Fa (Proschat Madani) und Marie Theres (Caroline Peters) begegnen sich in der Lesbenbar bei Bigi immer wieder.
Fa (Proschat Madani) und Marie Theres (Caroline Peters) begegnen sich in der Lesbenbar bei Bigi immer wieder.
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"What a Feeling", schallt es aus den Lautsprechern, und die betrunkene, frisch verlassene Ärztin Marie Theres (Caroline Peters) kann nicht anders: Sie stürzt auf die Tanzfläche und irgendwie auch in die Arme von Fa (Proschat Madani). Was so selbstverständlich klingt, ist es nicht. Denn Kat Rohrers Komödie ist der erste österreichische Publikumsfilm, in dem zwei sich liebende Frauen im Zentrum stehen. Im Jahr 2024?

STANDARD: Sie wollten mit What a Feeling unbedingt eine queere Feelgood-Komödie machen. Woher kam dieser Wunsch?

Rohrer: Ich wollte endlich mal einen Film mit zwei Frauen sehen, der nicht schlecht ausgeht. Die meisten gehen schlecht aus. Entweder eine stirbt, oder sie entscheidet sich für die heterosexuelle Beziehung … Es hat immer eine Schwere. Ich wollte eine Komödie machen, nach der man beschwingt aus dem Kino hinausgeht.

STANDARD: Gibt’s zu dem Titelsong What a Feeling auch eine Geschichte?

Rohrer: Die Frage war: Welches Lied würde eine verklemmte Mittfünfzigerin, die ein paar zu viele Drinks intus hat, auf die Tanzfläche katapultieren? It’s Raining Men war keine Option, I Will Survive war auch nicht passend. Da hat sich What a Feeling angeboten. Und dann ist es natürlich auch der Song von Jennifer Beals in Flashdance, die auch in der lesbischen Serie The L-World mitspielt.

STANDARD: Wie wichtig war Ihnen, ein Liebespaar über 50 zu zeigen?

Rohrer: Da habe ich mich am Alter der Schauspielerinnen Caroline Peters und Proschat Madani orientiert. Aber es hat sicher auch mit mir zu tun, weil ich mit Anfang vierzig, während der Pandemie, in eine Midlifecrisis gestürzt bin. Außerdem hatte ich es satt, dass es so viele queere Coming-of-Age-Filme gibt. Es ist schön und wichtig, aber es hat wenig mit meinem Leben zu tun. Die Fallhöhe mit 40 plus ist höher als mit 20.

STANDARD: Mit Feelgood gegen die Pandemie?

Rohrer: Ja, gegen meine eigene Depression. Ich habe in diesem Drehbuch eine Welt geschaffen, die mich ein bisschen entführt hat, was sehr angenehm war.

STANDARD: Zeigt What a Feeling etwa eine Fantasiewelt?

Rohrer: Mein Film ist realistisch, aber in manchen Aspekten "wishful thinking".

STANDARD: In welchen denn?

Rohrer: Zum Beispiel im Fall der Lesbenbar, solche gibt es gar nicht mehr. Es ist ein Wunschtraum von mir, dass es diesen Safe Space gibt, wo man seine kreative Ader ausleben kann und wo es jemanden wie die Bigi gibt: eine Barkeeperin mit Herz, bei der man immer willkommen ist.

Nicht nur in der Bar, auch im Krankenhaus treffen sich Fa und Marie Theres andauernd. Hinten im Bild: Marie Theres Arbeitskollege Tom (Rafael Haider).
Nicht nur in der Bar, auch im Krankenhaus treffen sich Fa und Marie Theres andauernd. In der Mitte: Marie Theres' Arbeitskollege Tom (Rafael Haider).
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STANDARD: Nicht alle sind willkommen: Im Film wird Tom, Marie Theres’ schwuler Arbeitskollege, von Bigi fast aus der Bar geschmissen. Aus heutiger Sicht wäre das problematisch.

Rohrer: Ja, aber deshalb ist die Bigi auch eine andere Generation. Abgesehen davon, ist es mir auch schon passiert, dass ich bei einer schwulen Party nicht willkommen geheißen wurde. Ich finde es furchtbar, wenn eine Minderheit eine andere ausgrenzt. Aber es kommt vor. Es gibt Menschen, die ihre eigenen Räume haben wollen. Sowohl bei schwulen Männern als auch bei den Lesben. Das ist aber eine Generationssache.

STANDARD: Wie der Begriff queer. Wie stehen Sie zu ihm?

Rohrer: Ich finde ihn sehr passend. Er ist allumfassend. In meiner Generation musste man sich mehr deklarieren: Du bist lesbisch oder schwul. Wenn ich das jetzt wieder machen müsste, würde ich sagen, dass ich bis zu einem gewissen Grad bi bin. Das war aber damals nicht akzeptiert. Und ich finde den Begriff queer, den sich die LGBTQ-Community wieder zurückerobert hat, schön. Früher war es ein Schimpfwort, jetzt ist es eine positive Selbstbezeichnung.

STANDARD: In What a Feeling ist nur Fa klar lesbisch kodiert, Marie Theres nicht. Weshalb?

Rohrer: Ich möchte Marie Theres kein Label geben. Sie war mit einem Mann verheiratet und eine Zeitlang glücklich, dann haben sie sich auseinandergelebt, und sie hat sich in einen anderen Menschen verliebt, der nun Mal eine Frau ist.

STANDARD: Fa ist auch iranischer Herkunft. Woher kam die Idee?

Rohrer: Durch Proschat Madani. Wir sind schon lange eng befreundet, und ich habe Proschat nie als Ausländerin wahrgenommen – im Gegensatz zu ihrer Umwelt. Das sieht man an den Rollenangeboten, die sie – vor allem früher – bekommen hat. Es gibt verschiedene Formen des Außenseitertums. In Wien ist man gut darin, alles, was nicht in die Norm passt, an den Rand zu drängen. Selbst in der Deutschen Marie Theres kann man eine Außenseiterin erkennen, wenn auch nicht optisch. Aber Fa ist wienerischer.

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STANDARD: Marie Theres ist dafür mit sehr unsympathischen reichen Wienerinnen befreundet. Eigene Erfahrung?

Rohrer: Absolut.

STANDARD: Nehmen Sie die Wiener "Oberschicht" als derart patschert in Bezug auf queere Themen wahr?

Rohrer: Die zwei Freundinnen sind schon sehr überzeichnet. Aber es gibt viele Menschen, die, wenn sie in einer gewissen Bubble sind – und da sind wir alle drin –, eine gewisse vorgefertigte Meinung haben. Sei es über queere Personen oder über Migranten. Es gibt darunter auch bösartige Menschen, aber viele sind einfach nur nicht informiert. Ich kenne das von alten Freundeskreisen, in denen wahnsinnig viel Unwissenheit herrscht – oder auch Abneigung.

STANDARD: 1998 sind Sie mit 18 nach New York gezogen und haben 20 Jahre lang dort gelebt. Hat das einen Einfluss darauf gehabt, wie Sie über Repräsentation denken?

Rohrer: Ja, sicher, denn ich habe den größten Teil meines Erwachsenenlebens in einem Umfeld verbracht, wo das Sprechen über queere Repräsentation schon begonnen hatte. Auch in den USA war das schleichend, aber in den frühen 2000ern gab es zumindest schon schwule Charaktere in Sitcoms. Die Repräsentation in österreichischen Filmen ist erschreckend für 2024. Wir sind da sicher im internationalen Vergleich hinterher.

Kat Rohrer ist die Tochter der Journalistin Anneliese Rohrer – sie wuchs in Wien auf und zog mit 18 Jahren nach New York.
Kat Rohrer ist die Tochter der Journalistin Anneliese Rohrer. Sie wuchs in Wien auf und zog mit 18 Jahren nach New York.
APA/MATTHIAS FEND

STANDARD: Was ist Ihnen lieber: Wiener Schmäh oder amerikanischer Humor?

Rohrer: Beides. Ich bin ja an beiden Orten sozialisiert. Ich habe Wiener Schmäh, aber mancher Wortwitz kommt sicher aus dem Amerikanischen. Dadurch, dass ich Legasthenikerin bin, ist Deutsch für mich eine schwierige Sprache. Es liegt also auch an meinen Erfahrungen als legasthenisches Kind.

STANDARD: Als Tochter der bekannten Journalistin Anneliese Rohrer war das sicher nicht einfach.

Rohrer: Ja, das war nicht einfach. Aber meine Mutter hatte damit nie ein Problem, das war die Umwelt, die uns immer verglichen hat. Schon in der Schule: "Warum kannst du nicht rechtschreiben? Deine Mutter ist Journalistin." Rechtschreibung ist ja nicht vererbbar. (Valerie Dirk, 20.4.2024)