Im Osten Niederösterreichs, im Norden des Burgenlandes und im Westen Ungarns ist kein Fluss so prägend wie die Leitha. Das Gerinne gibt dem langgezogenen Leithagebirge ebenso den Namen wie dem hellweißen Leithakalk. Gemeinden und Orte wie Bruck, Götzendorf, Neufeld, Trautmannsdorf oder Wimpassing liegen "an der Leitha". Dass hier der Fluss das Sagen hat, zeigt sich in der Bezeichnung Transleithanien und Cisleithanien. Letzterer steht – vereinfacht – für das heutige Österreich, Transleithanien wiederum deckt den östlichen Teil Österreich-Ungarns ab, also Ungarn. Diese Begriffe wurden in der Monarchie ab 1867 verwendet. "Damit wird auch auf ihre jahrhundertelange Grenzfunktion zwischen den Babenberger beziehungsweise habsburgischen Erblanden und dem Königreich Ungarn hingewiesen", erläutern einleitend Wolfgang Fingernagel und Manfred Pregartbauer in ihrem Buch "Lebensader Leitha – Eine Flussbiographie" die historische Bedeutung des 180 Kilometer langen Flusses im Osten Österreichs.

Die Geschichte der Leitha in Geschichten

Der Ursprung der Leitha ist kein einfacher. Zu suchen ist er in der Au von Haderswörth. Die Leitha besteht – frei nach dem Satz "Die Schwarza und die Pitten nehmen d' Leitha in die Mitten" (Seite 12) – aus den beiden erwähnten Flüssen, die sich im Gemeindegebiet von Lanzenkirchen zur Leitha vereinigen, die nach 180 Kilometer in Ungarn bei Mosonmagyaróvár in die Kleine Donau mündet. Bis inklusive Seite 23 erklären der Publizist Fingernagel und der Informatiker Pregartbauer in einem Flussporträt den Lauf der Leitha in kompakter Form. Den Hauptteil des Buches machen einzelne Kapitel aus, die sich wie Perlen aneinanderreihen.

Thematisiert werden hier Orte und deren Geschichten, ebenso wie historische Momente, wie die Schlacht an der Leitha vom 15. Juni 1246. In der damaligen Auseinandersetzung zwischen dem Ungarn Béla IV. und dem Babenberger Herzog Friedrich II. siegten zwar die Österreicher, doch Herzog Friedrich II. starb. So erlosch mit seinem Tod auch die Herrschaft der Babenberger. Weitere Themen sind unter anderem dem Leithagebirge, dem Truppenübungsplatz Bruckneudorf oder der Geschichte der Braunkohlenutzung rund um den Neufelder See gewidmet. Sie alle bringen detailreich und gut aufbereitet Fakten, die in einer "Kleine[n] österreichisch-ungarischen Beziehungsgeschichte", wo es um die Bedeutung der Leitha als Grenzfluss geht, enden.

Der Fluss Leitha in Ungarn
Der Fluss Leitha in Ungarn
Die Leitha, hier in Mosonmagyaróvár, heißt in Ungarn Lajta. Sie mündet hier in die Kleine Donau.
Thomas Hofmann

Unbekanntes zwischen Katzelsdorf und Mosonmagyaróvár

Jene Kapitel, die sich mit Orten befassen, erweisen sich als gut recherchierte Fundgruben, die interessantes Insiderwissen vermitteln. So weilte in Katzelsdorf von 9. bis 20. April 1945 Karl Renner und arbeitete an den Aufbauplänen für die Zweite Republik, wodurch das dortige Schloss Eichbüchl zum Gründungsort der Zweiten Republik wurde. In diesem Ort baute auch der Vorarlberger Künstler Edwin Lipburger sein Kugelhaus. 1976 rief er dann die "Republik Kugelmugel" aus. Es folgte nach einer Verurteilung mit Gefängnisstrafe eine Begnadigung schließlich – nach dem Plazet des damaligen Wiener Kulturstadtrats Helmut Zilk – die Versetzung des Hauses in den Wiener Prater.

In Mosonmagyaróvár, heute ein Mekka für Zahnärzte, stößt man auf die historische Bedeutung der Stadt am landwirtschaftlichen Bildungssektor. Die 1818 gegründete "Landwirtschaftliche Bildungslehr-Anstalt" nennt unter ihren Schülern (1822/23) auch den Dichter Nikolaus Lenau. Später unterrichtete in der ab 1850 zur "Höheren landwirtschaftlichen Reichsanstalt" aufgewerteten Schule auch Friedrich Haberlandt. Dieser ging 1872 nach Wien an die neu gegründete Hochschule für Bodenkultur, wo er als Pionier des Sojaanbaus Weltruhm erlangte.

Die Leitha, "stets an den Rand gedrängt"

Heinz Wiesbauer, seines Zeichens Ziviltechniker für Landschaftsplanung und -pflege, beginnt die Einleitung seines reich bebilderten Buches "Von Schwarza und Leitha – Eine ungewöhnliche Flussgeschichte" mit einem historischen Zitat von Friedrich Uhl (1868). "Ich hätte z.B. vorgestern es kaum wagen dürfen von der Leitha zu sprechen. Es gab ganz einfach gar keine Leitha. […] Heute gibt es wieder eine Leitha; es hat stark und anhaltend geregnet in den Alpen und die nasse Grenze ist wieder zwischen uns und unsern Nachbarn hergestellt." Damit wird auch der Charakter des Buches bestimmt, der eine umfassende, exzellent recherchierte Geschichte des Flusses samt Naturraum darstellt, mit einem Schwerpunkt auf historischem Kartenmaterial. Zunächst geht es um die Geologie von Schwarza, Pitten und Leitha samt deren buntem Einzugsgebiet (Seite 14f.). Hier erfährt man auch etwas über die Richtungsänderung der Leitha, die zunächst bei Fischamend in die Donau floss.

Handkolorierte Karte
Handkolorierte Karte
Handkolorierte Karte (ca. 1850) mit Bruck. Die "Leytha" bildet die Ostgrenze des "Erzherzoghtums Oesterreich".
GeoSphere Austria

Hydrologie und wasserbauliche Eingriffe

Ausführlich werden auch die frühen Nutzungen der Gewässer behandelt, die neben Wasserkraft auch, wie im Falle des Kehrbaches, der Wasserentnahme dienten. Ebenso werden die Holztrift und der Wiener Neustädter Kanal hier beleuchtet. Im Kapitel Hydrologie (Seite 71) werden neben den Versickerungen der Leitha auch außergewöhnliche Hochwässer (Seite 84) mit wissenschaftlicher Exaktheit angeführt. Ausführungen über wasserbauliche Eingriffe, verbunden mit den Veränderungen der Flusslandschaft auf der einen Seite und Revitalisierungsmaßnahmen auf der anderen Seite, zeigen jenes Spannungsfeld auf, in dem sich viele Flüsse befinden.

Die Leitha ist Teil eines von der EU geförderten Life-Projekts, das bis 2027 läuft. Zum einen geht es um die Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen, zum anderen ist die Eigendynamik des Flusses ein Thema. Fischaufstiegshilfen sollen die freie Wanderung der Fische wieder ermöglichen.

Fazit: "Lebensader Leitha" von Fingernagel und Pregartbauer erweist sich als Lesebuch, im wahrsten und besten Sinn des Wortes. "Von Schwarza und Leitha" von Wiesbauer ist eine verständliche wissenschaftliche Darstellung, die mit reichem historischem Bild- und Kartenmaterial samt Glossar, in dem jeder Flussabschnitt im Detail erklärt wird, überzeugt. (Thomas Hofmann, 19.4.2024)