Demonstrierende mit Schildern, Schirmen
"Demokratie verteidigen!" war das Motto der Demonstration vergangenen Samstag bei Wind und Regen in Wien.
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"Warum fehlen Konservative bei Demos gegen rechtsextrem?" fragt Hans Rauscher in seiner Kolumne. Das könnte tatsächlich eine überlebenswichtige Frage für die österreichische Demokratie werden.

Nach derzeitigen Umfragen ist es wahrscheinlich, dass die FPÖ bei der Nationalratswahl im Herbst die stärkste Partei wird und zusammen mit der ÖVP über eine Mehrheit im Nationalrat verfügt. Die offizielle Linie des ÖVP-Vorsitzenden Karl Nehammer ist es lediglich, keine Regierung mit Herbert Kickl zu bilden. Die Kehrtwende der ÖVP-Landesparteien nach den letzten Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg weckt berechtigte Zweifel, dass das Haltbarkeitsdatum solcher Versprechen über den Wahltag hinausreichen wird. Und die Formel "Keine Regierung mit Kickl" lässt breite Scheunentore offen für eine Koalition mit einer von Kickl geführten FPÖ – nach dem Modell der Regierung Schüssel I, in der Jörg Haider nicht aus einem Regierungsamt, sondern von Klagenfurt aus die Fäden zog.

Großer Umschwung?

Seit Jänner gibt es nun endlich auch in Österreich eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft gegen die Gefahr von rechts und die drohende Orbánisierung des Landes. Die Zahl der Menschen, die auf die Straße gehen, und der Organisationen, die sie dazu aufrufen, ist beeindruckend. Aber das Fehlen konservativer und bürgerlicher Stimmen scheint viele Aktivistinnen und Aktivisten nicht zu stören. Manche setzen alles auf einen großen politischen Umschwung, der eine Regierungskoalition ohne FPÖ und ÖVP ermöglichen würde. Andere gehen fatalistisch davon aus, dass die ÖVP unter Sebastian Kurz und Nehammer schon längst zum politischen Zwillingsbruder der Freiheitlichen geworden sei, und bereiten sich auf Widerstand gegen eine rechtsextrem geführte Regierung vor.

Wenn die Demonstrationen gegen rechts so gedeutet werden, dann ist es kein Wunder, wie Ernst-Gideon Loudon in seinem Gastkommentar schreibt, dass manche der bürgerlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich nicht wirklich willkommen fühlen (siehe "Auch Konservative sollten Demos gegen Rechtsextreme mitorganisieren"). Liberale und Linke werden Loudons Vertrauen in die Standfestigkeit der ÖVP-Führung gegenüber der FPÖ nicht teilen, aber sie sollten gerade deswegen Konservative wie ihn einladen, bei der Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat mitzumachen.

"Es gibt in Österreich keine Mehrheit für den extremen Rechtspopulismus der FPÖ."

Denn die ÖVP und das sogenannte bürgerliche Lager stehen heute vor einem Scheideweg. Nähert sich die Partei weiter ideologisch an die radikale Rechte an, um dieser Stimmen abzutrotzen, dann wird sie den Weg der US-amerikanischen Republikaner oder der britischen Tories gehen. Diese haben bürgerlich-konservative Werte weggeworfen, um mit rechtspopulistischer Politik die Macht zu erobern oder zu halten. Verteidigt die ÖVP dagegen diese Werte, dann bedeutet das nicht zwangsläufig den für sie besonders bitteren Gang in die parlamentarische Opposition. Es gibt ja in Österreich keine Mehrheit für den extremen Rechtspopulismus der FPÖ. Die einzige Prognose für den Ausgang der Nationalratswahl, die ich wagen würde, ist, dass es eine breite Mehrheit von Mandaten für Regierungskoalitionen ohne die FPÖ geben wird.

Jene, die gegen die Gefahr der rechtsradikalen Machtübernahme heute auf die Straße gehen, ebenso wie die "anständigen Konservativen" und das gesamte Spektrum der demokratischen Parteien müssten sich darauf verständigen, dieses Potenzial zu nutzen, um den größtmöglichen Schaden von unserer Republik fernzuhalten. Die Mitglieder und Funktionäre der ÖVP sollten begreifen, dass sie ihre Katerstimmung nach dem Rausch der Ära Kurz nicht durch Konsum von noch mehr Alkohol überwinden können. Sie sollten ihre Partei daran hindern, sich auf ein drittes Experiment mit den Freiheitlichen einzulassen, und diesmal – wenn die Umfragen Realität werden – sogar als deren Juniorpartner.

SPÖ, Grüne und Neos teilten sich die Bühne bei einer Anti-FPÖ-Demonstration in Wien.
Video: APA

Die Wiener Demonstration am 23. März hat die demokratischen Parteien aufgefordert, eine Koalition mit der FPÖ auszuschließen. Es wird jedoch nicht genügen, wenn SPÖ, Grüne und Neos sich dazu verpflichten. Es gilt, einen dicken Keil zwischen ÖVP und FPÖ zu treiben, indem echte Konservative bei der Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat nicht als Gegnerinnen und Gegner, sondern als Verbündete gesehen werden. (Rainer Bauböck, 28.3.2024)