Ein T-14 Armata bei einer Waffenmesse 2023 nahe Moskau. Der Wunderpanzer wurde bereits für tot erklärt, jetzt ist er plötzlich wieder da.
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Verfolgt man die Berichte aus Russland über den Superpanzer T-14 könnte man den Eindruck gewinnen, der russischen Propagandamaschinerie ist die Kontrolle über die Message zunehmend entglitten. Einmal ist der hochgepriesene Wunderpanzer das Waffensystem der Zukunft, und Panzerarmeen aus tausenden T-14 werden Europa überrollen.

Dann heißt es, die Entwicklung wurde eingestellt, weil für die "militärische Spezialoperation", also den brutalen Angriffskrieg in der Ukraine, auch der deutlich billigere, aber laut Propaganda immer noch unbesiegbare T-90 völlig ausreicht. Jetzt ist der T-14 wieder da. Richtig: schneller, besser und noch um ein Vielfaches tödlicher. Der Versuch einer Aufarbeitung der bizarren Geschichte des russischen Propagandapanzers.

Der Wunderpanzer mit dem Motorproblem

Auf dem Papier ist der T-14 mehr als nur ein Panzer: Er ist eine Plattform für alle nur erdenklichen Formen von Kettenfahrzeugen. Aber natürlich ist es der Kampfpanzer, den die russischen Streitkräfte 2015 erstmals präsentierten. Damals ließ man sich im Westen noch leichter von russischen Superwaffen beeindrucken: Ein britischer Stabsoffizier bezeichnete den Panzer 2016 als den revolutionärsten der Welt, was natürlich von der russischen Propaganda genüsslich ausgeschlachtet wurde. Doch als die Öffentlichkeit den T-14 zum ersten Mal bei einer Parade anlässlich des Sieges im Zweiten Weltkrieg sah, begann die Erzählung schon zu bröckeln: Einer der gezeigten Panzer blieb liegen, minutenlang wurde vergeblich versucht, das Gefährt wieder in Gang zu bringen. Später hieß es, der Fahrer hätte vergessen, wie man die Handbremse löst.

New Russian Tank Breaks Down: T-14 stops rolling during Victory Day preparations in Red Square
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Dazu kamen noch andere technische Fragezeichen. Eigentlich sollte der T-14 mit der mächtigen 2A83-152-Millimeter-Glattrohrkanone ausgestattet sein. Wie sich aber herausstellte, sind derart riesige Kanonen unpraktisch und führen außerdem dazu, dass der Munitionsvorrat deutlich kleiner wird. Also wurde doch eine 125-Millimeter-Kanone verbaut. Im Kampfeinsatz dürfte die kleinere Variante durchaus leistungsfähig genug sein, für die Erzählung der übermächtigen Superwaffe war es ein herber Rückschlag.

Den Westen überrollen

Dennoch, die Ambitionen blieben groß: 2.300 T-14 Armata sollten Russland bis 2020 zur Verfügung stehen, hieß es 2015, ein Zeitplan, der nicht halten konnte. Diese Zahl wurde später auf 100 Stück reduziert, man werde T-80 und T-90 stattdessen modernisieren, hieß es. Später wurde die Zahl der Armatas auf 70 reduziert, dann wieder auf 100 angehoben. Ob der Armata jemals wirklich an die Einheiten ausgeliefert wurde, war damals unklar: Verteidigungsminister Sergei Shoigu kündigte 2021 an, dass 20 Exemplare des T-14 bis Ende 2021 beim Heer eingeführt würden. Kurz darauf ruderte er zurück: Die T-14-Produktion sei immer noch experimentell.

Mit dem Überfall auf die Ukraine wartete man im Westen gespannt, wann der T-14 Armata sein Debüt auf dem Schlachtfeld geben würde. Doch stattdessen sah man die üblichen T-72, T-80 und T-90 über das Schlachtfeld rollen und in die Luft fliegen. Später kamen sogar uralte T-64 und sogar T-55 dazu: Museumsstücke aus der Nachkriegszeit des vorigen Jahrtausends.

Keiner wollte ihn kaufen

Doch der T-14 Armata fehlte und war nirgendwo zu sehen. Da vermeldete der staatliche Waffenhändler Rosoboronexport, dass man eine Exportversion des T-14 hergestellt habe. Käufer fanden sich keine. Es sollte erst im Jahr darauf wieder ein Lebenszeichen des T-14 Armata geben: Bei der "Army 2023"-Waffenschau in Moskau wurde ein Exemplar als Waffensystem der Zukunft präsentiert.

Der T-90 (vorne) kostet etwa ein Drittel eines T-14 Armata (hinten).
EPA/YURI KOCHETKOV

Da war man sich Westen schon längst sicher, dass der T-14 wohl nicht das revolutionäre Design darstellt, das die russische Propaganda gerne vermitteln würde. Im Jänner 2023 meldete der britische Militärnachrichtendienst, dass es wohl massive Probleme bei der Produktion des eigens entwickelten 1.500 PS starken Dieselmotors gebe, weil durch die Sanktionen westliches Präzisionswerkzeug fehlte. Außerdem gab es wiederholt Schwierigkeiten, die Komponenten des Nachtsichtsystems des Wunderpanzers selbst herzustellen, weshalb man versuchte, die Geräte gebraucht aus Frankreich zuzukaufen, wie die Cybersicherheitsfirma Taia Global unter Berufung auf ukrainische Hacker berichtet. Die Quelle für die Optiken dürfte mit den Sanktionen gegen Russland versiegt sein.

Propaganda außer Kontrolle

Kurz: Die russische Propaganda zum T-14 geriet außer Kontrolle, es musste ein Befreiungsschlag her. Anfang 2023 sollen einige Armatas – wie viele es überhaupt gibt, ist bis heute unklar – an russische Einheiten in der Ukraine übergeben worden sein. Laut britischen Geheimdienstberichten sollen die T-14 aber in einem derart schlechten Zustand gewesen sein, dass die kämpfende Truppe zögerte, ihn überhaupt einzusetzen.

Da vermeldete das russische Verteidigungsministerium im Frühjahr 2023 Erstaunliches: Der Armata wurde erfolgreich an der Front erprobt. Warum ihn dort niemand gesehen hat, wurde auch schnell erklärt: Der T-14 wurde in der Ukraine zur indirekten Feuerunterstützung eingesetzt, stand also hinter der eigentlichen Frontlinie. Für den Einsatz sei der T-14 mit "verstärktem Seitenschutz" ausgestattet gewesen. Weitere Tests seien nötig. Damit verschwand der Kampfpanzer einmal mehr in der Versenkung.

Wieder waren es die britischen Geheimdienste, die Klarheit brachten: Russland könne den Panzer von den technischen Mängeln abgesehen gar nicht einsetzen. Unvorstellbar, wenn die größte Propagandawaffe live vor den Drohnenkameras der Ukrainer in die Luft fliegt oder wenn – noch schlimmer – ein Exemplar erbeutet wird, so die sinngemäße Argumentation.

Auftritt: Sergei Tschemesow, seines Zeichens Leiter des staatlichen Rüstungskonglomerats Rostec. Der schien Anfang März 2024 den Armata endültig beerdigen zu wollen. Laut Tschemsows Aussagen werde der T-14 nicht mehr in der Ukraine eingesetzt. Die einigermaßen kuriose Begründung: "Es kann sein, dass der T-14 ein bisschen teuer ist. Weshalb ihn die Armee jetzt kaum noch einsetzen möchte", sagte Tschemesow gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Stattdessen würde die Armee den T-90 bevorzugen und die Neuentwicklungen von effizienteren Panzertypen vorantreiben, so der Rostec-CEO. Welche "effizientere Panzertypen" er genau meinte, blieb offen. Auch die russische TASS meldete, dass die T-14 zurück in die Werkstätten müssen. War das also das Ende des T-14 Armata und der völlig entgleisten Propagandaerzählung des tödlichen Waffensystems, vor dem der Westen zittert? Nein.

Er ist wieder da!

Wie die Tass nämlich nun vermeldet, wird 2024 das Jahr des Armata, diesmal aber wirklich. Bis Ende des Jahres wird der T-14 vollständig in die russischen Streitkräfte integriert, heißt es da. Die Testphase und die Truppenerprobungen laufen, und die Kritikpunkte des Verteidigungsministeriums wurden ausgemerzt. Die Quelle? Zwei anonyme Mitarbeiter der Rüstungsindustrie.

Bei dem außenpolitischen Fachmagazin "The National Interest" bewertet man den T-14 ein wenig anders: Der Panzer sei nichts als Hype und ein Albtraum für Russland. Noch deftigere Worte findet der ukrainische Militäranalyst Oleksandr Kowalenko für den T-14: Er sei ein Panzer für Selbstmörder, da er gegen Angriffe von oben wie durch Drohnen oder Panzerabwehrwaffen völlig schutzlos sei.

Pläne für einen Nachfolger des Armata gibt es übrigens auch schon: Der Tachanka-B ist die unbemannte Variante des T-14. Der Pleiten-Pech-und-Pannen-Panzer soll also zum autonomen Killerroboter werden. Wenn Russland die Geschichte ähnlich erfolgreich weiterschreibt, hat der Westen aktuell wenig zu befürchten. (Peter Zellinger, 19.4.2024)