Dirigent Ivor Bolton begibt sich mit dem Sinfonieorchester Basel auf Beethovens Spuren ...
Dirigent Ivor Bolton begibt sich mit dem Sinfonieorchester Basel auf Beethovens Spuren ...
Ben Wright Photography

Er ist einer der Titanen der Klassik. Im Wiener Konzerthaus wacht Ludwig van Beethoven nicht nur im großen Foyer überlebensgroß und grimmig über Mäntel, Schirme und Hüte des Publikums, er zählt auch seit der Gründung des Hauses zu den meistgespielten Komponisten in dieser Institution. Am 7. Mai jährt sich die Uraufführung seiner neunten Symphonie zum 200. Mal – das wird im Konzerthaus natürlich punktgenau gefeiert, mit einer Aufführung seines ikonischen Werks durch die Wiener Symphoniker und Joana Mallwitz.

Für einen anderen Titan hat Beethoven schon früh große Sympathien gehegt: für Prometheus. Dieser Spross eines Göttergeschlechts der griechischen Mythologie hatte sich mit der Überlassung des Feuers an die Menschheit (trotz eines Verbots von Göttervater Zeus) als prominenter Promotor dieser geplagten, aber voranstrebenden Spezies positioniert – und war dadurch in nachfolgenden Zeiten zum Prototyp eines Revolutionärs gegen absolutistische Systeme erklärt worden.

Wir hier oben, ihr da unten: Das sollte es auch nach Beethovens Anschauung in einer doch freudvollen, brüderlichen Zukunft nicht mehr geben.

Sehr heroisch

Unter der Leitung von Ivor Bolton erinnert das Sinfonieorchester Basel mit Beethovens Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus an die frühe revolutionäre Stoßrichtung seiner Kunst. 1801 wurde das Werk im Wiener Hofburgtheater erstmals gegeben, die Uraufführung von Beethovens erster Symphonie war da gerade einmal ein Jahr her. Das heroisch-allegorische Ballett hat aber zu einer anderen Symphonie des Klassiktitanen eine enge Verbindung: zur Eroica. Das Finale des Balletts ist mit dem Kontretanz im Finale seiner bahnbrechenden heroischen Symphonie quasi ident.

... zu den
... zu den "Geschöpfen des Prometheus" wird Tobias Moretti Texte vortragen ...
Christian Hartmann

Den Publikumserfolg begleiteten seinerzeit aber auch kritische Stimmen. So wurde Beethovens erste Arbeit für das Theater als "noch etwas zu gekünstelt" empfunden und das Bühnenbild bekrittelt. Dem Auftritt der Primaballerina Maria Cassentini wurde "auffallende Gleichgültigkeit" attestiert; ihren Partner Salvatore Viganò, der auch für Libretto und Choreografie verantwortlich zeichnete, befand man als "zu klein und zu wenig schlank".

Das Originallibretto des Werks ist verschollen; man weiß aus Berichten von Zeitgenossen, dass es den Werdegang zweier Kinder des Prometheus schildert, die vom Vater zu Apollo und den Musen geschickt werden, um Vernunft und einen Sinn für Schönheit zu entwickeln. Im Auftrag des Sinfonieorchesters Basel hat Alain Claude Sulzer einen neuen Text verfasst.

Vorher Mozart

Von "Eintagsmenschen" soll hier die Rede sein, von der Domestizierung eines Wolfes und der Erfindung der Musik. Tobias Moretti wird die verbindenden Texte des Schweizers zwischen einer Auswahl der Einzelsätze vortragen.

... zuvor spielt Pianist Till Fellner Mozart.
... zuvor spielt Pianist Till Fellner Mozart.
Gabriela Brandenstein

Könnte man Beethovens Ballettmusik mit ihrem galanten Charakter, ihrer Festlichkeit und ihrer leicht bekömmlichen Empfindsamkeit fast als mozartisch bezeichnen, so bekommt man von Mozarts Klavierkonzert in d-Moll, das Till Fellner in der ersten Programmhälfte interpretieren wird, einen Einblick in die düsteren Seelenweltregionen des Komponisten, wie ihn dieser nur selten gewährt.

Der 52-jährige Wiener, mit der Schweiz seit langen Jahren durch eine Professur in Zürich verbunden, wird das 1785 uraufgeführte Werk wohl mit der ihm eigenen Sorgfalt interpretieren und die Schatten, die etwa zu Beginn des Konzerts auf dem Geschehen lasten, in den allerfeinsten Grautönen zu schildern wissen. (Stefan Ender, 19.4.2024)

Die gehaltvolle Botschaft hoher Töne mit Tenor Piotr Beczała

Tenor Piotr Beczała könnte sich damit begnügen, nur in Opernhäusern große Ariengefühle zu zelebrieren. Es gab und gibt Auftritte an der Mailänder Scala, am Brüsseler Théâtre de la Monnaie, an der Deutschen Oper Berlin und der Met. Er war Duca in Verdis Rigoletto und auch Lenski in Tschaikowskys Eugen Onegin. Wer ihn an der Wiener Staatsoper etwa als Cavaradossi in Puccinis Tosca gehört hat, erlebte einen Mix aus strahlendem Timbre und Intensität. Nahezu konkurrenzlos.

Als anspruchsvoller Künstler will er aber auch die kleinere Form nutzen. Zusammen mit Pianist Helmut Deutsch wird der polnische Sänger Lieder von Edvard Grieg, Robert Schumann, Peter Iljitsch Tschaikowsky, Sergej Rachmaninoff und Ludwig van Beethoven präsentieren. Der Star taucht hier in tendenziell romantischen Kosmos ein, um Nuancen auszuloten und intime Empfindungen zu transportieren, die in den Miniaturen schlummern.

Bei seinem Lied-Rezital mit Helmut Deutsch wird Piotr Beczała Miniaturen von Tschaikowsky, Schumann und Grieg interpretieren.
Bei seinem Lied-Rezital mit Helmut Deutsch wird Piotr Beczała Miniaturen von Tschaikowsky, Schumann und Grieg interpretieren.
Konzerthaus

Piotr Beczała (Jahrgang 1966), der einst im STANDARD-Interview meinte, er habe tatsächlich eine Art schwarze Liste von Regisseuren, mit denen er nicht arbeiten möchte, ist dabei ein inhaltlich durchaus eigenwilliger Sänger. In Salzburg sah und hörte man ihn zwar an der Seite von Anna Netrebko bei La Bohème in der durchaus ungewöhnlichen Regie von Damiano Michieletto. Alles habe jedoch Grenzen. Er wolle nicht "in einer schäbigen Hose einen König spielen, wenn es nichts mit dem zu tun hat, was der Komponist geschrieben hat. Dafür ist mir meine Zeit zu schade", formuliert er deutlich. Aber bitte nicht missverstehen. Ein Oberflächentenor ist Beczała nicht. Im Gegenteil. Er vertieft sich gerne in die Materie, liest literarische Vorlagen von Opern, um die Charaktere zu verstehen.

Partituren sind ihm "Weiterentwicklungen der Vorlage, und die Differenz von Libretto und Original kann gewaltig sein. Wenn man die nicht kennt, hat man ein Problem." Logischerweise schätzt er es nicht, wenn die Kollegenschaft beim Singen das Gefühl vermittelt, den Text nicht verstanden zu haben, und "wenn es klingt, als würde aus einer Speisekarte vorgetragen".

Also, den Tenor nicht auf Spitzentöne reduzieren. Es geht ihm um Inhalte, das wird im Konzerthaus wohl wichtig sein. Natürlich: Ihn zu hören, wie er einer Arie die volle Pracht seiner Stimme schenkt, hat jenes besondere Etwas, das die Hörenden Inhalte auch schon mal vergessen lässt ... (Ljubiša Tošić, 19.4.2024)