Eine kleine Parkanlage, einige Sozialwohnungen, ein Kindergarten oder die Herstellung einer Autobahnüberplattung: Soziale und infrastrukturelle Maßnahmen wie diese werden seit vielen Jahren Bauträgern auferlegt, im Gegenzug für eine Umwidmung in Bauland oder für eine höhere Bauklasse ("Aufzonung"). Wien schließt solche städtebaulichen Verträge seit 2015 ab, nachdem ein Jahr zuvor ein neuer Paragraf, 1a, in die Bauordnung geschrieben worden ist. Die anderen Bundesländer haben derartige Regelungen schon viel länger in ihren Raumordnungsgesetzen stehen; Salzburg war 1992 der Vorreiter.

Städtebauliche Verträge als privatrechtliche Verträge zwischen Gemeinden und Bauwerbern sollen verfassungsrechtlich abgesichert werden.
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Kopplungsverbot

Doch es gibt dabei etwas Wichtiges zu beachten. Zum Salzburger Raumordnungsgesetz aus dem Jahr 1992 erging 1999 nämlich ein vielbeachtetes, vielzitiertes und weitreichendes Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), wonach die zwingende Verknüpfung einer hoheitlichen Maßnahme wie eben einer Flächenwidmung mit einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen einer Gebietskörperschaft und einem privaten Rechtsträger unzulässig ist. Mit anderen Worten: Die "Kopplung" einer Widmung an einen städtebaulichen Vertrag ist untersagt.

Dieses sogenannte Kopplungsverbot beziehungsweise das Verbot einer "synallagmatischen Verknüpfung", wie es der VfGH nannte ("Gegenleistungspflicht"), wirkt sich seither beispielsweise so aus, dass Gemeinden Widmungsverfahren und Vertragsverhandlungen tunlichst voneinander trennen (müssen). Im Paragraf 1a der Wiener Bauordnung heißt es: "Insbesondere darf die Festsetzung oder Abänderung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht vom Abschluss einer solchen Vereinbarung abhängig gemacht werden."

Verfassungseingriff geplant

Hier setzt die Regierung nun an. Per Verfassungsänderung soll die sogenannte Vertragsraumordnung in den Ländern verfassungsrechtlich abgesichert werden. Dazu haben die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne einen Antrag im Parlament eingebracht, der dem Verfassungsausschuss zugewiesen wurde und dort am Mittwoch behandelt wird. Er sieht vor, dass dem Artikel 15 Abs. 9 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) der folgende Satz angefügt wird: "In den Angelegenheiten der örtlichen Raumplanung (Art. 118 Abs. 3 Z 9) sind die Länder im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, das Zustandekommen eines zivilrechtlichen Vertrages als eine Voraussetzung für hoheitliches Handeln vorzusehen."

In der Begründung ihres aktuellen Gesetzesvorhabens nehmen ÖVP und Grüne auch explizit Bezug auf den Salzburger Fall von damals. Die verfassungsrechtliche Absicherung der Vertragsraumordnung wird aber beispielsweise auch von Vertreterinnen und Vertretern von Ländern und Gemeinden, zuletzt etwa auch vom Städtebund, seit vielen Jahren gefordert.

"Genau die Bestimmung, die der VfGH aufgehoben hat"

Für den Verfassungsexperten Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck wird damit also "genau die Bestimmung geschaffen, die der Verfassungsgerichtshof vor 25 Jahren in Salzburg aufgehoben hat". Nur diesmal eben direkt in der Bundesverfassung und nicht in einem Landesgesetz.

Bußjäger erwartet, dass nach Inkrafttreten der Verfassungsänderung (wofür es noch die Zustimmung einer Oppositionspartei braucht) alle Länder ihre Raumordnungsgesetze anpassen und in diesen verankern werden, "dass eine Gemeinde eine Änderung des Flächenwidmungsplans vom vorgängigen Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags mit der Gemeinde abhängig machen kann". Raumordnungsfachlich könne das natürlich sinnvoll sein, sagt Bußjäger: "Die Gemeinde vereinbart beispielsweise mit einem Investor, wie viele Wohnungen für soziale Zwecke zur Verfügung gestellt werden, oder vereinbart eine Abtretung von Grundflächen an die Gemeinde zur Verwirklichung öffentlicher Zwecke." Bußjäger ist aber kein Raumordnungsrechtler, sondern Verfassungsrechtler, und als solcher sieht er durchaus Probleme. "De facto würde dann die Gemeinde die Bedingungen diktieren, unter welchen der Grundeigentümer seine Widmung bekommt." Ein Grundeigentümer sei also der Gemeinde mehr oder weniger ausgeliefert. "Er muss alles liefern, was sie will, sonst bekommt er die Umwidmung nicht. Das stand auch im Hintergrund der seinerzeitigen Bedenken des VfGH." Im Ergebnis bleibt für ihn "ein gewisses Rechtsschutzdefizit bestehen". Eines, das allerdings schon auf Basis der bestehenden Rechtslage existiere, wie er einräumt.

Salzburger Regelung war Pflicht

Hintergrund der VfGH-Entscheidung 1999 zu Salzburg war, dass das Land Salzburg seinen Gemeinden mit einer Novelle des Raumordnungsgesetzes 1992 zwingend vorgeschrieben hatte, Raumordnungsverträge abzuschließen. Man wollte so der Baulandhortung entgegenwirken. Gemeinden durften Bauland nur noch für einen voraussichtlichen Zehnjahresbedarf an Wohnraum ausweisen. Gab es in einer Gemeinde mehr Bauland, als zur Deckung des Zehnjahresbedarfs notwendig war, musste das Bauland reduziert werden, dabei waren auch entschädigungslose Rückwidmungen vorgesehen. Und größere unbebaute Flächen durften nur noch dann in Bauland umgewidmet werden, wenn sich die Eigentümer im Gegenzug dazu vertraglich bereiterklärten, die Liegenschaften innerhalb eines bestimmten Zeitraums einer Nutzung zuzuführen.

Der Verfassungsgerichtshof war 1999 der Ansicht, dass die damalige Salzburger Regelung den Abschluss von Verträgen als zwingende Voraussetzung für eine Widmung vorsah. Deshalb erkannte er die damalige landesgesetzliche Bestimmung in Salzburg für verfassungswidrig. (Martin Putschögl, 23.4.2024)