert Richter Tuttinger. "Weil die Polizei falsch gehandelt hat", ist sich D. sicher. "Ich habe sie später ja auch wieder zurückbekommen!" Der Angeklagte ist sich generell sicher, dass die Beamten ihn zu Unrecht bezichtigen würden. "Die denken sich: 'Der ist obdachlos, dem zeigen wir es!' Die sind überfordert", stellt er der Exekutive kein gutes Zeugnis aus. Die Beamten hätten auch keine Ahnung von Hunden, meint der Angeklagte. "Da waren Beamte von der Diensthundeinheit dabei", widerspricht der Richter.

Einer der ersteinschreitenden Polizisten schildert, dass die Hündin bei ihrem Eintreffen einen verängstigten Eindruck gemacht habe. Sie ließen D. danach gehen, beobachteten ihn aber weiter und sahen aus 30 Meter Entfernung, dass er seine Notdurft mitten auf der Einkaufsstraße verrichtete und das Tier dabei am Halsband so hoch hob, dass es in der Luft baumelte. Auch Schläge und Tritte nahmen sie wahr, weshalb sie die Kollegen der Hundestaffel verständigten.

Deren Mitglieder berichten, dass D. bei ihrer Ankunft merklich alkoholisiert gewesen sei und das Tier massiv angeschrien habe. Er habe auch mehrmals versucht, die Hündin an der Leine zu sich zu reißen, und habe sie zumindest einmal auf den Fang, wie die Schnauze von Hunden in der Fachsprache heißt, geschlagen. Es sei definitiv "kein sachgerechter Umgang" mit dem Mischling gewesen, zeigt sich einer der Beamten überzeugt.

Staatsanwältin ist "entsetzt"

"Eigentlich bin ich entsetzt, dass der Hund dem Angeklagten wieder ausgehändigt wurde!", kritisiert die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer. "Tierquälerei ist kein Kavaliersdelikt, nicht umsonst hat der Gesetzgeber den Strafrahmen auf zwei Jahre erhöht", erklärt sie und fordert eine "empfindliche Strafe". Der ohne Verteidigerin erschienene D. betont in seinem Schlusswort neuerlich seine Unschuld.

Ohne Erfolg: Tuttinger verurteilt ihn zu sechs Monaten bedingter Haft. "Die Polizisten sind äußerst glaubwürdig, alle haben berichtet, dass der Hund eine Angstreaktion vor Ihnen zeigte", lautet die Begründung der richterlichen Entscheidung für den Angeklagten. Der ist ebenso wie die Anklägerin damit einverstanden, da er aber nicht anwaltlich vertreten ist, hat er automatisch drei Tage Bedenkzeit, und das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 23.4.2024)