Der Mann mit dem Hammer ist ein finsterer Geselle, der beim Marathon oft rund um Kilometer 35 lauert und den Läuferinnen und Läufern plötzlich eins überzieht. Das ist rein metaphorisch gesprochen. In Wahrheit steht an der Laufstrecke natürlich kein wild mit Werkzeug schwingender Mensch. Als Mann mit dem Hammer bezeichnet man im Ausdauersport nämlich jenen mitunter sehr plötzlichen Leistungseinbruch, der auftritt, wenn die Speicher leer sind und der Körper müde ist.

Nichts geht mehr – so als wäre einem eins mit dem Hammer übergezogen worden.
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Warum für diesen Zustand genau ein Mann mit Hammer verantwortlich gemacht wird, ist nicht ganz klar. Der Philosoph Paul Watzlawick hat schon in den 1980er-Jahren in seiner "Anleitung zum Unglücklichsein" über einen solchen geschrieben. Unglücklich kann man zwar bei Kilometer 35 auch sein, doch bei Watzlawick ging es nicht um Ausdauersport, sondern vielmehr um die eingebildete Kränkung eines Nachbarn. In anderen Sprachen gibt es den grimmigen Herrn mit dem Hammer jedenfalls nicht. Im Englischen und Französischen rennt man, wenn die Speicher leer sind, metaphorisch gegen die Wand.

Es wird anstrengend

Bis es so weit ist, greift der Körper auf Kohlenhydrate und Fettdepots zu. Aber irgendwann sind die Speicher leer, und es bleibt nur noch das Fett als Energiequelle übrig. Das macht das Weiterlaufen anstrengender, weil der Organismus dafür mehr Sauerstoff benötigt. Einfach erklärt: Die Bank erhöht auf einen Schlag die Zinsen drastisch – und bringt damit nicht nur Hobbyläufer, sondern immer wieder auch Profis ins Straucheln.

Der Mann mit dem Hammer lässt sich allerdings austricksen. Ob und wann man mit ihm Bekanntschaft macht, hängt auch davon ab, wie gut der Körper auf die Belastung vorbereitet ist. Darum braucht es im Training langsame, lange Läufe. Am großen Tag ist auch das Tempo entscheidend. Wer sich mitreißen lässt und zu schnell loslegt, wird der furchteinflößenden Figur früher begegnen.

Auch wie gut die körpereigenen Speicher gefüllt sind, hat man selbst in der Hand: Nicht umsonst treffen Läuferinnen und Läufer sich am Vortag zu Pastapartys und greifen entlang der Strecke zu zuckrigen Getränken und Bananen.

Die meisten schaffen es am Ende trotz der schicksalhaften Begegnung die letzten sieben Kilometer ins Ziel. Und haben dort allen Grund, stolz zu sein – auch wenn ihnen die angepeilte Bestzeit vielleicht zertrümmert wurde. Wenn auch nur mit dem imaginären Hammer. (Franziska Zoidl, 19.4.2024)