Heiliger Autochthonius, bitt' für uns und verschone uns vor allen Verächtern der Blasmusik!

Die Rache des ORF für die Enthüllung seiner Gehaltskultur bestand in der Einladung des ÖVP-Generalsekretärs zur Enthüllung seines Kulturgehalts. Die Enthüllung seines Gagengehalts hat er vor Armin Wolf mit einer Mannhaftigkeit verweigert, die im krassen Gegensatz zu der Hilflosigkeit stand, mit der er seines Parteiamtes waltete, der von seinem Chef der Republik verordneten Leitkultur jenes Minimum an Sinn abzugewinnen, um daraus wenigstens einen Wahlkampfgag zu destillieren, der den blauen Blut-und-Boden-Mystiker mehr als einen Lacher, ein paar Wähler, kostet. Dass man ihm seinen Versuch, sich als Beinahe-Sozialhilfeempfänger vom Gagenkaisertum ORF zu distanzieren, nicht durchgehen ließ, machte seine Argumentation kaum glaubwürdiger.

Aber einmal wurde er doch interessant, als er nämlich von der Tradition sprach, "aus der wir historisch kommen".

ZIB 2: ÖVP-Generalsekretär Stocker zur Leitkultur-Debatte
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker nimmt zu Vorwürfen Stellung, die ÖVP würde mit der angestoßenen Leitkultur-Debatte nach Wählern am rechten Rand fischen.
ORF

Heiliger Autochthonius, erleuchte die Mitglieder des Leitkulturkonvents, ihre kostbare Lebenszeit nicht auf den Bahnen der Tradition zu verschwenden, aus der die Volkspartei kommt. Die Republik hat Besseres verdient.

Was könnte Christian Stocker mit seinem Ausflug ins Historische wohl gemeint haben? Auf Sebastian Kurz als Traditionsstifter wird er sich kaum berufen, dafür ist noch zu wenig Gras über die Leitkultur der Message-Control gewachsen. Könnte er das christlich-soziale Element gemeint haben, das einst einen Teil der ÖVP beflügelte? Wohl kaum, seit die Partei ihre sozialen Energien vor allem in großzügige Corona-Hilfen, nicht zuletzt für die Immobilienbranche, fließen ließ und das Christliche an die Caritas abgab. Auch sozialpartnerschaftliche Traditionen könnte Stocker gemeint haben. Solche wurden in Österreich immerhin jahrzehntelang gelebt. Mit wechselnden Erfolgen, aber jedenfalls mit ansehnlicheren, als sie dem Land beschert wurden, seit es neu regiert wird.

In Wahlkampfnot

Heiliger Autochthonius, erbarme dich der Leitkulturleiterin Susanne Raab, denn sie weiß nicht, was sie tun soll, wenn der Chef in Wahlkampfnot selbsternannten, aber zugereisten Sittenwächtern einheimische Sittenwächter entgegenstellen will. Also hat sie Fachleute für Leitkultur – ja, die gibt es – zusammengetrommelt, die über Sinowatzens Resignationstheorem "Es ist alles kompliziert" allerdings noch nicht weit hinausgekommen sind. Also bitte auch hier Erleuchtung!

Jeder Österreicherin, jedem Österreicher soll ein Sittenwächter, eine Sittenwächterin innewohnen, als gäbe es nicht ohnehin schon die Freiheitliche Partei, die diese Leitkultur gründlich zu leben allzeit bereit wäre – jeder Leitkulturkatalog überflüssig. Zu dumm, dass das mit Karl Nehammers "Politik der Mitte" nicht ganz zusammenpasst. Noch nicht, aber das kann noch kommen.

Raab Nehammer im Parlament
Wollen eine österreichische "Leitkultur" definieren: ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab und Bundeskanzler Karl Nehammer.
Foto: Imago / Sepa Media / Martin Juen

Landluft der Dreißigerjahre

Worin besteht nun die Tradition, aus der Stocker die ÖVP historisch kommen sieht? Bisher Gezeigtes verrät am ehesten noch eine gewisse Sehnsucht nach der guten Landluft der Dreißigerjahre. In einer Zeit, in der die Welt in die Ära der Künstlichen Intelligenz aufgebrochen ist, ist nichts wichtiger als die Rettung der österreichischen Identität.

Und so verabschieden wir uns mit einem deutschen Wort, das der Tradition entspringt, aus der die Volkspartei und ihr derzeitiger Generalsekretär kommen: Gott schütze Österreich. (Günter Traxler, 6.4.2024)