Wer hat wann über einen Messenger-Dienst kommuniziert? Das Innenministerium will künftig Telekomanbieter in die Pflicht nehmen.
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Die Spionageaffäre rund um den Ex-Staatsschützer Egisto Ott hat sie wieder ins Spiel gebracht: die Debatte um verstärkte Überwachungsmöglichkeiten von Chats am Smartphone für die Exekutive. Seit mehr als einem Jahr drängt die ÖVP darauf, blieb allerdings eher vage. Nun hat das türkise Innenministerium erstmals einen konkreten Vorschlag ins Spiel gebracht. Und die Grünen, die Verschärfungen bisher vehement abgelehnt haben, sind plötzlich gesprächsbereit. Doch was bedeutet das alles? Ein Überblick.

Frage: Was will die ÖVP?

Antwort: Das Innenministerium unter Gerhard Karner (ÖVP) forderte am Montag einen leichteren Zugriff auf Metadaten. Das sind Informationen darüber, wann wer mit wem kommuniziert hat – also etwa: Zu welchem Zeitpunkt hat Person x via Whatsapp oder einen anderen verschlüsselten Messenger-Dienst mit jemandem telefoniert oder gechattet? Schon jetzt können Ermittlerinnen und Ermittler solche Daten direkt bei Messengeranbietern wie der Whatsapp-Mutter Meta anfordern – die Anbieter sind zur Herausgabe verpflichtet. Die Neuerung: Zusätzlich, heißt es aus dem Innenministerium, sollen Telekomanbieter künftig auf Anfrage alle von ihnen gespeicherten Daten zur Messengerkommunikation von Verdächtigen zur Verfügung stellen.

Frage: Welche Daten haben die Mobilfunkanbieter?

Antwort: Laut dem Providerverband Ispa, zu dessen Mitgliedern unter anderem die Mobilfunker Magenta und "3" gehören, sehr wenige. Seitens des Verbands heißt es, dass den Mobilfunkanbietern kaum Daten zu verschlüsselten Messengern vorliegen würden. Aufgrund der Verschlüsselung könne "ein Telekom-Anbieter nur sagen, welches Gerät sich wann mit einem Messenger-Dienst verbunden hat, aber nicht, mit wem es dabei Kontakt hatte" sagt Ispa-Generalsekretär Stefan Ebenberger zum STANDARD. Den Mobilfunkern sei nur bekannt, wann jemand eine App wie Whatsapp verwendet hat, nicht aber, mit wem konkret kommuniziert würde. Ein Beispiel: Wenn eine Person etwa Whatsapp oder Signal öffnet, verbindet sich die App mit dem Server des Messengeranbieters. Der Telekomanbieter erfährt, dass das passiert ist und wann – nicht aber, wer kontaktiert wurde oder wie der Inhalt lautet. Alle weiteren Informationen sind verschlüsselt und daher nicht auslesbar.

Frage: Warum will das Innenministerium dann eine Änderung?

Antwort: Das Innenministerium verspricht sich, durch die Informationen von den Mobilfunkern rascher zu erfahren, über welchen Messengeranbieter Verdächtige kommuniziert haben, heißt es dem STANDARD gegenüber. Dadurch könnten Ermittlerinnen und Ermittler schneller Kontakt mit dem jeweiligen Messengeranbieter aufnehmen, um die Metadaten anzufordern. Allerdings speichern nicht alle Messengerdienste Metadaten: Whatsapp etwa tut dies, Signal zum Beispiel nicht.

Frage: Würde das die Arbeit der Ermittlerinnen und Ermittler tatsächlich beschleunigen?

Antwort: Aus informierten Kreisen heißt es, dass die von den Mobilfunkern zur Verfügung gestellten allein wenig Aussagekraft hätten. So könnte ein Verdächtiger zwar Straftaten via Messenger planen – oder aber auch lediglich mit der Familie kommunizieren. Schon jetzt seien die Behörden durch das Ausmaß des ihnen vorliegenden Datenmaterials überlastet, wodurch die Ermittlungen verzögert würden. Das betreffe vor allem empfindliche Bereiche wie Darstellungen von Kindesmissbrauch. Und auch im Anlassfall Ott waren die Ermittlerinnen und Ermittler so belastet, dass ein Experte aus der Justiz zugezogen werden musste. Noch mehr "Datenmüll" sei kontraproduktiv.

Frage: Wie gelangen Behörden aktuell genau zu Metadaten?

Antwort: Aufgrund des heuer in Kraft getretenen Digital Services Act müssen große Messengeranbieter eine Ansprechperson in Österreich nennen. An diese können sich alle heimischen Behörden wenden, wenn Daten des jeweiligen Unternehmens für Ermittlungen von Relevanz sind. Grundsätzlich nehmen Rechtshilfeansuchen der Justiz an Drittstaaten – wie etwa die USA, wo etwa Meta den Sitz hat – einige Zeit in Anspruch. Für unmittelbare Gefahren – Terroranschläge zum Beispiel – stellen vor allem die großen Social-Media-Konzerne der Exekutive raschere Kommunikationswege zur Verfügung. Je nach Anbieter funktioniert das unterschiedlich gut: So änderte Telegram in der Vergangenheit mehrfach seinen Unternehmenssitz, um einer Rechtsdurchsetzung zu entfliehen.

Frage: Was sagen die Grünen?

Antwort: Aus dem Justizministerium heißt es, dass man sich über Möglichkeiten der verstärkten Überwachung in Gesprächen mit dem Innenministerium befinde, allerdings seien noch wichtige Fragen ungeklärt. Die rote Linie, sagte die grüne Justizministerin Alma Zadić zuletzt, bliebe nach wie vor der Bundestrojaner. Das ist eine Überwachungssoftware, mit der – im Unterschied zur Zurverfügungstellung von Metadaten – die Inhalte der Chats auf dem Smartphone mitgelesen werden können. Das ist für Ermittlungsbehörden derzeit nur möglich, wenn sie Smartphones beschlagnahmen.

Frage: Will die ÖVP denn weiterhin einen Bundestrojaner?

Antwort: Seit vergangenem Jahr fordert die Volkspartei mehr Möglichkeiten zur Überwachung, machte aber bisher keine expliziten Vorschläge. 2023 verlangte Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (die dem Innenministerium unterstellt ist), vage den Zugriff auf Apps sowie Funktionen wie das Mikrofon oder Bewegungsdaten. Der letzte Anlauf der ÖVP für einen Staatstrojaner ist 2019 gescheitert: Der Verfassungsgerichtshof erklärte ein Gesetz der damaligen türkis-blauen Regierung, mit dem ein Trojaner möglich gemacht werden sollte, für verfassungswidrig, weil er gegen das Grundrecht auf Privatsphäre verstößt. (Muzayen Al-Youssef, 17.4.2024)