Eine Frau hält bei einer Demonstration der
Der Klimawandel ist auch heuer wieder das zentrale Thema im Chairman's Letter von Blackrock-Chef Larry Fink. Im Zuge der grünen Transformation werde es zu massiven Umschichtungen von Gelde am Kapitalmarkt kommen.
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Wien – Es ist unter Investoren zu einer Tradition geworden: der alljährliche Brief von Blackrock-Chef Larry Fink an die wichtigsten Unternehmenschefs. Die Worte des 71-Jährigen haben Gewicht. Als der Chef des weltgrößten Assetmanagers vor einigen Jahren in seinem Brief den Klimawandel ins Zentrum rückte, wurden grüne Investments en vogue, und die grüne Transformation kam auf die Agenda der CEOs.

Doch nicht nur Fink wendet sich an die Investoren und Unternehmenslenker. Auch Jamie Dimon, Chef der größten US-Bank JPMorgan, tut das. Was die beiden Herren heuer ausrichten, lässt aber nicht viel Gutes für das Jahr erwarten.

"Freiheit und Gerechtigkeit"

Dimon hebt in seinem 61 Seiten langen Brief die Führungsrolle und wirtschaftliche Macht der USA hervor und beschwört "Freiheit und Gerechtigkeit für alle". Neben der wirtschaftlichen Stärke der USA betont der 68-Jährige auch die militärische Macht des Landes und hebt die Unterstützung für die Ukraine hervor. Dieser müsse auch weiterhin geholfen werden. "Die Ukraine braucht unsere Hilfe sofort, aber es ist wichtig zu verstehen, dass ein großer Teil des Geldes, das die USA in die Ukraine leiten, für den Kauf von Waffen und Ausrüstung verwendet wird, von denen das meiste in Amerika gebaut wird. Unsere Hilfe hilft nicht nur der Ukraine, sie geht auch direkt an amerikanische Hersteller und hilft dem Land, seine militärisch-industriellen Kapazitäten für die nächste Generation wieder aufzubauen."

Der JPMorgan-Chef verweist auf das wachsende Lohngefälle in den USA, das letztlich zur "Abnützung des amerikanischen Traums" geführt habe und dazu, dass sich viele US-Bürger zurückgelassen fühlten, während andere immer wohlhabender würden. Die Bildung gehöre dringend verbessert, die Steuerlast für Geringverdiener gesenkt. Zur Einordnung: Dimon selbst hat 2023 eine Gehaltserhöhung um vier Prozent auf 36 Millionen Dollar erhalten, nachdem JPMorgan einen Rekordgewinn erzielt hatte.

Inflation hartnäckig, Zinsen könnten steigen

Auch die Inflation könnte sich als hartnäckiger erweisen als von den Märkten bisher erwartet – damit könnte auch der Leitzins, der aktuell in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent liegt, noch länger so hoch bleiben. Dass die Zinsen, wie von vielen Marktteilnehmern erhofft, bald wieder sinken, ist laut Dimon nicht ausgemacht. Die US-Notenbank Fed könnte im Kampf gegen die Teuerung die Leitzinsen sogar noch erhöhen. Ein Niveau von acht Prozent schließt der Bankenchef nicht aus. "Die enormen Steuerausgaben, die Billionen, die jedes Jahr für die grüne Wirtschaft benötigt werden, die Remilitarisierung der Welt und die Umstrukturierung des Welthandels – all das wirkt inflationär", schreibt Dimon.

Jamie Dimon, Chef der US-Großbank JP Morgan spricht während einer Befragung durch den US-Senat.
Jamie Dimon, Chef der US-Großbank JPMorgan, glaubt an die wirtschaftliche und militärische Macht der USA. Die Inflation könnte aber hartnäckiger sein als erwartet, die Zinsen könnten damit weiter hoch bleiben und sogar noch steigen.
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Die USA sollten zudem mehr Handelsabkommen unterschreiben und eine harte Haltung gegen China einnehmen. Der Bankenchef spricht sich auch gegen die von den US-Regulierungsbehörden vorgeschlagenen strengeren Eigenkapitalvorschriften für Banken aus. Das wird den Behörden nicht gefallen, sind doch gerade viele US-Banken, vor allem die Regionalbanken, wegen der Krise bei Gewerbeimmobilien massiv unter Druck.

Fusionen und Konsolidierung

Geht es nach Dimon, sollte es mehr Genehmigungen für Fusionen geben, vor allem weil Kreditgeber sich einem stärkeren Wettbewerb durch Fintechs und private Kreditunternehmen ausgesetzt sähen. "Banken sollten die Möglichkeit haben, ihre individuellen Strategien zu verfolgen, einschließlich Fusionen und Übernahmen, wie sie es für richtig halten", sagte Dimon. Die Bankenkonsolidierung ist ins Licht gerückt, seit im vergangenen Jahr drei regionale Kreditinstitute wegen massiver Geldabflüsse zusammengebrochen sind. Das hat in der Bankenbranche zu neuen Ängsten vor weiteren Zusammenbrüchen und vor allem von Vertrauensverlust geführt. JPMorgan hat im Vorjahr die kollabierte Bank First Republic gekauft.

Kennern der Briefe fällt auf, dass in Dimons Schriftstück die Politik heuer einen wesentlichen Teil ausmacht. Das ist kein Wunder, gilt Dimon doch als ein Kandidat für ein Amt in der nächsten US-Regierung. Laut Wall Street Journal soll der JPMorgan-Chef als Finanzminister in Betracht gezogen werden. Die Ausgaben der US-Regierung, die quantitative Straffung und die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten nennt Dimon als potenzielle Störfaktoren. Er befürchtet, dass die geopolitischen Ereignisse sowie die politische Polarisierung in den USA ein Umfeld schaffen könnten, das "die Gefahr mit sich bringt, alles seit dem Zweiten Weltkrieg in den Schatten stellen zu können".

Amerikas weltweite Führungsrolle werde von außen durch andere Nationen und von innen durch die polarisierte Wählerschaft infrage gestellt, hält Dimon fest. "Wir müssen Wege finden, unsere Differenzen zu überwinden und im Namen der Demokratie mit anderen westlichen Nationen zusammenzuarbeiten."

Klimawandel ist entscheidender Faktor

Blackrock stellt den Klimawandel weiterhin ins Zentrum. Der Klimawandel sei für die langfristigen Aussichten von Unternehmen zum entscheidenden Faktor geworden, hält Fink in seinem Brief fest. Maßnahmen gegen den Klimawandel würden immer heftiger gefordert. Denn die Klimaveränderung bedrohe auch Wachstum und Wohlstand. Das sei ein Risiko, das die Märkte laut Fink bisher "nur zögerlich zur Kenntnis nehmen". Das diesbezügliche Bewusstsein ändere sich aber rasant. Fink: "Ich bin überzeugt, dass wir vor einer grundlegenden Umgestaltung der Finanzwelt stehen."

Larry Fink, Chef des weltgrößten Asset-Managers Black Rock, in einem Interview
Blackrock-Chef Larry Fink sagt, dass es in puncto Klima zu einem Umdenken kommen muss. Städte müssten auf den Klimawandel reagieren, Unternehmen müssten das ebenso tun. Sonst seien Wohlstand und Wachstum bedroht.
REUTERS/Brendan McDermid

Die nicht von der Hand zu weisenden Klimarisiken würden Anleger zwingen, ihre zentralen Annahmen über die moderne Finanzwirtschaft zu überdenken. Mittlerweile zeigten genügend Studien, darunter jene vom Weltklimarat IPCC, wie sich Klimarisiken gleichermaßen auf die Umwelt und die globale Finanzwirtschaft, die das Wirtschaftswachstum begleitet, auswirken. Die Fragen, die Fink dazu stellt:

- Werden Städte ihre dringend benötigten Infrastrukturprojekte noch finanzieren können, wenn Klimarisiken eine Umgestaltung des Marktes für Kommunalanleihen erzwingen?

- Wie geht es weiter mit 30-jährigen Hypotheken, einem wichtigen Baustein der Finanzwirtschaft, wenn Kreditgeber nicht mehr in der Lage sind, die Folgen von Klimarisiken über einen derart langen Zeitraum abzuschätzen?

- Was passiert, wenn es keinen funktionierenden Markt mehr für Hochwasser- und Brandschutzversicherungen gibt?

- Wie entwickeln sich die Inflationsraten und damit auch die Zinsen, wenn die Lebensmittelpreise infolge von Dürre und Überschwemmungen steigen?

- Wie lässt sich das Wirtschaftswachstum modellieren, wenn die Produktivität in den Schwellenländern aufgrund extremer Hitze oder anderer Klimaveränderungen sinkt?

Klimarisiko ist auch ein Anlegerrisiko

Bei Gesprächen mit Investoren ist das Klimarisiko laut Fink omnipräsent. "Von Europa bis Australien, von Südamerika bis China, von Florida bis Oregon: Überall fragen sich Anleger, wie sie ihre Portfolios anpassen sollen." Sie versuchten, die physischen Risiken des Klimawandels und die Auswirkungen der Klimapolitik auf Preise, Kosten und die Nachfrage in der gesamten Wirtschaft zu verstehen. All das führe dazu, dass es zu einer grundlegenden Neubewertung von Risiken und Vermögenswerten kommen werde. Weil die Kapitalmärkte künftige Risiken vorab einpreisen, "werden wir bei den Kapitalallokationen schneller Veränderungen sehen als beim Klima selbst", schreibt Fink. Und weiter: "Schon bald – und früher als von den meisten erwartet – wird es zu einer erheblichen Umverteilung von Kapital kommen."

Auch Blackrock wird bei seinem Investmentansatz die Nachhaltigkeit stärker ins Zentrum rücken. "Wir werden uns von Anlagen trennen, die ein erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellen, wie zum Beispiel Wertpapiere von Kohleproduzenten. Wir werden neue Anlageprodukte auf den Markt bringen, die Investments in fossile Brennstoffe ausschließen, und uns bei unseren Investment-Stewardship-Aktivitäten noch stärker für Nachhaltigkeit und Transparenz einsetzen."

Was macht der Staat?

Eine der wohl wichtigsten Fragen, die sich künftig stellen werden, sei jene nach Ausmaß und Umfang staatlicher Maßnahmen gegen den Klimawandel. Diese würden "ausschlaggebend dafür sein, wie schnell der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gelingen kann". Das spiele auch in das große Thema Infrastruktur hinein. Besonders hoch sei hier der Finanzierungsbedarf von Städten, denn viele Teile der kommunalen Infrastruktur – von Straßen über die Kanalisation bis hin zum öffentlichen Nahverkehr – seien für Toleranzen und Wetterbedingungen ausgelegt, die der neuen Klimarealität nicht Rechnung tragen. Um hier für bessere Finanzierungsmechanismen zu sorgen, hat Blackrock zusammen mit Frankreich, Deutschland und globalen Stiftungen die Climate Finance Partnership auf den Weg gebracht.

Fink spricht sich auch für mehr Offenheit und Transparenz aus. Er ermahnt die Chefs zu ihrer Verantwortung. Nur dann könnten Unternehmen dauerhaft Gewinn erwirtschaften. "Ein Pharmaunternehmen, das rücksichtslos die Preise anhebt, ein Bergbauunternehmen, bei dem die Sicherheit zu kurz kommt, eine Bank, die ihre Kunden nicht respektiert: Solche Unternehmen mögen kurzfristig ihren Gewinn maximieren. Aber wie wir immer wieder erleben, fallen Handlungen, die der Gesellschaft schaden, letztlich auf das Unternehmen zurück und vernichten Vermögenswerte für die Aktionäre."

Wenn ein Unternehmen wesentliche Belange nicht ernst nehme, sollte seine Führung laut Blackrock dafür zur Verantwortung gezogen werden. Im vergangenen Jahr hat Blackrock laut eigenen Angaben bei 4800 Beschlussvorlagen von 2700 Unternehmen gegen das Management votiert oder sich der Stimme enthalten. "Wenn wir der Meinung sind, dass Unternehmen und ihre Führungsgremien keine aussagekräftigen Nachhaltigkeitsinformationen bereitstellen beziehungsweise kein Rahmenwerk für den Umgang mit diesen Themen implementieren, werden wir die Unternehmensführung dafür zur Rechenschaft ziehen", fasst Fink zusammen. (Bettina Pfluger, 10.4.2024)