Graz – Es kommt Bewegung in den Grazer Gemeinderat, den seit Jahren ein freiheitlicher Finanzskandal beschäftigt. Der Ex-FPÖler Roland Lohr hat sein Mandat im Stadtparlament zurückgelegt. Entsprechende STANDARD-Informationen hat der Grazer Magistrat am Freitag bestätigt. Offen ist aktuell die spannende Frage, wer den freigewordenen Platz im Gemeinderat übernimmt: Denn die einstige FPÖ-Liste ist mittlerweile aufgespalten in Freiheitliche, die als Beschuldigte geführt werden, und Vertreterinnen und Vertreter des Korruptionsfreien Gemeinderatsklubs Graz (KFG).

Zunächst zu Lohr: Auch er wird im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft zur blauen Causa als Beschuldigter geführt. Es geht um insgesamt rund 1,8 Millionen Euro mutmaßlich veruntreutes Fördergeld im Zeitraum von 2014 bis 2021. Die Vorwürfe betreffen auch hohe Zahlungen an den ehemaligen blauen Vizebürgermeister Mario Eustacchio und seinen damaligen Klubchef Armin Sippel. Lohr war infolge des Skandals aus der FPÖ ausgetreten. Die genannten Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Eustacchio hätte Anspruch auf Mandat

Doch die Causa um die blauen Klubgelder ist nicht Lohrs einziges Problem: Im Zuge der Ermittlungen in Graz war bei ihm nationalsozialistische Propaganda gefunden worden, ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das NS-Verbotsgesetz wurde eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gibt auf STANDARD-Anfrage bekannt, dass sie in der Sache einen Vorhabensbericht an das Justizministerium geschickt habe. Die Ermittler haben sich also für oder gegen eine Anklage beziehungsweise Diversion ausgesprochen, das Ministerium kann das Vorhaben nun genehmigen oder ablehnen. Ob eine etwaige Anklage den Ausschlag für Lohrs Rücktritt gegeben hat, wollte sein Anwalt nicht bekanntgeben – er verweigerte jegliche Stellungnahme.

Mario Eustacchio
Mario Eustacchio wird als Erster gefragt, ob er das freigewordene Gemeinderatsmandat annehmen will.
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Politisch interessant ist nun die Frage des freigewordenen Mandats. Gemäß Wahlordnung steht es jenen Kandidatinnen und Kandidaten der FPÖ-Wahlliste zu, die aktuell kein Mandat haben. Die Personen werden entsprechend der Reihung auf dem Wahlzettel gefragt. Das heißt: Mario Eustacchio, der seinen Sitz infolge des Skandals zurückgelegt hatte, könnte wieder in den Gemeinderat zurückkehren. Ob er das tun wird, blieb am Freitag offen. Eustacchio war für den STANDARD nicht erreichbar.

KFG-Stadträtin könnte in den Gemeinderat

Auf dem zweiten Listenplatz hinter Eustacchio kandidierte der einstige Klubchef Armin Sippel, auch er war nicht erreichbar. Sollten sowohl Eustacchio als auch Sippel auf das Mandat verzichten, bekommt der KFG-Klub der Ex-FPÖler Zuwachs: Als Nächste würde nämlich Claudia Schönbacher gefragt, die aktuell für den KFG einen Stadtratsposten innehat. Diesen könnte sie auch zusätzlich zum Gemeinderatsmandat behalten.

"Selbstverständlich werde ich die Verantwortung wahrnehmen und – sollte ich in den kommenden Tagen offiziell gefragt werden – das Gemeinderatsmandat annehmen", lässt Schönbacher in einem Statement verlauten. Sie fände es "fatal", wenn Eustacchio oder Sippel in den Gemeinderat zurückkehren würden. Das zusätzliche Gehalt für das Gemeinderatsmandat würde sie spenden, kündigt Schönbacher an. (Sebastian Fellner, 29.3.2024)