"Section 702" des Foreign Intelligence Surveillance Act (Fisa) gehört zu den umstrittensten Teilen der US-amerikanischen Gesetzgebung. Sichert sich der Staat damit doch nicht nur weitreichende Überwachungsbefugnisse für die eigenen Geheimdienste, er verpflichtet auch Unternehmen zu kooperieren. Nun wird Fisa nicht nur routinemäßig verlängert, es gibt sogar noch eine deutliche Verschärfung.

Der US-Kongress.
Hinter diesen Mauern wurde die Verschärfung der Überwachung durch NSA und Co beschlossen.
AFP/DREW ANGERER

Klare Entscheidung

Nach dem Repräsentantenhaus hat in der Nacht auf Samstag auch der Senat, und damit die zweite Kammer des US-Kongresses, mit großer Mehrheit für den Reforming Intelligence and Securing America Act (RISAA) gestimmt. 60 Abgeordnete waren für die darin enthaltene Verlängerung von Fisa um zwei weitere Jahre, lediglich 34 haben dagegen gestimmt. Kurz danach hat auch US-Präsident Joe Biden das Gesetz unterschrieben, womit es fix beschlossen ist.

Die umstrittene "Section 702" wurde 2008 erstmals eingeführt. Sie gibt US-Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden wie NSA und FBI weitreichende Befugnisse zur Überwachung der Kommunikation von ausländischen Personen. Damit einher geht die Verpflichtung für Unternehmen, diese Daten auf Aufforderung herauszugeben – und zwar auch ohne richterliche Anordnung.

Bisher war die Liste der unter Fisa fallenden Unternehmen auf "Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste" noch relativ eng gefasst. Mit der aktuellen Überarbeitung wird nun dieser Begriff schlicht neu definiert, wodurch künftig deutlich mehr Unternehmen von Fisa-Anordnungen betroffen sein dürften. So könnten sich die Behörden künftig auch von Cloud-Anbietern oder Serverbetreibern auf diesem Weg Informationen holen. Selbst kleinere Anbieter von Routern oder Funkanlagen könnten betroffen sein.

Scharfe Kritik

Deutliche Worte fand NSA-Whistleblower Edward Snowden zu den Plänen. Die NSA übernehme damit das Internet. Dass im Vorfeld manche von einem "Stasi-Paragrafen" sprachen, hat wieder mit der Formulierung des Gesetzes zu tun. Diese sei so breit gewählt, dass auch kleine Firmen oder einzelne Personen dazu gezwungen werden könnten, US-Geheimdiensten bei ihrer Spionage zu helfen, also etwa die Servicemitarbeiter eines Laptopherstellers zur Installation von Spyware gezwungen werden könnten. Das alles unter absoluter Verschwiegenheitspflicht, also ohne irgendjemandem davon erzählen zu dürfen.

Schon bisher kommt Fisa jedes Jahr millionenfach zum Einsatz. So berief sich allein das FBI im Jahr 2021 rund 3,4 Millionen Mal auf die "Section 702", um Zugriff auf die Kommunikation von Zielpersonen zu erhalten.

Zumindest eine kleine positive Änderung gibt es an der Neufassung von Fisa aber: Die Zahl der Zugriffsberechtigten wird von bisher 10.000 auf 550 Personen reduziert. Zudem sollen künftig sämtliche Anfragen nachträglich geprüft werden, auch verschärfte Sanktionen im Fall eines Missbrauchs sieht das Gesetz nun vor. Ob diese Detailanpassungen in der Praxis etwas ändern werden, gilt es abzuwarten.

Keine klare Trennung möglich

Fisa steht seit Jahren auch in den USA selbst in der Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtsorganisationen. So hält die Beschränkung auf US-Bürgerinnen und -Bürger in der Praxis nicht. Wenn sie etwa mit jemandem aus einem anderen Land kommunizieren, werden auch dessen Daten erfasst.

Zudem sind unzählige Überschreitungen der Befugnisse sowie "Fehler" belegt, bei denen auch Daten von US-Bürgerinnen und -Bürgern gesammelt wurden. So wurden darüber beispielsweise auch Informationen zu Spendern von politischen Kampagnen oder den Teilnehmern von Demonstrationen gesammelt, kritisiert der demokratische Senator Ron Wyden, der sich gegen die Neufassung und Verlängerung von Fisa ausgesprochen hatte.

Wyden will sich übrigens trotz der Niederlage im US-Senat weiterhin für eine echte Reform des US-Überwachungsprogramms starkmachen, wie er betont. Gleichzeitig ist ihm aber auch klar, dass das ein sehr schwieriges Unterfangen wird: "Diejenigen von uns, die glauben, dass sich Freiheit und Sicherheit nicht ausschließen, haben viel zu tun", betont er. (apo, 22.4.2024)