Bei Jägertee gegenüber der Wiener Staatsoper wird schon seit über 160 Jahren Tee aus aller Welt verkauft. Das macht den kleinen Laden zum ältesten Teegeschäft Wiens. So lange ist Lucia Kolesarova natürlich noch nicht dabei. Seit zwei Jahren berät sie Kundinnen und Kundinnen in Sachen Darjeeling bis Matcha im ersten Wiener Bezirk. In Kanada hat sich die Chai-Liebhaberin 2019 zur Tee-Sommelière ausbilden lassen.

Earl Grey, Oolong, Grüntee: Als Tee-Sommelière berät Lucia Kolesarova ihre Kundschaft auf dem Weg zur Lieblingssorte.
Nina Schrott

STANDARD: Woran erkennt man einen Tee von hoher Qualität?

Kolesarova: In erster Linie am Geschmack. Ein hochwertiger Tee schmeckt komplex und hat viele Nuancen, die man herausschmecken kann. Außerdem sind die Blätter noch als solche erkennbar, er ist also gröber. Es kommt auch ein wenig darauf an, woher der Tee stammt. Japanische und nepalesische Produkte haben meist eine gute Qualität, auf die man vertrauen kann. Eine Bio-Zertifizierung ist darüber hinaus ebenfalls eine Orientierungshilfe.

STANDARD: Wie erkennt man im Gegenteil, dass ein Tee weniger hochwertig ist?

Kolesarova: Wenn Komponenten dabei sind, die eigentlich nicht in den Tee gehören, zum Beispiel wenn er ranzig schmeckt.

STANDARD: Früchtetees kratzen manchmal im Hals oder schmecken sauer. Woran liegt das?

Kolesarova: Ich möchte noch kurz klarstellen, dass reine Früchte- oder Kräutermischungen streng genommen keine Tees, sondern Aufgüsse oder Infusions sind. Sie enthalten nämlich keine Blätter der Teepflanze Camellia sinensis, was sie erst zum Tee machen würde. Der saure Geschmack entsteht durch Hibiskus, der oft sehr großzügig eingesetzt wird. Vor allem wenn man das Getränk lange ziehen lässt, entsteht viel Säure, die viele als kratzend oder brennend wahrnehmen.

STANDARD: Es gibt lose Tees und solche in Beuteln. Welche Option empfehlen Sie?

Kolesarova: Grundsätzlich ist gegen Beutel nichts einzuwenden. Gerade bei den industriell produzierten Beuteltees aus dem Supermarkt werden die Teeblätter aber stark zerkleinert, fast schon zermanscht, weil sie darauf ausgelegt sind, den Geschmack schnell abzugeben und das Wasser schnell zu färben. Der Geschmack von diesen Tees ist oft flach und nicht so facettenreich. Lose Tees mit ganzen Blättern sind klar hochwertiger und schmecken feiner. Wenn man einen solchen Tee in Beutel abfüllt, passt das einwandfrei.

STANDARD: Sind selbstbefüllbare Beutel also die beste Art, losen Tee zuzubereiten?

Kolesarova: Es funktioniert auf jeden Fall gut. Aber auch Teeeier oder feine Siebe, die man in Kannen oder Tassen einsetzen kann, sind geeignet. Das Wichtigste ist, dass die Behältnisse groß genug sind, damit sich die Teeblätter entfalten können. Wenn man den Tee schon vor dem Aufgießen hineinstopfen muss, bekommt man kein ideales Ergebnis.

STANDARD: Wie wichtig ist es denn, dass man sich an die angegebene Ziehzeit hält?

Kolesarova: Wenn man den Tee so haben möchte, wie ihn der Hersteller vorgesehen hat, ist es schon wichtig. Wir hier im Geschäft testen aus, bei welcher Ziehzeit sich der Tee am besten entfalten konnte, und geben das an. Wenn ich den Tee zu lange ziehen lasse, quellen die Blätter immer mehr auf, wodurch sich auch Bitterstoffe lösen. Wenn ich die nicht haben möchte, sollte ich den Ziehprozess früher beenden. Aber das ist Geschmacksache, es kann ja auch sein, dass mir gerade das schmeckt.

STANDARD: Gibt es eine Faustregel, wie viel trockenen Tee ich für eine Tasse brauche?

Kolesarova: Ja, die gibt es. Wenn man von einer durchschnittlichen Tasse mit gut 200 Millilitern ausgeht, braucht man zirka einen Teelöffel. Das entspricht zwei bis drei Gramm.

STANDARD: Die meisten Menschen machen Tee vermutlich so, dass sie warten, bis der Wasserkocher sprudelt und dann mit kochendem Wasser aufgießen. Ist das richtig?

Kolesarova: Hängt von der Sorte ab. Bei einem Schwarztee ist das perfekt, ein Grüntee mag es kühler, eher 70 bis 80 Grad. Praktisch heißt das: den Wasserkocher nach dem Kochen noch zehn Minuten stehen lassen, dann aufgießen. Physikalisch gesehen könnte man aber sagen, man hat die Faktoren Zeit und Temperatur, die sich gegenseitig beeinflussen. Wenn ich heißer aufgieße, muss ich eben die Ziehzeit reduzieren, und umgekehrt.

STANDARD: Kann man Tee also auch kalt aufgießen?

Kolesarova: Ja, absolut. Beim Cold Brew, wie wir das nennen, dehnt sich die Ziehzeit dann aber schon auf Stunden aus, weil die Aromastoffe mit kaltem Wasser viel langsamer gelöst werden. Gerade im Sommer ist so ein kalter Tee aber eine feine Sache.

STANDARD: Welchen Sorte empfehlen Sie jemandem, der von Kaffee loskommen und auf Tee umsteigen möchte?

Kolesarova: Wenn man einen ähnlich intensiven Geschmack wie beim Kaffee will, wäre ein Schwarztee passend. Sollte es aber um den Koffeingehalt gehen, wäre ein vollbeschatteter Grüntee die beste Option.

STANDARD: Was heißt "vollbeschattet"?

Kolesarova: Das ist eine Methode, bei der die Teepflanze drei Wochen vor der Ernte abgedeckt und von der Sonne abgeschirmt wird. Das verlangsamt das Wachstum und konzentriert Aroma und Koffein in den Blättern. Außerdem hemmt es die Bildung von Bitterstoffen und hilft beim Ausbilden einer Umami-Note, was gerade in Japan sehr beliebt ist.

Beschatteter Grüntee wird in der letzten Wachstumsphase wortwörtlich in den Schatten gestellt, um Aroma und Koffein zu boosten.

STANDARD: Könnte Tee auch in Österreich angebaut werden?

Kolesarova: Nein. Oder sagen wir: noch nicht. Wie wir wissen, wird es wärmer, momentan gibt es hierzulande aber noch Frostphasen, die der Teepflanze zu heftig sind. In Schottland beispielsweise wird aber mittlerweile Tee angepflanzt, was früher nicht denkbar war.

STANDARD: Aromatisierte Tees haben oft außergewöhnliche Geschmackssorten wie Apfelstrudel, Lebkuchen oder Wintertraum. Kann man das natürlich herstellen, oder braucht es dafür künstliches Aroma?

Kolesarova: Im Idealfall wird es natürlich hergestellt, was gut funktioniert. Als Basis für solche Tees kann man beispielsweise eine Schwarz- oder Grünteemischung nehmen. Als Geschmacksträger stehen Früchte, Gewürze, Blüten oder Nüsse zur Verfügung. Bei künstlich aromatisierten Tees wird oft mit Ölen gearbeitet, die schnell verfliegen. Oft riecht der Tee aufregend, schmeckt aber enttäuschend. Bei natürlicher Aromatisierung sind Geruch und Geschmack stimmig.

STANDARD: Wie bewahrt man Tee am besten auf?

Kolesarova: In einer Dose, idealerweise mit einem doppelten Aromaschutzdeckel. Außerdem sollte keine Wärmequelle in der Nähe sein. Auch das Gewürzregal ist kein optimaler Ort, weil die fremden Aromen den Tee verfälschen können.

STANDARD: Kann Tee ablaufen?

Kolesarova: Eigentlich nicht. Je älter ein Tee wird, desto mehr verliert er von seinem ursprünglichen Aroma. Außerdem oxidiert er immer in bisschen nach, was man sich wie bei einem Apfelstück vorstellen kann, das an der Luft liegt und braun wird. Beim Tee macht das im Grunde nichts, es verändert nur den Geschmack. Deswegen ist er aber noch lange nicht schlecht. (Nina Schrott, 23.4.2024)