Sturmgeschütz III ("StuG III") in der Finnischen Armee, Kanonier Vauhkonen mit Mannschaft im Zweiten Weltkrieg.
Archiv Familie Vauhkonen

Bei einer Umfrage in Österreich zum Thema "Was wissen Sie über Finnland?" wäre vorstellbar, dass folgende Gemeinplätze herauskämen: viel Wald, unzählige Seen, tolle Langläufer, exzellente Skispringer, Formel-1-Piloten, Elche, Saunas, Hauptquartier des Weihnachtsmanns.

Der Nato-Beitritt wird irgendwie zur Kenntnis genommen, ohne darüber nachzudenken, wieso dieser Schritt für Finnland so wichtig war. Russland, ob zaristisch, sowjetisch oder wie derzeit unter Putins Regierung, stellte seit 1918 immer ein Gefahrenpotenzial dar.

Tief verwurzelt

1340 Kilometer Grenze zum Nachbarn, das bedeutet eine ständige Unsicherheit, vergleichbar mit dem Leben Österreichs am Eisernen Vorhang. Die ganze westliche Welt bescheinigt Finnland seit Jahrzehnten nicht nur eine solide Wehrhaftigkeit, sondern auch ein seit Generationen gelebtes und tiefverwurzeltes Verteidigungsdenken.

Als am 24. Februar 2022 die russische Armee in der Ukraine einmarschierte, läuteten in Helsinki die Alarmglocken, die Gespenster rund um erneute Gefahr tauchten am Horizont auf. Der Kampf um die Unabhängigkeit 1917/18, der Winterkrieg von November 1939 bis Mai 1940, danach verführte die Hoffnung auf Rückeroberung Kareliens und des Eismeerzugangs zur Waffenbrüderschaft mit dem Deutschen Reich.

Risto Vauhkonen in friedlichen jungen Tagen.
Archiv Familie Vauhkonen

Der Friedensschluss im Mai 1944 verhinderte eine sowjetische Besetzung des Landes, die Themen lieferte aber immer der östliche Nachbar. Der Held aller finnischen Taten heißt Carl Gustav Emil Mannerheim, in Suomi für ewig eine Ikone.

Eingangsbereich des renommierten Panzermuseums Parola in Hattula im südlichen Finnland.
Panssarimuseo, Hattula

Finnland ist ein wehrhaftes Land, und wir machten uns auf historische Spurensuche zu dieser Doktrin, im Vordergrund das Thema Mobilität. Zehn Militärmuseen finden sich dort oben, weit übers Land verstreut. Unser Zielort liegt 112 Kilometer von Helsinki entfernt im Süden des Landes, Parola heißt die kleine Stadt mit rund 9000 Einwohnern, Hauptarbeitgeber ist die dort stationierte finnische Panzerbrigade. In Parola befindet sich eines der berühmtesten Panzermuseen der Welt, unsere Geschichte rollt also auf schweren Ketten, um 125 Jahre finnische Militärgeschichte kennenzulernen.

Das Land war nach 1918 niemals besetzt, keine Armee hinterließ – abgesehen vom Winterkrieg – eine plündernde Spur, keine Verbote schränkten den Rahmen der Präsentation ein, um von 1918 bis zur Leopard-Gegenwart Geschichte anhand gepanzerter Fahrzeuge zu erzählen; das ist das Geheimnis des weltweiten Rufs des Museums.

Die Aussicht, das im Winterkrieg an Stalins Reich verlorene Karelien und den Eismeerzugang zurückzugewinnen, bewog Finnland zum Kriegseintritt an der Seite des Deutschen Reichs.
Archiv Familie Vauhkonen

1961 gegründet, präsentiert es, offen unter Kieferbäumen, zahlreiche einmalige Exponate wie 26 Tanks, sieben gepanzerte Fahrzeuge und vier schwere Abschleppfahrzeuge wie das deutsche Halbkettenfahrzeug Famo aus Breslau, Zweiter Weltkrieg. Ohne etwa die russische Panzergeschichte von 1933 bis 1972 zu erzählen, lohnt es sich, ein paar Highlights rauszuheben.

Das erste finnische Panzerfahrzeug kam aus Frankreich, Typ Renault FT 17, Erster Weltkrieg, ein Vorbild für spätere Entwicklungen: selbsttragende Wanne, Schrauben und Blattfedern, gefedertes Kettenlaufrad. 1919 erwarb Finnland 34 Einheiten, im Winterkrieg 39/40 wurden sie noch als Bunker verwendet. Aus Russland stammt der T-26-Panzer, Lizenzfertigung des britischen Vickers 6-ton, ein eher leichtes Gerät, Baubeginn 1933 – die 122 finnischen Exemplare standen bis 1959 im Einsatz.

Unikate

Besonders stolz ist die Museumsleitung auf drei Exponate, die weltweit zu den Unikaten zählen. Der Umbau erbeuteter russischer BT-Panzer zu Sturmgeschützen mit der finnischen Kennung BT 42 etwa, mit englischen 114-mm-Haubitzen aus dem Ersten Weltkrieg (!), dazu ein neuer Turm, Notlösung 1941. Auch der russische T-50-Panzer bedeutet Einmaligkeit: Ab 1941 in kleinen Fabriken der Sowjetunion hergestellt, wurden nur rund 75 Exemplare gebaut, im Westen steht dieser Leichtpanzer allein in Parola.

Eine echte Rarität stellt auch der russische Radpanzer BA-10 dar, wahlweise auch als Halbkettenfahrzeug verwendet. Ab 1927 in der Sowjetunion als Aufklärungsfahrzeug entwickelt, 1938 technisch verbessert, 5140 kg schwer, Spitze 55 km/h, 300 km Reichweite, mit Gaz-14-Zylinder-Benziner (50 PS), angeblich gibt es noch zwei, drei Stück in Sibirien.

Vauhkonens Sturmgeschütz heute: exakt jenes Fahrzeug, das kürzlich aus finnischen Armeebeständen als Leihgabe des britischen Tank Museum in Bovington im HGM in Wien gelandet ist.Baujahr: 1943. Motor: Maybach HL 120 TRM, 300 PS. Höchstgeschwindigkeit 40 km/h, 320-Liter-Tank. Besatzung: Kommandant, Richtschütze, Ladeschütze, Fahrer. Hauptbewaffnung: 75-mm-Sturmkanone 40 L/48 mit 54 Patronen.
Stockinger

Im Zweiten Weltkrieg erhielt Finnland aus Deutschland als Ersatz für den BT-42 moderne Sturmgeschütze Type III, sie wurden noch bis 1966 verwendet. Hier kommt nun das Heeresgeschichtliche Museum in Wien mit seiner profunden Panzersammlung ins Spiel: Ein solches 23,9 Tonnen schweres Kettenfahrzeug mit 75-mm-Sturmkanone steht seit kurzem als Leihgabe im Arsenal.

Nach dem Krieg war Risto Vauhkonen als Anwalt tätig.
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Krieg und Frieden: geradezu sensationell die Hintergrundgeschichte. Risto Vauhkonen begleitete mit der Kamera als Mitglied der finnischen Tankbesatzung dieses Geschütz von der Ausbildung bis zum Kampfeinsatz im Weltkrieg. Nach 1945 erfolgreich als Anwalt, starb er 2010.

"Maija" auf dem Turm: ein zarter Liebesgruß an die Braut.
Stockinger

Eine kleine Liebesgeschichte rankt sich auch um dieses Kettenfahrzeug: An der Vorderseite des Turms findet sich der weiße Schriftzug "Maija", der Liebesgruß des Kommandanten an seine Braut. Bescheidene Romantik im Krieg mit Kettenrasseln als Begleitmusik. (Peter Urbanek, 12.4.2024)