Die Table Waltz Tourbillon ist die dritte Tischuhren-Edition der österreichischen Marke Carl Suchy & Söhne.
Die Table Waltz Tourbillon ist die dritte Tischuhren-Edition der österreichischen Marke Carl Suchy & Söhne.
Carl Suchy & Söhne

Was kommt einem spontan im Zusammenhang mit Tischuhren in den Sinn? Herrschaftliche Landsitze mit hohen Decken, holzvertäfelten Wänden und einem Kamin, auf dessen breitem Sims eine goldene, leicht angestaubte Großuhr aus dem Biedermeier vor sich hin tickt. Oder die Tischuhr auf der Kredenz im Wohnzimmer der Großeltern, sorgsam auf einem bestickten Deckchen platziert, die der Opa noch jeden Tag behutsam von Hand aufzieht.

Uhrmacherin Therese Wibmer verdanken wir das erste österreichische Tourbillon seit mindestens hundert Jahren.
Uhrmacherin Therese Wibmer verdanken wir das erste österreichische Tourbillon seit mindestens hundert Jahren.
Carl Suchy & Söhne

Die Tischuhr scheint, mehr noch als die mechanische Armbanduhr, ein Anachronismus in unserer durchdigitalisierten Zeit zu sein. Und dennoch findet sie nach wie vor Anklang. "Als ich vor über zwölf Jahren mit der Idee daherkam, eine Tischuhr bauen zu lassen, haben mir meine Geschäftspartner gesagt: 'Viel Glück. Wenn du nur eine davon ­verkaufst, gratulieren wir dir'", erinnert sich Robert Punkenhofer.

Tanz der Mechanik

Der Kulturmanager ist Miteigentümer von Carl Suchy & Söhne, einer bis vor wenigen Jahren mausetoten altösterreichischen Uhrenmarke, die er gemeinsam mit potenten Finanziers wieder zum Leben erweckt hat. Neben Armbanduhren baut man seit 2022 auch Tischuhren. Für Punkenhofer ein logischer Schritt, war Suchy neben seinen Taschenuhren doch vor allem für seine Großuhren bekannt. "Von der ersten Edition der Table Waltz, limitiert auf zehn Exemplare, haben wir bereits alle verkauft", sagt Punkenhofer nicht ohne Stolz. Von der zweiten seien noch einige wenige übrig. Nun kommt die dritte Serie auf den Markt, die "Table Waltz Tourbillon".

Ein UFO, ein "Unidentified Floating Object", liefert Ulysse Nardin.
Ulysse Nardin

Während man bei den Armbanduhren auf Schweizer Know-how setzt, ist die Tischuhr ein Produkt "made in Austria". So ist die niederösterreichische Uhrmachermeisterin Therese Wibmer für deren mechanisches Innenleben verantwortlich. Sie entwickelte das scheinbar schwebende Stabwerk der Table Waltz. Man sieht den in Handarbeit gefertigten Einzelteilen des Werks – Platinen, Zapfen, Trieben – und vor allem den durchbrochenen Zahnrädern gerne bei der Arbeit zu. Sie schaffen durch ihre Drehungen tatsächlich fortlaufend neue Muster.

L'Epée 1839 huldigt mit La Regatta, einer schlanken, vertikalen Tischuhr, dem Rudersport.
L'Epée 1839 huldigt mit La Regatta, einer schlanken, vertikalen Tischuhr, dem Rudersport.
L'Epée 1839

Nun wird dieses Schauspiel noch durch ein Tourbillon ergänzt. Für Uhrmacherinnen und Uhrmacher ist diese besondere Art der Hemmung eine Herausforderung: "Ein Tourbillon schüttelt man nicht eben so aus dem Ärmel", sagt Therese Wibmer. "Zum Glück stand mir mein Vater zur Seite." Der musste für sein Meisterstück damals noch ein Tourbillon bauen. Ohne seine Hilfe hätte sie es nicht geschafft, gibt sie zu. Das Ergebnis ist das erste österreichische Tourbillon seit mindestens hundert Jahren.

Ästhetische Weiterentwicklung

Das zylindrische Glas­gehäuse der Atmos Infinite von Jaeger-LeCoultre stellt den speziellen Mechanismus der Uhr in den Mittelpunkt.
Das zylindrische Glas­gehäuse der Atmos Infinite von Jaeger-LeCoultre stellt den speziellen Mechanismus der Uhr in den Mittelpunkt.
Jaeger-LeCoultre

Auf zwölf Uhr dreht sich der aus fünfzig in Handarbeit gefertigten Einzelteilen bestehende, rund drei Zentimeter große Mechanismus um die eigene Achse. Ein hypnotisierender Anblick. Möglicherweise ist das mit ein Grund, warum die Tischuhr begeistert: "Menschen möchten etwas Lebendiges, etwas mit Seele um sich haben", philosophiert Therese Wibmer. Die Tischuhr sei ein Objekt mit Sinn, gibt wiederum Catherine Rénier, Chefin von Jaeger-LeCoultre, gegenüber der "Financial Times" zu Protokoll. Eines, das sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neu erfunden hat.

Mit der Atmos hat Jaeger-LeCoultre seit 1928 eine Ikone unter den Tischuhren im Programm. Sie bezieht ihre Energie aus winzigen Schwankungen der Raumtemperatur. Dieser mysteriös anmutende, "atmende" Mechanismus wurde immer wieder neu verpackt. Auch Marc Newson durfte des Öfteren ran. Der Stardesigner schuf etwa mit der Atmos 568 einen transparenten, minimalistischen Klassiker, der so gar nichts mehr mit der Tischuhr im Wohnzimmer der Großeltern zu tun hat.

Althergebrachtes cool präsentiert

Ebenso wenig wie die Table Waltz mit den historischen Uhren von Carl Suchy. Gestaltet hat den knapp über 25 Zentimeter großen Zeitmesser in einem mattschwarzen, konischen Gehäuse der österreichische Designer Rainer Mutsch.

Die Orb von MB&F präsentiert sich mal als Kugel, mal als Blüte.
Die Orb von MB&F präsentiert sich mal als Kugel, mal als Blüte.
MB&F

Gegen die Kreationen der Schweizer Konkurrenz wirken Atmos und Table Waltz aber geradezu brav. Während sich die Orb, erdacht von Maximilian Büsser and Friends in Kooperation mit L'Epée 1839, einmal als Kugel und einmal als "Blüte" präsentiert, sind die anderen Kreationen der beiden Häuser deutlich wilder. In Spinnenform lauert "Arachnophobia" in der Ecke, "Balthasar" er­innert an den Terminator, und "Starfleet" scheint einem Sci-Fi-Film entsprungen zu sein. Kritisch könnte man anmerken, dass es sich dabei um alten Wein in neuen Schläuchen handelt. Althergebrachte und bewährte Mechanik, ja, aber auch sehr cool präsentiert. (RONDO, Markus Böhm, 8.4.2024)