Die Europäische Zentralbank EZB und die Frankfurter Bankenskyline spiegeln sich nach Sonnenuntergang im Main.
Die Zeichen für eine Leitzinssenkung stehen gut. Vor Juni werden die EZB-Währungshüter wohl aber nicht an der Zinsschraube drehen.
IMAGO/Florian Gaul

Wien – Kommende Woche werden die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) über den Leitzins beraten. Erwartet wird, dass es heuer zu Zinssenkungen kommen wird. Vor Juni dürften diese aber wohl nicht erfolgen. Bisher hat EZB-Direktorin Christine Lagarde immer betont, dass man im Vorfeld einer Zinssenkung die Konjunkturdaten genau prüfen werde. Von der konjunkturellen Seite kommen jetzt aber zarte Signale der Erholung, was die Hoffnung auf einen baldigen Zinsschritt nährt.

Die Wirtschaft im Euroraum ist wieder auf einen Wachstumskurs eingeschwenkt. Das vom Finanzhaus S&P Global berechnete Barometer für die Eurozone legte im März binnen Monatsfrist um 1,1 Punkte auf 50,3 Zähler zu. Es lag damit erstmals seit Mai 2023 wieder über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Das geht aus den am Donnerstag veröffentlichten finalen Daten der Umfrage unter rund 5.000 Industrie- und Dienstleistungsunternehmen hervor.

Industrieproduktion bleibt schwach

Dass es sich dabei nur um ein Miniwachstum handelte, lag laut S&P Global daran, dass das moderate Plus im Servicesektor vom anhaltend starken Rückgang der Industrieproduktion fast komplett neutralisiert wurde. "Im März hat die Inflationsdynamik sowohl bei den Einkaufs- als auch bei den Verkaufspreisen leicht nachgelassen. Das dürfte die EZB freuen", sagte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank (HCOB).

Auch die Erzeugerpreise sinken weiter und signalisieren der EZB auf dem Weg zu einer Zinswende nachlassenden Inflationsdruck. In der Industrie gingen sie im Februar um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück. In der Statistik werden die Preise der Produkte ab Fabriktor gelistet – also bevor diese weiterverarbeitet oder gehandelt werden. Sie gelten somit als früher Hinweisgeber für die Entwicklung der Verbraucherpreise.

Diese waren zuletzt mit einer Teuerungsrate von 2,4 Prozent nicht mehr weit vom Stabilitätsziel der EZB von zwei Prozent entfernt. "Der Weg für die erste Leitzinssenkung im Juni ist nunmehr klar vorgezeichnet", sagt Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann. Einige Währungshüter würden sich wohl bereits in der kommenden Woche für eine geldpolitische Lockerung aussprechen, fügte er mit Blick auf den Zinsentscheid am 11. April hinzu. Dabei würden Befürworter einer straffen geldpolitischen Linie, sogenannte Falken, aber noch die Oberhand behalten.

Über der Wachstumsschwelle

Die EZB besitzt laut Robert Holzmann, Chef der Oesterreichischen Nationalbank, erst im Juni die erforderliche breite Datenbasis, um über eine Zinswende zu entscheiden. Der April sei nicht auf seinem Radarschirm, weil es noch zu wenig harte Daten gebe, um eine solche Entscheidung zu treffen, sagte der Währungshüter, der dem Lager der Falken im EZB-Rat zugerechnet wird.

Zum etwas aufgehellten Konjunkturbild im Euroraum passt, dass die deutschen Dienstleister wieder wachsen. Der Einkaufsmanagerindex für den Servicesektor legte im März um 1,8 Punkte auf 50,1 Zähler zu, wie S&P Global zu seiner monatlichen Umfrage unter 400 Unternehmen mitteilte. Das ist der höchste Wert seit sechs Monaten. Das Barometer liegt damit knapp über der Wachstumsschwelle.

"Im deutschen Dienstleistungssektor gibt es im März so etwas wie einen Silberstreif am Horizont", sagte HCOB-Chefvolkswirt de la Rubia. "Insgesamt wirkt sich der Servicesektor stabilisierend auf die gesamte Wirtschaft aus." Allerdings dürfte das nicht ausreichen, um Deutschland vor einer Rezession zu bewahren: Das Bruttoinlandsprodukt sei im ersten Quartal wahrscheinlich zum zweiten Mal in Folge geschrumpft.

"Die Kosten steigen im Servicesektor immer noch recht stark an, allerdings wesentlich langsamer als im Vormonat", sagte de la Rubia, dessen Bank die Umfrage sponsert. "Dies deutet auf eine nachlassende Lohndynamik hin." Zugleich sei die Teuerungsrate bei den Angebotspreisen noch kräftiger. Das spreche dafür, dass der Wettbewerbsdruck unter den Branchenakteuren zunehme und deren Preissetzungsmacht abnehme. "Grundsätzlich sind das gute Nachrichten für die EZB, die sich zuletzt besonders um die Inflation im Dienstleistungssektor Sorgen gemacht hatte", sagte de la Rubia. "Dieser eine Monat wird aber nicht ausreichen, um die geldpolitischen Zügel bereits im April zu lockern." (Reuters, bpf, 4.4.2024)