Dieses Wochenende steigt in Innsbruck die bereits 27. Internationale Passivhaustagung. "Sanieren, aber richtig" lautet das Motto, im Fokus stehen folgerichtig energieeffiziente Sanierungen. Hunderte Passivhaus-Profis aus der ganzen Welt werden sich im Campus Technik der Universität Innsbruck über neueste Forschungsergebnisse, neue Haustechnik-Konzepte für hoch energieeffiziente Gebäude und Lösungen für Nicht-Wohngebäude austauschen, um nur ein paar der Themen aus dem Tagungsprogramm zu nennen. Im Rahmen einer Fachausstellung sind außerdem Passivhaus-Komponenten wie Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung, Produkte für Luftdichtheit, Fenster sowie Wand- und Dachkonstruktionen zu sehen.

In der Innsbrucker Karmelitergasse baut die Innsbrucker Immobiliengesellschaft gemeinsam mit Betreiber OeAD-WV gerade ein neues Passivhaus-Studierendenwohnheim. Es soll im Herbst 2025 eröffnet werden.
OeAD-WV

Von Darmstadt nach Innsbruck

Auch der "Erfinder" des Passivhauses, Wolfgang Feist, ist dabei, allerdings nur virtuell. Feist hat im Jahr 1991 in Darmstadt-Kranichstein das erste Passivhaus realisiert. Seine Idee war, das Konzept des Niedrigenergiehauses, das er von einem Studienaufenthalt in Schweden kannte, weiterzuentwickeln. Feist definierte dann die Obergrenze von 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²/a), mehr an Heizwärmebedarf durfte (und darf) ein Passivhaus nicht haben. Erreicht werden sollte das mit fünf wesentlichen Elementen: hervorragende Dämmung, Vermeidung von Wärmebrücken, Luftdichtheit, Dreifachverglasung bei Fenstern und eine kontrollierte Wohnraumlüftung.

Die Idee war ein Erfolg. Vor allem auch in Österreich, wo sich rasch eine sehr aktive Passivhaus-Szene bildete. Die IG Passivhaus wurde gegründet, sie lobbyierte für die Idee, die ja auch bestechend einfach klang: Alles, was man an Energie im Haus halten kann - Stichwort menschliche Abwärme -, muss man nicht von außen zuführen. Passive Heizung, passives Haus also. Die luftdichte Hülle und die Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung sorgten dafür, dass das funktionierte. Tausende Passivhäuser wurden in Österreich gebaut, die Alpenrepublik war Vorreiter. "Wir waren den anderen um eineinhalb Jahrzehnte voraus", sagt Günter Lang, ehemaliger Sprecher der IG Passivhaus, heute dazu.

Gegenwind kam auf

Doch die Idee wurde im Lauf der Zeit immer stärker bekämpft. Man könne die Fenster nicht mehr aufmachen, so lautete eines der Gegenargumente. Man müsse die Fenster ja auch gar nicht mehr aufmachen, antworteten die Passivhaus-Afficionados. Es sei trotzdem immer frische Luft im Haus, dank Komfortlüftung. Doch das Passivhaus sei teuer in der Errichtung, lautete das zweite Gegenargument, das vor allem von gemeinnützigen Bauträgern kam. Das war richtig, die anfänglichen zehn bis 20 Prozent an Mehrkosten wurden im Lauf der Zeit aber immer geringer.

Auch gemeinnützige Bauträger bauten dann immer mehr Passivhäuser, dank zusätzlicher Förderungen, die manche Länder dafür auf die Beine stellten. Vor allem in Tirol werden seit mehr als einem Jahrzehnt viele mehrgeschoßige Wohnhäuser als Passivhaus errichtet, und der größte Tiroler gemeinnützige Bauträger, die Neue Heimat Tirol (NHT), schwört auch heute noch darauf. Seit 2012 ist das Passivhaus ihr Baustandard. Im Jahr 2022 hat sie in Rum Europas größte Passivhaus-Plus-Wohnanlage fertiggestellt. Eine Anlage mit 132 Wohneinheiten, die ans Fernwärmenetz angeschlossen ist und über eine 150-Kilowatt-Peak-Solaranlage mit 440 Modulen ihren gesamten Strom, übers Jahr gerechnet, selbst erzeugt.

Doch schon im Jahr 2013 hatte der Gemeinnützigen-Verband eine Studie erstellen lassen, die zu dem Schluss kam, dass das "gut gebaute Niedrigenergiehaus" mit einem Heizwärmebedarf zwischen 30 und 40 kWh/m²/Jahr das kosteneffizienteste sei. Auch aus der Industrie wurde der Gegenwind immer schärfer, Konzepte wie das "Sonnenhaus" – nicht ganz so dicht, aber gespeist nur mit erneuerbarer Energie – wurden dem Passivhaus entgegengesetzt.

Vom Passivhaus zum "Passivhaus Premium"

Die Frage war berechtigt: Wenn nur erneuerbare Energien im Spiel sind, sollte die Gebäudehülle nicht mehr ganz so wichtig sein. Doch halt, natürlich sei beides wichtig, antwortete die Passivhausszene.

Johannes Kislinger, früherer IG-Passivhaus-Obmann, ist schon lange davon überzeugt, dass die Reise in Richtung Plusenergie-Häuser gehen muss. Also zu Häusern, die nicht nur keine externe Energiezufuhr mehr brauchen, sondern mehr Energie erzeugen, als sie benötigen. Kislinger hat die IG Passivhaus vor einigen Jahren zum Verein "Innovative Gebäude" umgebaut, der Name Passivhaus war da dann also schon mal weg. "Wir glauben nach wie vor an die Idee des Passivhauses", sagt er heute. Letztlich sei es aber egal, wie man es nenne - "wichtig ist, dass es gut gebaut ist". Von "Passivhaus Plus" oder "Passivhaus Premium" ist heute auch im Passivhaus Institut die Rede.

Die IG Passivhaus gibt es nicht mehr, sie hat sich einst aufgespalten in eine "Passivhaus Austria", die nach wie vor eng an das Darmstädter Passivhaus-Institut angedockt ist (es richtet auch die Passivhaustagung aus), und eben den Verein "Innovative Gebäude". Auch diesen gibt es seit kurzem allerdings nicht mehr; man "fusionierte" mit der ÖGNB, der "Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen". So könne man "Kräfte besser bündeln", sagt Kislinger.

Er ist selbst Architekt in Niederösterreich (AH3 Architekten) und als solcher stark fokussiert auf nachhaltiges Bauen, das aber eben aus seiner Sicht heute viel weiter gehen muss: Nachhaltige Siedlungsentwicklung, Anergienetze gespeist mit erneuerbaren Energien, und Bauen ohne Boden. Das Passivhaus sei schon noch wichtig, aber eben nur als eine von vielen wichtigen Komponenten.

Neue Kennzahl GWP

Entscheidend werde künftig zudem die neue Kennzahl GWP sein, das für "Global Warming Potential" steht, sagt Kislinger. EU-Vorgaben sorgen dafür, dass sie sich wohl rasch durchsetzen wird. Es könnte wieder die einfach zu verstehende Kennzahl werden, die das Passivhaus anfangs auszeichnete: Bei 15 kWh/m²/a lag die Grenze, das war auch für Laien einfach zu verstehen. Dann kam der Gesamtenergieeffizienzfaktor (fGEE), und es wurde kompliziert. Das räumt auch Kislinger ein. Er verweist auf Dänemark, wo die neue Kennzahl nun schon voll angekommen sei. "Sie ist relativ einfach zu berechnen, aber leider ist das noch nicht standardisiert." Daran arbeite man gerade.

Kislinger wird gar nicht auf der Passivhaustagung sei, der ehemalige IG-Sprecher Günter Lang nur am Rande: Sein "Passathon", die Radtour, die an Passivhäusern vorbeiführt, findet am Sonntag in Innsbruck statt. Seit 2019 macht er das quasi als Privatinitiative. Vom Passivhaus-Institut, das nach wie vor von Feist dominiert wird, hat er sich entfernt. Von der Idee aber nicht: "Die ist immer noch genial." (Martin Putschögl, 5.4.2024)