Ein Minus von 18 Prozent im März: Die Zahl der offenen Stellen sank zuletzt erheblich im Jahresvergleich, wie aktuelle Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) offenbaren. Aber ist das nur Ausreißer, oder steckt doch mehr dahinter? Ein Blick in die vergangenen Monate zeigt jedenfalls unmissverständlich: Die Zahl der offenen Stellen sinkt – und zwar erheblich. Seit April 2023 lag der Rückgang der Stellenausschreibungen beim AMS im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat ununterbrochen im zweistelligen Prozentbereich. Waren es im März des Vorjahres etwa noch rund 113.000 ausgeschriebene Stellen, sind es dieses Jahr nur noch 92.000. Doch wie kommt es dazu? Schlägt die Wirtschaftsflaute mittlerweile auf den bislang resilienten Arbeitsmarkt durch?

Ein Einwand, der auf der Hand liegt, ist jedenfalls schon einmal die Herkunft der Quellen. Denn beim AMS ist nur erfasst, was auch offiziell gemeldet wird. Auf diesen Umstand verweist auch Rainer Eppel. Demnach lag die sogenannte Meldequote, die sich aus den Zahlen des AMS und aus jenen der Statistik Austria zusammensetzt, 2022 bei 64,7 Prozent. "Man kann also sagen, dass rund zwei Drittel der offenen Stellen auch gemeldet werden", fasst der Arbeitsmarktökonom des Wifo zusammen. Die AMS-Zahlen seien zwar verlässlich, bildeten aber nur einen Ausschnitt ab.

Höhere Zahlen, ähnlicher Rückgang

Deutlich höher fallen die Zahlen beim Stellenmonitor des ÖVP-Wirtschaftsbundes aus. Die mittels eines eigenen Softwareprogramms erhobenen Arbeitsmarktzahlen weisen demnach für März rund 185.000 offene Stellen aus. Doch auch bei den Wirtschaftsbund-Daten zeigt sich ein merklicher Rückgang. Im März des Vorjahres lag die Zahl mit 215.000 noch rund 14 Prozent höher. Auch wenn also die absoluten Zahlen unterschiedlich hoch ausfallen, das Minus der offenen Stellen ist vergleichbar. So verzeichnete der Stellenmonitor zwischen Juli und Dezember 2023 – mehr vergleichbare Zahlen gibt es aktuell nicht – einen monatlichen Rückgang zwischen 13 und 25 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat.

Was aber steckt hinter dem Rückgang? Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Zum einen wäre da die eingetrübte Konjunktur, wodurch weniger Stellen ausgeschrieben werden. Erst kürzlich wurden die Wirtschaftsprognosen noch einmal heruntergeschraubt. Einen Aufschwung dürfte es wohl frühestens in der zweiten Jahreshälfte geben, sagt Rainer Eppel. "Sollte die Europäische Zentralbank die Zinsen senken, könnte das die Investitionsnachfrage beleben." Auf den Arbeitsmarkt dürfte sich das dann zeitverzögert 2025 auswirken, so der Arbeitsmarktökonom. Denn der Arbeitsmarkt folge der Konjunktur immer erst nach und nach.

"Viele Unternehmen werden versuchen, die erhöhte Auftragslage mit bestehendem Personal zu stemmen", vermutet Eppel. Dementsprechend zögerlich zeigten sich viele Betriebe aktuell auch beim Personalabbau. Eine Beobachtung, die neben AMS-Chef Johannes Kopf auch Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger (ÖVP) teilt. "Ein Betrieb, der nicht unbedingt Mitarbeiter freisetzen muss, tut das auch nicht." Alles andere sei aus unternehmerischer als auch aus Sicht der sozialen Verantwortung wenig sinnvoll, sagt Egger.

Sticker auf einer Fensterscheibe, wonach Mitarbeiter gesucht werden.
Zuletzt zeigte sich die Zahl der offenen Stellen rückläufig. An Arbeitskräften fehlt es aber dennoch an allen Ecken und Enden.
IMAGO/Müller-Stauffenberg

Absinken von hohem Niveau aus

Und dennoch: Langsam, aber stetig folgt der Arbeitsmarkt der angespannten Wirtschaftslage. "Das zeigt sich am Anstieg der Arbeitslosigkeit ebenso wie am Rückgang der offenen Stellen", erklärt Wifo-Ökonom Eppel. Und auch Egger pflichtet bei: "Man spürt, dass es in den letzten Wochen bei den Unternehmen die eine oder andere Korrektur gegeben hat."

Doch auch abseits der aktuellen Wirtschaftslage gibt es eine Erklärung für das Minus bei den offenen Stellen. Diese lässt sich aus den Arbeitsmarktzahlen ablesen – unabhängig davon, ob sie nun vom AMS, von der Statistik Austria oder dem Wirtschaftsbund erhoben werden. Denn sie alle zeigen dasselbe: Der aktuelle Rückgang vollzieht sich von einem hohen Niveau aus. Die prozentuellen Veränderungen von 2023 haben die Rekordwerte von 2022 als Basis, als die Zahl der offenen Stellen gemäß einer AMS-Erhebung jenseits der 120.000 lag. Jene von 2024 beziehen sich auf die immer noch hohen Ausgangswerte von 2023.

Veranschaulicht werden kann das am besten anhand der aktuellsten Zahlen vom März. Denn im März 2019, noch vor den multiplen Krisen, lag die Zahl der offenen Stellen bei rund 77.000 laut AMS-Erhebung. Bis 2022 kletterte der Wert auf 124.000, ehe er 2023 auf 113.000 und im März 2024 schließlich auf rund 92.000 sank. Kurzum: Die Zahl der offenen Stellen sinkt zwar, verharrt aber auf hohem Niveau.

Im Monatsvergleich ist sie jedoch bereits wieder im Begriff zu steigen, wie Wirtschaftsbund-Chef Egger hervorstreicht. Zudem dürfe man den Blick in die Zukunft nicht vergessen. "Konservativ geschätzt liegt der zusätzliche Bedarf an Arbeitskräften bis 2040 bei weiteren 250.000, unabhängig von jeder konjunkturellen Lage." (Nicolas Dworak, 3.4.2024)