Mehr als 70.000 Vertriebene aus der Ukraine halten sich in Österreich auf, die meisten davon in Wien.
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Die Bundeshauptstadt Wien klagt über die große Last, die man mit der Betreuung von Flüchtlingen und damit insbesondere mit der ungleichen Verteilung von Kindern im Pflichtschulalter trage. Andere Bundesländer würden ihrer Verantwortung und auch Verpflichtung, Asylwerbende zu übernehmen, nicht nachkommen. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat mehrfach eine fairere Verteilung von Flüchtlingen im Asylverfahren gefordert, sein Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr von den Neos geht einen Schritt weiter und fordert eine sogenannte Residenzpflicht, also eine Art Gebietsbeschränkung auch für jene Asylberechtigten, deren Verfahren bereits abgeschlossen sind. Derzeit können sich Asylberechtigte frei in Österreich bewegen und selbst bestimmen, wo sie leben und gegebenenfalls Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen.

Wie sind Asylwerbende und Kriegsvertriebene aus der Ukraine derzeit in Österreich verteilt?

Derzeit befinden sich 75.202 Menschen in Betreuung. Der Kreis der Anspruchsberechtigten besteht aus "hilfs- und schutzbedürftigen Fremden". Das sind Asylwerber, subsidiär Schutzberechtigte oder Vertriebene aus der Ukraine. Eigentlich sollten diese Menschen nach einer festgelegten Quote auf die Bundesländer aufgeteilt werden. Das funktioniert manchmal besser, meistens weniger gut. In der Praxis sind derzeit 1.610 Menschen noch in Betreuung durch den Bund, weil sie in den Ländern keine Aufnahme gefunden haben. Der Bund betreibt insgesamt 19 Quartiere, das größte und bekannteste ist das Lager in Traiskirchen.

Wien ist das einzige Bundesland, das seine Quote in der Grundversorgung erfüllt. Und zwar deutlich übererfüllt: Die Abweichung von der Quote macht 197 Prozent aus. In absoluten Zahlen: 32.000 Menschen werden in Wien betreut, davon sind aber 14.400 Kriegsvertriebene aus der Ukraine.

Schlusslicht Kärnten

Schlusslicht in Österreich unter allen Bundesländern ist Kärnten, das seine Quote nur zu 48 Prozent erfüllt. Statt der vorgesehenen 4.700 Grundversorgungsbezieher werden nur 2.243 in Kärnten betreut. Wobei Kärnten mit einer vorgesehenen Quote von 6,26 Prozent ohnedies vorsichtig bedacht wurde. Die niedrigste zu erfüllende Quote hat das Burgenland, das diese aber immerhin zu 85 Prozent erfüllt. 2.100 Asylwerbende und Kriegsvertriebene werden derzeit im Burgenland betreut.

Weit unter den Vorgaben ist Oberösterreich, das seine Quote (16,74 Prozent) nur zu 58 Prozent erfüllt und 7.346 Menschen in Betreuung hat.

Rechnet man die Vertriebenen aus der Ukraine aus, schaut die Rechnung anders aus: Dann erfüllen Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg die Quote, Wien aber nicht – und zwar mit Hinweis, dass man die Gesamtquote ohnedies übererfülle.

Asylwerber werden "angeboten"

In der Praxis sieht es so aus, dass Asylwerbenden den Bundesländern zur Betreuung "angeboten" werden. Das macht die BBU, die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, eine GmbH, die zu 100 Prozent im Eigentum der Republik steht. Die Bundesländer können die Übernahme von Flüchtlingen ohne Angabe von Gründen verweigern. Es gibt auch keinerlei Sanktionsmöglichkeiten, wenn ein Bundesland die vereinbarte Quote nicht erfüllt. Wien kann also nur auf ein faires Miteinander pochen. Die Forderung Wiens nach einer gerechteren Verteilung ist nachvollziehbar, wird aber nur in einer gemeinsamen Verständigung der Länder untereinander umzusetzen sein. Dem entgegen stehen die Eigeninteressen der Länder – und eine gewisse Rücksichtslosigkeit Wien gegenüber, die sich eingebürgert hat. Nicht anders wird es sich mit der geforderten Residenzpflicht verhalten.

Während Asylwerber noch an ein Bundesland gebunden sind, weil sie nur Anspruch auf Grundversorgung in dem zugeteilten Bundesland haben und auch während der Dauer des Asylverfahrens einer Wohnsitzbeschränkung unterliegen, können sich Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und Vertriebene im ganzen Bundesgebiet frei bewegen und ihren Wohnsitz nehmen, wo sie wollen. Eine Änderung dieses Prinzips würde wohl vor dem Verfassungsgerichtshof landen – und es bestehen massive Zweifel daran, ob das dort halten würde.

Aktuell gehen die Asylzahlen übrigens zurück. Von Jänner bis März gab es insgesamt etwa 6.900 Anträge. 41 Prozent davon sind Asylanträge von Familienangehörigen mit einer Einreisegestattung, also Anträge im Rahmen der Familienzusammenführung. (Michael Völker, 18.4.2024)