Mode, Innenstadt, Michele Mayer
Michel Mayer in ihrem Atelier, das an das Geschäft anschließt.
privat

"Ich habe bereits als Kind genäht, gestrickt und gehäkelt. Meine erste Nähmaschine bekam ich, als ich sieben war. Sie steht noch immer bei uns zu Hause. Am Samstag bin ich nach der Schule nach Hause, habe genäht, und was dabei rauskam, wurde am Abend angezogen. Aus Vernunftsgründen, so würde ich es nennen, absolvierte ich später die AHS und dann noch das HAK-Kolleg.

Wenn es nach dem Wunsch meiner Eltern gegangen wäre, würde ich heute wohl als Juristin arbeiten. Aber mir war immer klar, dass die Mode mein Thema ist. Ich hab zwar kurz auf der Wirtschaftsuniversität studiert, landete dann aber recht schnell im Modekolleg 'Herbststraße'. Ach ja, eine Kunsttherapie-Ausbildung habe ich auch noch absolviert.

1996 fing dann alles so richtig mit einem Atelier in Berndorf an. 1998 übersiedelte ich nach Wien und 2001 landete ich hier in der Innenstadt. Früher war hier ein Geschäft für Taschenbücher untergebracht. An dieses können sich heute noch viele Menschen erinnern. Das Geschäft mit Werkstatt misst 64 Quadratmeter, und ich habe eine Mitarbeiterin. Der Übergang zwischen Geschäft und Atelier ist bewusst sehr offen gestaltet.

Spielen mit Kreativität

An der Mode fasziniert mich, dass ich kreativ sein und etwas schaffen kann, also ein fertiges Produkt. Das gibt mir große Befriedigung. In vielen Jobs ist man lediglich Teil eines Ganzen. Ich kaufe das Material ein, arbeite damit, entwickle Ideen, arbeite mit den Händen, erst zweidimensional beim Schnitt, dann dreidimensional an der Puppe.

Der Mensch, die Kundin ist natürlich das Wichtigste. Das Dreidimensionale, also den Körper, den hab ich schon immer vor mir. Es ist nicht so, dass ich im Hinterkopf eine gewisse Kundin für ein Kleid habe, wobei auch das manchmal während des Entwurfsprozesses vorkommen kann. Dass diese Kundin dann auch tatsächlich genau das Kleid kauft, ist allerdings eher ein Zufall.

Von 2002 bis 2008 entwarf ich auch eine Männerkollektion. Mit dieser habe ich aufgehört, weil das Geschäft einfach zu klein ist, um beide Linien zu präsentieren. Abgesehen davon ist man im Bereich der Damenmode schon freier. Bei ihr bin ich zu Hause. Der kreative Prozess bereitet mir nach wie vor die größte Freude. Ihn empfinde ich als besonders spannend. Die gesamte Kollektion kann man sich letztendlich wie eine Familie vorstellen.

Mode, Innenstadt, Michele Mayer
Seit 2001 ist die Modedesignerin in der Wiener Singerstraße im Zentrum. Früher war hier ein Taschenbuchladen untergebracht.
privat

Was weniger Spaß macht, ist das Drumherum. Ich spreche vor allem von all dem Digitalen. Es gibt wesentlich mehr Kanäle zu bespielen, alles muss viel schneller gehen. Man muss sich vorstellen, dass wir in meinen Anfangszeiten Pressefotos noch mit der Post verschickt habe. Dann kamen CDs. Früher haben wir Dinge über die Auslage verkauft, jetzt verkaufen wir das, was im Schaufenster hängt, oft über Fotos auf Social Media. Instagram zum Beispiel ist zu einer Art Auslage geworden.

Es ist eigenartig. Einerseits ist alles schneller geworden, was die Kunden betrifft, wurde es langsamer. Dass jemand schnell von der Straße etwas kauft, kommt kaum mehr vor. Die Laufkundschaft ist weniger geworden. Heute werden Termine vereinbart und das Business ist viel beratungsintensiver geworden. Es sind heute weniger Kundinnen, die allerdings mehr kaufen. Es kommt zum Beispiel vor, dass eine Kundin kommt und sagt, sie hätte diese und jene Veranstaltung am Programm und benötige die passenden Outfits, die oft auch reisetauglich sein müssen.

Welche Kundin mir die liebste ist? Die, die weiß, was sie will. Nach wie vor. Ob früher alles besser war? Das ist kaum zu beantworten. Es ist vieles anders, aber auch diese Medaille hat zwei Seiten. Social Media zum Beispiel bietet viele Möglichkeiten, aber man muss auch sehr dahinter sein. Früher war es definitiv einfacher, Mitarbeiterinnen zu finden. Vor allem solche, die bereit sind, Freitag und Samstag zu arbeiten.

Ich würde unterm Strich sagen, dass ich ein Mensch bin, der generell gut mit der Zeit gehen kann, und wenn ich per Zeitmaschine noch mal ins Jahr 1996 reisen könnte, glaube ich nicht, dass ich irgendetwas anders machen würde." (Michael Hausenblas, 14.4.2024)