Ein Puls-24-Reporter, Anton Polster und Manfred Ainedter stehen auf dem Gang des Justizpalastes vor dem Verhandlungssaal.
Anton "Toni" Polster und Anwalt Manfred Ainedter sind vor der vorbereitenden Tagsatzung zuversichtlich, vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen erfolgreich zu sein.
DER STANDARD / moe

Wien – Anton "Toni" Polster sitzt mit vorgeschobener Unterlippe zwischen seinen Rechtsanwälten Manfred Ainedter und Alexander Hiersche und wendet den Kopf je nach Wortmeldung zwischen den beiden hin und her. Es ist davon auszugehen, dass dem 60-Jährigen als Nichtjuristen nicht immer ganz klar ist, was gerade gesprochen wird, ist das Justizdeutsch doch ziemliches Kauderwelsch.

Klar ist ihm aber, warum er hier im Saal 12 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien ist und warum er den Österreichischen Fußballbund (ÖFB) geklagt hat. Der Toptorjäger der heimischen Fußball-Nationalmannschaft der Männer will seiner Torbilanz aus Länderspielen drei weitere Stück in drei weiteren Spielen hinzufügen. Der von Stefan Korn vertretene ÖFB verweigert dies mit der Begründung, es habe sich um "inoffizielle Länderspiele" gehandelt.

Das erste strittige Match fand am 7. Juni 1984 in Vaduz statt, Österreich gewann 6:0, Polster traf in Minute 36. Am 7. Februar 1987 steuerte der Stürmer in Tunis gleich zwei Tore zum 3:1-Sieg über Tunesien bei, ziemlich genau ein Jahr später blieb er in Toulouse gegen Marokko ohne erfolgreichen Abschluss. Würden alle drei Treffer offiziell werden, käme der Kläger in der "Ewige Torschützen"-Liste des ÖFB auf 47 statt 44 Tore.

Unverständnis seit Jahrzehnten

"Ich will das, was ich geleistet habe. Ich will nichts geschenkt", erklärt der mittlerweile als Trainer der Wiener Viktoria tätige Polster vor und nach der Verhandlung den zahlreichen Journalistinnen und Journalisten. Seit "Jahrzehnten" ärgere es ihn, dass diese drei Spiele und Tore in keiner Liste aufscheinen. Die Argumentation des ÖFB: Es habe Vereinbarungen mit den anderen Verbänden gegeben, die Partien als "inoffiziell" zu werten, das könne nachträglich nur der Weltfußballverband FIFA ändern.

Nun muss also ein Richter, der weder abgelichtet noch genannt werden will, aber offenbar den gleichen Friseur wie die italienische Schiedsrichterlegende Pierluigi Collina hat, entscheiden. Um das zu können, bittet er am Freitag die beiden Streitparteien zur vorbereitenden Tagsatzung. "Da es das Gesetz so vorsieht: Gibt es die Chance auf einen Vergleich? Man kann ja auch einmal out of the box denken!", regt er an. "War das ein Wortspiel?", fragt Anwalt Hiersche, der Richter lächelt – ist "box" doch die britische Bezeichnung für den Strafraum. "Bisher haben wir nichts gehört!", berichtet Rechtsvertreter Ainedter. "Wir wollen drei Spiele, drei Tore, wenn die Gegenseite sagt: 'Nix'...", beginnt er, bricht den Satz aber ab, als ÖFB-Vertreter Korn den Kopf schüttelt.

Richter rügt Anwalt

Ainedter zieht sich den Unmut des Richters zu, als er ein vierseitiges Schriftstück samt angeblich neuen Beweisen, darunter einen im STANDARD erschienen Artikel, vorlegt. "Herr Doktor Ainedter, das hätte man ein bissi früher auch schon machen können", rügt der Richter. "Wir haben ja den vorbereitenden Schriftsatz auch erst letzte Woche bekommen!", verteidigt der Angesprochene sich.

Polsters Anwaltsduo wirft dem ÖFB vor, eine Mailkorrespondenz mit der FIFA nicht vollständig vorgelegt zu haben, dass der Verband von Liechtenstein das Spiel im Jahr 1984 zunächst durchaus als "offizielles" geführt habe und dass es im Februar 1988 gleich zwei Freundschaftsspiele innerhalb von drei Tagen gegeben habe: Jenes gegen Marokko sei als "inoffiziell" gewertet, das gegen die Schweiz dagegen als "offiziell". Wie dieser Unterschied zustande kommt, bleibt offen.

Wie sich herausstellt, wird das Verfahren viel Paragrafenlektüre benötigen. Schließlich müssen die 40 Jahre alten FIFA-Regularien durchforstet werden, in Österreich gibt es auf diesem Gebiet nur zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, die aber Eishockey und Radfahren betreffen. Wirklich einig sind sich die beiden Seiten nur in einem Punkt: Die drei Spiele haben tatsächlich stattgefunden. Unter welchen Umständen, sollen am 17. Mai die nominierten Zeugen, darunter Ex-ÖFB-Mann Heinz Palme, die Kicker Andreas Ogris und Ernst Baumeister und der aktuelle ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer, erklären. (Michael Möseneder, 19.4.2024)