Viele Menschen, vor allem ältere, leiden unter Schmerzen. Und das, obwohl das nicht notwendig ist, Medikamente sind vorhanden. In jedem zweiten Pflege- und Altenheim gebe es keine entsprechenden Behandlungspläne, ergibt ein Bericht der Volksanwaltschaft. Doch warum ist das so? Dazu war Wilhelm Eisner von der österreichischen Schmerzgesellschaft bei Marie-Claire Zimmermann in der "ZiB 2" zu Gast.

Er kritisiert, dass Schmerzmedizin und Schmerzversorgung im Studium nur beiläufig vorkämen. Die Situation sei "ganz schlimm", auch weil der Pflegeschlüssel so schlecht sei. "Menschen, die die Republik zu dem gemacht haben, was sie heute ist, müssen jetzt an ihrem Lebensende Schmerzen leiden." Er sieht mangelnde Schmerzbehandlung als Strukturproblem. Die notwendigen Medikamente seien nicht zu teuer, sie stünden auch zur Verfügung, "sie müssten halt rezeptiert werden".

Schmerzmediziner Wilhelm Eisner war Donnerstagabend bei Marie-Claire Zimmerman in der
Schmerzmediziner Wilhelm Eisner war Donnerstagabend bei Marie-Claire Zimmerman in der "ZiB 2" zu Gast.
Screenshot: ORF-TVThek

"Wollen keine Junkies produzieren"

Die Volksanwaltschaft will, dass etwa in Pflegeheimen Suchtmittel-Notfalldepots eingerichtet werden und das Personal auch ohne Arzt darauf zugreifen kann. Das sei nach telefonischer Rücksprache mit einem Arzt "vernünftig, das ist sicher und einfach möglich", so der Experte. Dass starke Schmerzmittel – allen voran Fentanyl – vor allem in den USA wegen Missbrauchs verpönt sind, schade der Schmerzmedizin sehr. Bei uns sei "die Situation kontrolliert und viel stärker reglementiert als in den USA", sagt Eisner, "wenn der Patient das Medikament braucht, soll er es auch bekommen. Wir wollen keine Junkies produzieren."

Der Schmerzmediziner sieht auch eine "furchtbare Situation" darin, dass man für die Entwicklung der Medikamente vor allem auf mittelalte Männer gesetzte habe, "dass Frauen durch das hormonelle und biologische System ganz anders reagieren, wurde komplett negiert". Frauen würden Schmerzen stärker wahrnehmen, aber auch viel besser verarbeiten und besser wegstecken als Männer. Bei Schmerzen würden sie sich aber auch viel später melden als Männer. "Das Augenmerk muss auf beide Geschlechter gelegt werden und auf Alte und Kinder", so Eisner.

ZIB 2: Mangelnde Schmerzbehandlung als Strukturproblem
Präsident der österreichischen Schmerzgesellschaft Wilhelm Eisner erklärt, warum viele Menschen gute Schmerzbehandlungen nicht bekommen, obwohl dies möglich wäre.
ORF

Dass ein Patient am Ende des Lebens Schmerz aushalten muss, "ist traurig und auch gemein". Wenn jemand todkrank sei und jemand sage, der könnte ja abhängig werden, dann "ist das eine Unverschämtheit". Der Schmerz "muss erkannt werden, der Schmerz muss kommuniziert werden, und die Ärzte müssen reagieren, sodass die Pflege ebenfalls reagieren kann". (Astrid Ebenführer, 19.4.2024)