Die Spielfläche samt Laufbahn des Happel-Stadions soll ebenfalls temporär überdacht werden können. Geplant ist ein zusätzliches mobiles Dach. Die Ausschreibung für einen Totalunternehmer wird von der Architektenkammer aber heftig kritisiert.
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Die Stadt Wien hat sich dazu entschieden, erneut kräftig in das altehrwürdige Happel-Stadion zu investieren. Ein Neubau eines modernen Fußball-Nationalstadions am Standort im Wiener Prater ist damit praktisch kein Thema mehr. Die groben Pläne für das Prater-Oval wurden im September 2023 präsentiert: Diese sehen als Kernstück den Bau eines zusätzlichen mobilen Dachs für eine Komplettüberdachung vor. Damit soll eine Ganzjahresnutzung vor allem mit Konzerten und anderen Großevents erreicht werden. Für die Sanierung und Modernisierung des Stadions hat der Wiener Gemeinderat im November vorerst insgesamt 101 Millionen Euro genehmigt. Rund die Hälfte dieses Betrags ist für das neue Dach vorgesehen.

Bereits am 8. Dezember erfolgte der Startschuss: Die Stadt suchte per Ausschreibung einen Totalunternehmer, der Planung und Bau des Großprojekts durchführt. An der gewählten Vorgangsweise übte die Architektenkammer aber am Dienstag erneut massive Kritik. Mit einem Totalunternehmer nehme die Stadt "ohne Not höhere Kosten in Kauf", sagte Bernhard Sommer, der Präsident der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Sommer verwies darauf, dass der Generalunternehmer zwar das Bauherrenrisiko übernehme – aber nicht kostenlos: Üblich sei ein Aufschlag von bis zu 25 Prozent. Zudem werde der Bieterkreis im Verfahren extrem eingeengt.

Schon im Jänner hatte die Architektenkammer von einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" der Stadt gesprochen und die ihrer Ansicht nach zu kurze Ausschreibungsfrist für das neue Dach gerichtlich bekämpft. Das Landesverwaltungsgericht hat aber im Februar "die Korrektheit der Ausschreibung festgestellt", wie es aus dem Ressort des zuständigen Sportstadtrats Peter Hacker (SPÖ) hieß. Die Einsprüche von Mitgliedern der Architektenkammer seien zurückgewiesen worden. Rechtsanwalt Sandro Huber, der die Kammer vertritt, bestätigte auf Nachfrage, dass der Nachprüfungsantrag nicht zugelassen worden sei. Beim Verfassungsgerichtshof sei aber "noch etwas anhängig", sagte er: Konkret wird laut Sommer die Antragslegitimation vom Höchstgericht geprüft. An der Kritik daran, dass die Stadt nur einen Totalunternehmer suche, statt den Weg über Einzelvergaben zu gehen, bleibt Sommer: Nur bei einer Trennung von Planung und Bau des Großprojekts sei die Qualitätssicherung gewährleistet.

Im Büro von Sportstadtrat Hacker wird hingegen die "Verunsicherungstaktik" der Architektenkammer moniert. Der Zeitplan hat sich demnach verzögert, mögliche Bieter seien verschreckt worden. Auch Kostensteigerungen werden offen befürchtet. Verteidigt wird die Suche nach einem Totalunternehmer statt Einzelvergaben: Die Aufgabenstellung, das Spielfeld samt Laufbahn des Happel-Stadions temporär zu überdachen, sei eine "ingenieurtechnische Herausforderung", bei der jeder Schritt auf den anderen abgestimmt sein müsse. Bei Einzelvergaben gebe es ein hohes Risiko, "dass das mobile Dach bei Mängeln einzelner Teile nicht funktioniert und sich die Errichtung verzögert und damit verteuert".

Vom Sportstadion primär zur Konzertarena

Noch steht jedenfalls nicht fest, wer die Ausschreibung gewonnen hat. Ein Sprecher von Hacker verweist darauf, dass man noch auf das schriftliche Urteil des Landesverwaltungsgerichts warte. Damit sei in den nächsten Wochen zu rechnen. Nicht beantworten könne man vorerst aber Fragen, wann das wandelbare Dach realisiert sein soll.

Fest steht aber, dass mit der Komplettüberdachung des 1931 eröffneten Stadions der Wandel vom Sportstadion zur ganzjährigen Konzertarena vorangetrieben werden dürfte. Immerhin sei das Happel-Stadion mit seiner Laufbahn als Konzertarena in Wien unverzichtbar, sagte Hacker bereits im Vorjahr. Da pilgerten zu sieben Großkonzerten rund 373.500 Besucher ins Prater-Oval. Im heurigen Open-Air-Sommer mit aktuell neun terminisierten Konzerten wird der Besucherrekord wohl erneut gesprengt: Die drei Konzerte von US-Superstar Taylor Swift sowie die vier Gigs der britischen Band Coldplay im August waren binnen kürzester Zeit ausverkauft. Die australischen Altrocker AC/DC schrammeln Ende Juni bei zwei Konzerten im Happel-Stadion, es gibt nur noch wenige Restkarten. Ein behördliches Jahreslimit für Konzerte im Stadion gibt es übrigens nicht.

Fußball gespielt wird aber auch noch: Am 4. Juni treffen sich die EM-Starter Österreich und Serbien in einem Vorbereitungsspiel in aller Freundschaft. Laut der städtischen Wiener Sportstätten Betriebsgesellschaft, die auch das Happel-Stadion betreibt, würden die Konzerte im Stadion "de facto die Sportveranstaltungen finanzieren".

Neben dem neuen mobilen Dach ist als weitere Umgestaltungsmaßnahme beim Happel-Stadion eine riesige Photovoltaikanlage mit bis zu 11.000 Modulen geplant. Diese soll auf dem denkmalgeschützten bisherigen Dachring umgesetzt werden. Vorarbeiten starten schon heuer, die Installation der Module ist dann für 2025 vorgesehen. Auch Erdsonden und Erdkollektoren auf dem Areal der Trainingsplätze beim Stadion sind geplant: Von den 270 Bohrungen seien rund die Hälfte bereits durchgeführt worden, sagte ein Sprecher von Hacker zum STANDARD. Ziel sei, das Happel-Oval zum ersten energieautarken Stadion zu machen. (David Krutzler, 2.4.2024)