Figuren von spielenden Kindern vor einem Snapchat-Logo.
Die sogenannten sozialen Netzwerke wie Snapchat sind auch bei Kindern und Jugendlichen populär, was sie für Täter mit pädosexuellen Neigungen attraktiv macht.
REUTERS

Wien – Die Covid-19-Pandemie sei schuld, dass er im Herbst 2022 eine Zehn- und eine 13-Jährige via Internet dazu brachte, ihm Nacktbilder und -videos von sich zu schicken, versucht der 25 Jahre alte Herr S. dem Schöffensenat unter Vorsitz von Philipp Krasa zu erklären. Seine Beziehung sei 2019 in die Brüche gegangen, in den Lockdowns habe er andere Menschen nur auf Plattformen wie Instagram und Snapchat kennengelernt. Er habe damals mit vielen Frauen gechattet, die ihm auch freizügige Aufnahmen schickten, sagt der dreifach vorbestrafte Arbeiter. "Ich bin nicht pädophil!", stellt er kategorisch klar.

Staatsanwältin Anja Oberkofler sieht das anders. Sie wirft dem Österreicher mehrere Delikte vor, das gravierendste ist die geschlechtliche Nötigung, sechs Monate bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen dafür. Aufgrund des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann, der bei S. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine pädosexuelle Neigung und andauernde Gefährlichkeit sieht, hat die Anklägerin auch eine strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt.

Der Verteidiger sieht dafür keine Notwendigkeit: Seit der Entlassung aus der Untersuchungshaft Ende Jänner sei sein Mandant in engmaschiger Betreuung, absolviere diverse Therapien und halte sich vom Internet fern, argumentiert der Rechtsvertreter.

"Hat sich halt so ergeben"

Recht weit scheint die Aufarbeitung des Delikts bisher nicht gekommen zu sein, wie sich aus einzelnen Sätzen des Angeklagten heraushören lässt. "Dann hat sich das halt so ergeben mit den Nacktbildern", sagt er beispielsweise. Oder: "Ich hatte bei der Kontaktaufnahme keine sexuellen Hintergedanken." Oder: "Da ging es nicht um Macht, sie ist ja dann darauf eingegangen." Und überhaupt: "Ich habe da nicht wirklich nachgedacht." Nur einmal ist S. selbstkritisch: "Damals hatte ich anscheinend keine Grenzen. Mir graust vor mir selber", sagt er über die sechs Wochen im September und Oktober 2022.

Die Chatnachrichten liefern dafür eine gute Begründung. "Video ohne verschwommen ganz körper du ziehst Hose runter Unterhose runter bückst dich drehst dich uhm so das ich Gesicht und muschi sehe dann ziehst du. Hose wieder hoch und dann is Video feetig", forderte der Angeklagte von der Zehnjährigen. Als die ihm schrieb: "Ich habe keinen Bock mehr, dir meinen Arsch zu zeigen", lautete seine Antwort: "Du Hure." Die ruhig und emotionslos verhandelnde Staatsanwältin Oberkofler konfrontiert S. mit einem weiteren Kurzdialog, diesmal mit der 13-Jährigen: "Warum zwingst du mich?", fragt das Mädchen. "Weil du meins bist", erwidert der Angeklagte, der sich als 17- beziehungsweise 18-Jähriger ausgab.

Drohung mit Veröffentlichung

Mit der Drohung, die Aufnahmen zu verbreiten oder bei den beiden deutschen Opfern vorbeizukommen, forderte er ständig neues kinderpornografisches Material und nötigte die 13-Jährige auch zu Videotelefonaten, bei denen er vor ihr onanierte. Erst nachdem sich die Zehnjährige ihren Eltern anvertraut hatte, wurde in Deutschland Anzeige erstattet.

Das nicht rechtskräftige Urteil: zwei Jahre und neun Monate Haft plus die strafrechtliche Unterbringung. "Weniger als die Hälfte des Strafrahmens ist uns unmöglich", begründet der Vorsitzende, da S. beim Cybergrooming "besonders manipulativ" vorgegangen sei. "Dieses Urteil wird heute noch im Internet veröffentlicht, und das ist gut so!", prophezeit Krasa noch völlig korrekt und betont den generalpräventiven Aspekt. (Michael Möseneder, 18.4.2024)