Großangelegte Angriffe rund um Fake News haben oftmals das Ziel, das Vertrauen in traditionelle Berichterstattung zu vermindern und generell soziale Spannungen zu verstärken.
AP/Chris Jackson

Leger in Jeans und einen gestreiften Pullover gekleidet ließ sich die Prinzessin von Wales am Mittwoch vergangener Woche auf einer Parkbank nahe ihres Wohnsitzes Adelaide Cottage im Schlosspark von Windsor filmen. Sie beendete mit der Videobotschaft die zahlreichen Gerüchte rund um ihre Gesundheit, die in den Wochen zuvor im Internet kursierten und von einem schlecht bearbeiteten Familienfoto nur noch angeheizt wurden.

Außer von den üblichen Verschwörungstheoretikern im Netz soll laut englischen Forschern allerdings die Gesundheit von Kate Middleton auch von Russland-nahen Gruppierungen angeheizt worden sein, wie die BBC am Dienstag berichtete. Sicherheitsexperten sprechen sogar von einer "koordinierten Kampagne", die falsche Behauptungen rund um die Prinzessin aufgestellt und breiter gestreut habe. Das betreffende Netzwerk sei mit dieser Methodik schon mehrfach aufgefallen, etwa im Zusammenhang mit der Untergrabung europäischer Hilfsaktionen für die Ukraine.

Warum das alles?

Laut eigenen Angaben hat die BBC während der letzten Wochen einzelne Social-Media-Nutzer ausgemacht, die sich am Verbreiten von Theorien rund um den Gesundheitszustand von Kate Middleton sehr aktiv beteiligt hatten. Auch ohne die Verstärkung durch professionelle Desinformationsgruppen hätten allein durch die Algorithmen von Tiktok, Instagram und Co Gerüchte rund um die Prinzessin bereits Millionen von Social-Media-Nutzer und Nutzerinnen erreicht.

Ergänzend zu diesen Beobachtungen hatten Forscher des Security, Crime and Intelligence Innovation Institute der Cardiff University festgestellt, dass bestimmte Gerüchte über die Prinzessin und deren Hashtags systematisch milliardenfach auf diversen Social-Media-Plattformen geteilt wurden, oftmals mit genau demselben Wortlaut. Man habe auf diese Weise eine russische Desinformationsgruppe ausgemacht, die zwar keine offizielle Behörde darstellt, aber mit Menschen Verbindungen unterhält, denen von den USA die Mitarbeit an "Kampagnen der böswilligen Einflussnahme" vorgeworfen wurden.

Die Gerüchte rund um Kate seien laut Forschern in andere Kampagnen der Gruppe eingebettet gewesen, darunter Angriffe auf die Reputation von Frankreich, die Bestärkung der Integrität der Russland-Wahlen und die Verunglimpfung der Ukraine. Die Taktik im Falle Kate Middleton sei klar: Sich unter eine bereits bestehende Gerüchteküche zu mischen sei wesentlich einfacher und für die Behörden oder Forscher schwerer nachvollziehbar, als von null weg zu starten.

Eine ähnliche Strategie schien man beim "Bettwanzenproblem" Frankreichs gefahren zu haben. Im Vorjahr blieben aufgrund zahlreicher Social-Media-Einträge zu dem Thema viele Hotels leer, und auf Insektenbekämpfung spezialisierte Unternehmen waren über Monate ausgebucht. Erst vor wenigen Wochen erhob die französische Regierung schwere Vorwürfe gegen Russland, die Kampagne sei eine geplante Desinformationskampagne des Kreml gewesen.

Warum russische Gruppierungen auch an einer Kampagne wie jener von Kate Interesse haben könnten, die auf den ersten Blick wenig mit aktueller Politik zu tun hat, beantworten die englischen Forscher der Cardiff University mit einem recht simplen Argument: Es gehe manchmal gar nicht um ein bestimmtes Thema oder einen Anlass, sondern einfach darum, soziale Konflikte oder Spannungen zusätzlich anzuheizen.

Russlands Krieg im Netz

Dass der Kreml versucht, mithilfe von Desinformationen die politische und gesellschaftliche Lage in westlichen Ländern zu destabilisieren, ist in der Vergangenheit oftmals dokumentiert worden. Vor fast genau einem Jahr spielte etwa ein Whistleblower tausende Seiten geheimer Dokumente einer Moskauer IT-Firma an die Öffentlichkeit. Erstmals wurden tiefe Einblicke in das Innere des russischen Cyberkriegs gewährt und ein Bild eines Staates gezeichnet, der in vielen Bereichen massiv aufgerüstet hat. Beispielsweise sollten Desinformationskampagnen erleichtert werden, indem die Sicherheitsvorkehrungen von Instagram, Facebook, X und Co umgangen werden, um Unmengen von Fake-Profilen in sozialen Netzwerken zu erschaffen. Außerdem sollte der Internetverkehr bestimmter Regionen umgeleitet und damit der Zugang zu Internetseiten zensuriert sowie großflächig Internetnutzer überwacht werden.

Mittlerweile auch kein Geheimnis mehr sind Söldnergruppen, die von Drittländern aus Cyberangriffe starten. Ein großer Leak vor wenigen Wochen zeigte etwa das aggressive Anwerben Chinas, um solche "Fachkräfte" einsetzen zu können. Die von den Hackern verlangten Aufgaben sind vielfältig. So geht es etwa um die Überwachung ethnischer Minderheiten in China, die Korrespondenz zwischen Mitarbeitern ausländischer Regierungen und asiatischen Telekommunikationsunternehmen zu überwachen oder auch eine Karte von Zielen zu zeichnen, die Opfer großflächiger Cyberangriffe sein sollen.

Viele Herausforderungen

Der Kampf gegen Fake News auf Social Media ist kein neuer. Laut Tiktok wurden allein in den letzten drei Monaten mehr als 180 Millionen Fake-Accounts auf der Videoplattform gelöscht. Die Unterscheidung zwischen echten Nutzerinnen und Nutzern, die Verschwörungstheorien aufstellen, und verstärkenden Fake-Accounts ist offenbar für alle Social-Media-Plattformen eine andauernde Herausforderung. Ein anderes großes Problem ist, wenn der Inhaber einer Nachrichtenplattform wie X ebenfalls seinen Teil zum Verbreiten von Verschwörungstheorien beiträgt.

Die EU will aktuell mit dem Digital Services Act (DSA) ergänzend zur nationalen Strafverfolgung auch die Betreiber von Social-Media-Plattformen viel stärker in die Pflicht nehmen. Das größte Problem des neuen EU-Gesetzes ist wohl, die neuen Regelungen wirklich zu exekutieren, Strafen zu verteilen und Streitfälle auszujudizieren. Vonseiten der Plattformbetreiber wird immer wieder betont, wie aktiv man Fake News bekämpfe. Den immer professioneller agierenden Profihackern und Netzwerken wird man aber wohl auch weiterhin hinterherhinken. (aam, 27.3.2024)