Wiktor Medwedtschuk
Der Oligarch Wiktor Medwedtschuk soll das Nachrichtenportal finanziert haben.
REUTERS/Valentyn Ogirenko

Gleich zwei Meldungen machten diese Woche auf ein Problem in Europa aufmerksam, das nur schwer in seiner Gesamtgröße greifbar ist: versuchte russische Einflussnahmen in Europa. Da ist einerseits Kreml-freundliche Meinungsmache in der europäischen Öffentlichkeit. So setzte Tschechien am Mittwoch das Nachrichtenportal "Voice of Europe" auf seine nationale Sanktionsliste. Und da sind andererseits Individuen, die für Moskau spionieren sollen. So wurde am Donnerstag bekannt, dass die polnische Spionageabwehr ABW gegen ein russisches Spionagenetzwerk ermittelt. Erst am Tag zuvor wurde der Eurokorps-Kommandant Jarosław Gromadziński abberufen. Im Folgenden fasst DER STANDARD die wichtigsten Fragen und Antworten dazu zusammen.

Frage: Warum verhängte Prag Sanktionen gegen "Voice of Europe"?

Antwort: Nach Erkenntnissen des tschechischen Geheimdienstes steckt hinter dem Nachrichtenportal ein von Russland finanziertes Netzwerk, das das Ziel verfolgt, die Politik in Europa im Sinne Russlands zu beeinflussen. Dabei gehe es darum, einerseits europäische Länder davon abzuhalten, Gelder für die Ukraine auszugeben, so der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala am Mittwoch. Außerdem solle die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Freiheit der Ukraine infrage gestellt werden. Ganz grundsätzlich soll das Netzwerk demnach "in EU-Ländern wirken und Einfluss im EU-Parlament gewinnen".

Über "Voice of Europe" wurden dementsprechende Inhalte verbreitet, außerdem sollen EU-Politiker Geld erhalten haben. Die Seite ist in Prag registriert – somit sind tschechische Behörden zuständig.

Frage: Welche Maßnahmen setzte Tschechien?

Antwort: "Voice of Europe" und dessen mutmaßliche Hintermänner wurden auf die nationale Sanktionsliste gesetzt. Das ermöglicht den Finanzbehörden, Gelder der sanktionierten Personen und Organisationen einzufrieren. Die betroffenen Personen dürfen nicht nach Tschechien einreisen. Die Webseite selbst wurde nicht gesperrt, betonte Fiala, durch das Einfrieren der Gelder würde ein Betreiben der Seite aber in Zukunft verunmöglicht.

Frage: Was genau ist "Voice of Europe"?

Antwort: "Voice of Europe" erscheint auf den ersten Blick wie eine normale Nachrichtenseite, wie das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schreibt. Darüber wird aber prorussische Propaganda verbreitet; Themen, die vor allem im politisch rechten Milieu aufregen, finden sich überproportional häufig. Auf X hat das Portal 180.000 Follower. Politiker und Politikerinnen rechter Parteien kommen häufig zu Wort – das erste Interview etwa gab dem Portal der Niederländer Geert Wilders.

Frage: Wer steckt hinter "Voice of Europe"?

Antwort: Nach Einschätzung der tschechischen Behörden soll das Portal vom Oligarchen Wiktor Medwedtschuk finanziert worden sein. Der prorussische gebürtige Ukrainer hat seinen Reichtum mit Öl und Gas gemacht. In der Ukraine saß er wegen Hochverrats im Gefängnis, durch einen Gefangenenaustausch gelangte er aber im Sommer 2022 nach Russland. Er gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Ein ehemaliger Produzent eines prorussischen Senders in der Ukraine soll dem "Spiegel" zufolge das Portal geleitet haben.

Frage: Welche Verbindungen gibt es zum Europaparlament?

Antwort: Das Portal mit Sitz in Prag soll, so berichten Medien mit Verweis auf tschechische Behörden, benutzt worden sein, um verdeckt Gelder an europäische Politiker zu zahlen, die im Sinne Moskaus agieren. Dem tschechischen Medium "Denik" zufolge sollen die Politiker aus den Ländern Deutschland, Frankreich, Belgien, Polen, den Niederlanden und Ungarn kommen.

Laut "Spiegel"-Recherchen soll das Geld entweder bar in Prag oder per Kryptowährung geflossen sein. Auch AfD-Politiker wie etwa Maximilian Krah pflegten Kontakte zu "Voice of Europe"; zweimal wurde er für das Magazin interviewt. Krah selbst bestreitet, Geld erhalten zu haben.

Frage: Warum gingen die tschechischen Behörden gerade jetzt gegen das Netzwerk vor?

Antwort: Im Juni finden Europawahlen statt. In der Begründung der Sanktionen hieß es explizit, dass "Voice of Europe" zur Finanzierung prorussischer Kandidaten für diese Wahl benutzt worden sei. Außerdem ist nun mit besonders aktiver Desinformation im Wahlkampf zu rechnen. Ziel solcher Desinformationskampagnen ist es, eine gesellschaftliche Spaltung voranzutreiben und die demokratischen Prozesse zu untergraben, indem das Vertrauen in die staatlichen Institutionen oder Medien, die journalistischen Grundsätzen folgen, aufgeweicht wird. Großangelegte derartige Kampagnen, die vor allem durch die sozialen Medien besonders erfolgreich sind, gehören längst zum Standardrepertoire im politischen Kräftemessen.

Frage: In Polen wird gegen ein russisches Spionagenetzwerk ermittelt. Was hat es damit auf sich?

Antwort: Am Donnerstag wurde bekannt, dass die polnische Spionageabwehr (ABW) gegen ein russisches Spionagenetzwerk ermittelt. Die Aktivitäten des russischen Netzwerks richteten sich gegen Länder und Institutionen der EU, hieß es dort. Der Einsatz wurde demnach gemeinsam mit Diensten anderer Länder, darunter Tschechien, ausgeführt.

Bereits am Mittwoch hieß es, dass die ABW gegen einen Eurokorps-Kommandanten ermittelt. Der polnische General Jarosław Gromadziński leitet seit dem Sommer die schnelle Einsatztruppe, die sich aus zahlreichen europäischen Staaten rekrutiert. Die bis zu 60.000 Mann stehen der EU und der Nato zur Verfügung.

Laut Verteidigungsministerium handelt es sich um eine "Kontrolluntersuchung" gegen Gromadziński zum Zugang zu geheimen Informationen. Der Generalleutnant zeigte sich zuversichtlich, dass die Überprüfung für ihn positiv ausfallen werde. Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz sagte am Donnerstag in polnischen Medien: "Das ist keine Anklage gegen jemanden, wenn man ein solches Verfahren durchführt, aber der Schritt der Abberufung ist nötig." Sollte sich der Verdacht als haltlos erweisen, könne er in den "normalen Dienst" zurückkehren. (red, 28.3.2024)