Es sind angespannte Zeiten in der Straße von Taiwan. Regelmäßig verletzen Flugzeuge und Schiffe Chinas die Gewässer und den Luftraum der demokratisch regierten Insel, die der große Nachbar als abtrünniges Territorium betrachtet. Dass die kommunistische Partei unter Xi Jinping eine friedliche "Wiedervereinigung" nicht mehr als einzige Variante zur Anspruchserfüllung betrachtet, während die USA im Kriegsfall militärischen Beistand versprochen haben, lässt auch international Sorgenfalten tiefer werden.

Mit Spannung erwartet worden waren unter diesen Vorzeichen auch die Wahlen von Präsident und Parlament Mitte Jänner, die begleitet waren von massiven Desinformationskampagnen und chinesischen Drohgebärden. Die China-kritische demokratische Fortschrittspartei (DPP) obsiegte beim Kampf ums Präsidentenamt und errang auch in der Parlamentswahl die meisten Stimmen, wurde aber aufgrund der Wahlkreisverteilung nur knapp zweitstärkste Kraft hinter den China-freundlichen Kuomintang. Die DPP blieb dennoch weiterhin in Regierungsverantwortung, ist aber auf die Kuomintang oder die Mitte links orientierte Taiwanische Volkspartei angewiesen, um Vorhaben durchzubringen.

Taiwan ist einer ständigen Flut an Desinformation – vor allem aus China– ausgesetzt.
AFP/SAM YEH

Fake-News-Barrage aus China

Apropos Desinformation: Eines hat sich nicht geändert, zeigt die jährliche Untersuchung "Varieties of Democracy" (V-Dem), in der die Qualität und Tendenz von Demokratien und Autokratien rund um die Welt untersucht werden. Wenn es um absichtlich irreführende oder gänzlich erfundene Nachrichten zum Zwecke der politischen Beeinflussung geht, bleibt Taiwan das am stärksten betroffene Land der Welt. Es führt diese Rangliste bereits das elfte Jahr in Folge an, berichtet die Taipei Times und zitiert auch aus dem Datensatz.

Begründet liegt dies freilich in primär von China ausgehenden Kampagnen. Laut dem Bericht werden diese zunehmend von Hongkong aus lanciert, wo Peking entgegen seinem "ein Land, zwei Systeme"-Versprechen seit Jahren massive Repressionen gegen Oppositionelle betreibt und drakonische Sicherheitsgesetze durchwinken lässt. Zuletzt hatte Hongkongs Justizminister Paul Lam gewarnt, dass auch Kritik im Internet am Sicherheitsgesetz strafbar sein könne. Laut Hong Kong Outlanders, einer Gruppe aus nach Taiwan ausgewanderten Exil-Hongkongern, hat es China dabei stark auf junge Taiwaner abgesehen. Zuletzt suggerierte man in Kampagnen, dass 90 Prozent der Hongkonger Bevölkerung die jüngsten Verschärfungen der Sicherheitsgesetze ("Artikel 23") begrüßen würden.

Nicaragua, Nordkorea und Venezuela als Desinformationsschleudern

Hinter Taiwan folgt ein europäisches Land. Nämlich Lettland, wo es vor allem russische Desinformationskampagnen sind, die die öffentliche Meinung beeinflussen sollen – insbesondere im Lichte des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Platz drei belegt Palästina. Auch Belarus und Israel scheinen weit vorn auf, in diesen Ländern, so das V-Dem-Projekt, versuchen verschiedene Akteure, ihre Narrative zur jeweiligen regionalen Krise durchzusetzen. Die größte Quelle für Desinformation ist allerdings weder China, noch Russland, sondern das stark mit China verbandelte Nicaragua. Danach folgen Nordkorea und Venezuela, die enge Beziehungen zu Peking und Moskau pflegen, ehe schließlich China selbst aufscheint.

Während China im V-Dem-Report als "geschlossene Autokratie" und damit schärfste Kategorie einer repressiven Regierung kategorisiert wird, ist Taiwan als "liberale Demokratie" eingestuft. Hier finden sich auch verschiedene europäische Länder, darunter auch Deutschland. Zwischen den beiden Polen befinden sich noch "Wahlrechtsdemokratien", die "demokratische Grauzone" und "Wahlrechtsautokratien". Österreich, das sich 2013 noch unter den liberalen Demokratien befand, wurde zu einer "Wahlrechtsdemokratie plus" abgestuft. (gpi, 25.3.2024)