Soldaten der Garde des Bundesheers
Im Bundesheer baut man derzeit eine Ombudsstelle für vertrauliche Meldungen bei mutmaßlichen Übergriffen und Fehlverhalten auf.
APA/ROLAND SCHLAGER

Der Fall hatte vor eineinhalb Jahren für einige Wellen gesorgt. Martin Jawurek, damals Militärkommandant von Niederösterreich, wurde von einer Mitarbeiterin eines sexuellen Übergriffs beschuldigt. Der Brigadier soll sie bei einer Feier in der Hesserkaserne in St. Pölten zu späterer Stunde in einen abgedunkelten Raum gelockt haben. Dort kam es zum Geschlechtsverkehr. Laut Jawurek war er einvernehmlich. Die Anklage warf dem Offizier aber vor, sein Autoritätsverhältnis ausgenützt zu haben. Demnach soll er gegenüber der Mitarbeiterin offensiv auf eine von ihr angestrebte Versetzung angespielt haben, bevor es zum Geschlechtsverkehr kam.

Jawurek musste sich vor Gericht wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung verantworten und wurde im Oktober von der Richterin freigesprochen – im Zweifel, wie diese betonte. Für eine Verurteilung sei insgesamt zu wenig vorgelegen. Der Freispruch ist rechtskräftig.

Ab Montag Leiter der Militärstrategie

Wie der "Kurier" am Mittwoch berichtet hat, bekommt Jawurek nun einen prestigereichen Spitzenjob im Ressort: Er wird Leiter der Abteilung Militärstrategie im Verteidigungsministerium – und das schon mit 1. April, also kommenden Montag. Das Ressort bestätigt dem STANDARD Jawureks Jobwechsel nach dem Osterwochenende.

Hintergrund: Nach Aufkommen der Vorwürfe enthob das Ministerium den Offizier zunächst vom Dienst. Nach seiner rechtlichen Rehabilitierung wurde die Dienstenthebung den Vorschriften entsprechend wieder aufgehoben. Danach wurde Jawurek in die Landesverteidigungsakademie Wien "dienstzugeteilt", wie es im Beamtensprech heißt – also versetzt, wie es wohl die meisten nennen würden.

Eine solche Dienstzuteilung ist aber ohne Einverständniserklärung der betreffenden Person für höchstens 90 Tage pro Kalenderjahr möglich – und diese Frist endet demnächst. Das Ministerium muss den 58-jährigen Brigadier deshalb den Vorschriften nach auf einen Posten setzen, der seiner Wertigkeit als Beamter entspricht. Und den scheint man im Verteidigungsressort mit der Leitung der Abteilung Militärstrategie gefunden zu haben.

Was passiert nach Disziplinarverfahren?

Allerdings: Während Jawurek von der Justiz rehabilitiert ist, läuft gegen ihn nach wie vor ein Verfahren der Bundesdisziplinarbehörde. Wie kann sein neuer Spitzenjob in der Rossauer Kaserne also schon in vier Tagen beginnen – wo das Ergebnis des Disziplinarverfahrens noch aussteht?

Wann das Verfahren der Disziplinarbehörde abgeschlossen ist, lasse sich im Vorfeld nicht genauer einschätzen, heißt es auf STANDARD-Nachfrage aus dem Verteidigungsministerium. Eine neue Postenzuteilung ist aufgrund des nahenden Fristablaufs aber schon vorher zu treffen.

Heißt: Wenn Jawurek nach der strafrechtlichen Entlassung auch disziplinarrechtlich entlastet wird, ist der Fall erledigt. Wenn die Bundesdisziplinarbehörde aber eine Verfehlung feststellt? Dann sei entsprechend den Empfehlungen der Behörde über etwaige Konsequenzen zu entscheiden, lautet die Antwort aus dem Ministerium.

Frau hatte keine Anzeige im Sinn

Die Causa Jawurek wirft aber noch aus einem anderen Grund ein Schlaglicht: Der Fall kam – auch in der Öffentlichkeit – ins Rollen, weil die betroffene Frau sich nach dem Vorfall an ihren direkten Vorgesetzten gewandt hatte. Der meldete den Fall intern, das Verteidigungsministerium erstattete Anzeige. Das hatte die betroffene Frau eigentlich gar nicht im Sinn gehabt.

Die Folge war ein Gerichtsprozess. Und ein solcher ist auch für die Opfer mutmaßlicher Übergriffe oft traumatisch: Das gesamte Geschehen muss mehrfach wieder aufgerollt werden, inklusive detaillierter Fragen zum genauen Hergang und begleitender Medienberichterstattung – auch wenn im konkreten Prozess die Öffentlichkeit auf Antrag der Opfervertreterin ausgeschlossen wurde.

Grüne fordern Meldestelle für sexuelle Übergriffe

Deshalb kamen immer wieder Forderungen ans Bundesheer nach einer anonymen Meldestelle für sexuelle Übergriffe auf – auch vom grünen Koalitionspartner von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). "Eine solche Meldestelle wäre notwendig", sagt der grüne Wehrsprecher David Stögmüller dem STANDARD. Das Thema sei für die Führungsebene nicht ganz einfach, weil auf dem Weg zu einer Meldung so viele Barrieren und Stigmata überwunden werden müssten. Deshalb sei es zentral, das Opfer in den Mittelpunkt des Meldewesens zu stellen "und möglicherweise auch Angebote bereitzustellen, die nicht in Anzeige oder Disziplinarverfahren münden müssen".

Häufig würden Opfer auch wissen, dass die meisten Anzeigen nicht zu Verurteilungen führen, hätten aber trotzdem gerne die Möglichkeit, "ohne Anzeige erstatten zu müssen, versetzt zu werden oder psychische Unterstützung zu bekommen", sagt Stögmüller. "Gerade wenn sich die Übergriffe unterhalb des Rahmens bewegen, der strafrechtlich relevant ist."

Wie ist die Lage aktuell? Eine Ombudsstelle, bei der vertrauliche und auch anonyme Meldungen möglich sind, sei im Ministerium gerade im Aufbau, heißt es aus dem Heeresressort. An sie kann man sich künftig etwa bei sexuellen Übergriffen wenden, aber auch bei allen anderen mutmaßlichen Verfehlungen von Bundesheer-Angehörigen. Bereits jetzt könne man sich aber anonym an die parlamentarische Bundesheerkommission oder an eine der Gleichbehandlungsbeauftragten im Verteidigungsministerium wenden. (Martin Tschiderer, 28.3.2024)