Österreichs Fußballteam scheint derzeit alles zu gelingen! Was man jahrzehntelang erträumte, wird nun binnen weniger Monate Zug um Zug auf den Rasen gebracht. Das 6:1 gegen die Türkei stellte dabei eine weitere denkwürdige Episode dar.

Michael Gregoritsch feiert mit seinen Kollegen nach seinem Tor im Freundschaftsspiel zwischen Österreich und der Türkei am 26. März 2024 in Wien.
Michael Gregoritsch (li.) und Kollegen durften gleich mehrmals jubeln.
EPA/CHRISTIAN BRUNA

6:1 ist ein Resultat, welches ziemlich häufig vorkommt und von einer deutlichen Dominanz des Siegers zeugt. Dies bezieht sich allerdings auf den Tennissport – im Fußball hingegen ist ein 6:1 nicht alltäglich, schon gar nicht bei einem Spiel Österreichs gegen einen künftigen EM-Teilnehmer. Zurzeit scheint der österreichischen Fußballmannschaft binnen kürzester Zeit all das zu gelingen, was der oft leidgeprüfte Fan in einer Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten nicht erleben durfte.

Ein Highlight reiht sich nahtlos an das andere: souveräne Qualifikation für die Euro 2024, triumphaler Erfolg gegen Deutschland im Spätherbst, Sieg in der benachbarten Slowakei dank eines Rekordtors in der siebenten Spielsekunde – und nun ein Sechsertragerl gegen unsere türkischen Freunde, gegen die man in der Vergangenheit oft sehr schlecht ausgesehen hatte.

Was für eine Phase im österreichischen Fußball! Genießen wir die aktuellen Leistungen, und lassen wir uns durchaus dazu hinreißen, den Fortgang dieser Erfolgsserie bis tief in den Sommer 2024 hinein zu erträumen. Ja, wir dürfen das! Einerseits gestattet es die stabile Spielanlage des Rangnick-Teams, andererseits war für den heimischen Fußballfan übertriebener Realismus noch nie eine Kategorie.

Erneuter Blitzstart

Aber zum Spiel gegen die Türkei selbst: Wer einen ähnlich fulminanten Start ins Spiel wie vor wenigen Tagen in Bratislava erwartete, wurde nicht enttäuscht. Diesmal dauerte es allerdings etwas mehr als 100 Sekunden, ehe der Ball im Netz zappelte. Österreich startete also de facto erneut mit einem 1:0-Bonus in die Begegnung.

Doch die Türken, wie erwartet lautstark von tausenden Zuschauerinnen und Zuschauern unterstützt und deshalb keineswegs von der Atmosphäre eines Auswärtsspiels erdrückt, zeigten rasch ihr Können. Çalhanoğlu und Co drängten auf den raschen Ausgleich, welcher dem Inter-Star auch durch einen verwandelten Hands-Elfmeter in der 25. Spielminute gelang.

Man stellte sich in der Folge auf ein zähes Ringen bis zur 90. Spielminute ein, doch es kam anders. Knapp vor der Pause traf Michael Gregoritsch zum ersten Mal an diesem Abend und sorgte damit für jenen Spin, der aus einem munteren Spiel ein denkwürdiges machte. Die zweite Spielhälfte bescherte uns nämlich vier weitere ÖFB-Tore, zwei davon erneut durch Gregoritsch erzielt. Man fühlte sich in die Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts zurückversetzt, als Kantersiege gegen die Türkei noch selbstverständlich schienen.

Elfmeter statt Anschlusstreffer

Dass das Resultat derart deutlich ausfiel, war allerdings einem kuriosen Moment in Minute 78 geschuldet. Das vermeintliche 4:2, und damit eine erhebliche Verbesserung der Ergebnisoptik, wurde den Gästen verwehrt, stattdessen wurde auf Elfmeter für Österreich – aufgrund eines dem türkischen Angriff vorausgegangen Fouls – entschieden. Patsch, 5:1.

Damit war der Widerstand gebrochen – das halbe Dutzend machte Maximilian Entrup mit seinem Premierentreffer in der Nachspielzeit voll. Was für ein Abend! Genießen wir den Moment! Lassen wir uns nicht zu Größenwahn verleiten, aber lassen wir uns eine der schönsten Phasen der österreichischen Fußballgeschichte auch nicht durch selbst auferlegte emotional Zurückhaltung verleiden. Alles scheint möglich! (Claus Farnberger, 27.3.2024)