Der katalanische Journalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen. Der Mitarbeiter des linken Magazins "La Directa" lebt nun in der Schweiz – im "Exil", wie er das nennt. Zu Hause wird gegen den 50-Jährigen wegen "Terrorismus" ermittelt. "La Directa" versteht sich als Magazin für "aktuelle Themen, Forschung, Debatte und Analyse" mit umfangreichem Internetauftritt, das sich durch Abos und Genossenschafter finanziert.

Ende Mai soll ein Amnestiegesetz Gültigkeit erlangen, das katalanische Unabhängigkeitsaktivisten entkriminalisiert. Die Zeit bis dahin will ein Hardlinerrichter noch nützen.
IMAGO/Matthias Oesterle

Manuel García-Castellón – als Richter der Audiencia Nacional (Sondergerichtshof) mit Terror und Bandenkriminalität befasst – wirft Rodríguez vor, Teil einer Bewegung zum "Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung" gewesen zu sein. Der Journalist habe im Vorfeld von massiven Mobilisierungen im Oktober 2019, dem sogenannten Demokratischen Tsunami, gewusst. Damals demonstrierten Zehntausende immer wieder gegen die Verurteilung von katalanischen Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren wegen der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums 2017. Sie behinderten den Verkehr. In Barcelona kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Höhepunkt war eine friedliche Blockade des Flughafens von Barcelona. García-Castellón sieht in den Mobilisierungen "Terrorismus". Rodríguez sei Teil der Führung gewesen, da er – das beweisen abgehörte Handynachrichten – Tage zuvor Bescheid gewusst habe.

"Das ist absurd. Ich habe nur meine Arbeit als Journalist getan", sagt Rodríguez zum STANDARD. Er hat so gute Kontakte in die Protestbewegungen wie sonst kaum jemand in Katalonien oder Spanien. Eine der Spezialitäten von Rodríguez, der lange unter dem Pseudonym Albert Martínez veröffentlichte, ist die Enttarnung von eingeschleusten Beamten in sozialen Bewegungen. Er fragt sich, was ein Journalist tun müsse, um nicht des Terrors verdächtig zu sein: "Anzeige erstatten?" Er sei jedenfalls deshalb nach Genf gegangen, "um einer willkürlichen Verhaftung zu entgehen und weiterarbeiten zu können".

Puigdemont im Visier

García-Castellón, der der rechten Oppositionspartei Partido Popular (PP) nahesteht, nahm die Ermittlungen in Sachen Demokratischer Tsunami pünktlich zu den Verhandlungen der spanischen Regierung unter Premier Pedro Sánchez und den katalanischen Unabhängigkeitsparteien über eine Amnestie für alle, die in Zusammenhang mit der Organisierung des Referendums 2017 angeklagt oder verurteilt wurden, auf. Er definiert die Bewegung als "terroristisch" in der Hoffnung, dass dies nicht unter die gesetzlich neu geregelte Amnestie fallen würde. Der Richter geht insgesamt gegen zwölf Personen vor; sieben davon sind mittlerweile im Ausland.

Dem Richter geht es vor allem um den ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont wegen der Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums 2017. Laut García-Castellón habe er die "terroristische" Bewegung von Brüssel – wo er sich seit 2017 im Exil befindet – angeführt. Neben Puigdemont und Rodríguez wird auch gegen Personen aus der Kulturszene, Unternehmer und Politiker ermittelt.

García-Castellóns Rechnung geht wohl nicht auf: Denn in der endgültigen Version des Amnestiegesetzes wird auch der Demokratische Tsunami bedacht. Ende Mai, sobald das Gesetz durch alle Instanzen ist und rechtsgültig wird, müssen die Ermittlungen eingestellt werden. "Bis dahin werde ich im Exil bleiben", sagt Rodríguez zum STANDARD. (Reiner Wandler aus Madrid, 17.4.2024)