Mossad-Chef David Barnea.
David Barnea ist derzeit ständig auf Reisen.
AFP/GIL COHEN-MAGEN

Seine Kinder und Enkel sehen ihn derzeit öfter in den Nachrichten als beim Schabbat-Dinner: David Barneas Gesicht ist, eher ungewöhnlich für einen Mossad-Chef, nun täglich in den Medien. Der 58-Jährige, der seit Juni 2021 den israelischen Auslandsgeheimdienst leitet, sieht auf den Fotos meist grimmig drein, und man kann es ihm nicht verübeln. Seit fünf Monaten fliegt er ununterbrochen nach Katar, um mit der Hamas in indirekten Gesprächen über die Konditionen einer möglichen Waffenruhe inklusive Freilassung der Geiseln aus Hamas-Gewalt zu verhandeln.

Oft berichten die Mediatoren USA und Katar danach von einem erfreulichen Fortschritt oder sogar einem baldigen Durchbruch, US-Präsident Joe Biden jubelte vor einem Monat gar über einen Verhandlungserfolg "in wenigen Tagen". Zu Hause in Israel heißt es dann stets: Sorry, guys – so nicht. Und Barnea fliegt erneut nach Doha und versucht, die Gräben zu überbrücken. Der Druck, der auf ihm lastet, ist enorm: ¬Jeder Tag, der verstreicht, könnte eine weitere Geisel das Leben kosten – und tausende Zivilisten in Gaza dem Hungertod näherbringen.

Flucht aus Nazideutschland

Eine gewisse Nähe zu Gaza wurde Barnea in die Wiege gelegt – zumindest örtlich. Er wurde in Aschkelon geboren, eine rund 30-minütige Autofahrt von Gaza-Stadt entfernt. Als Israel im Sechstagekrieg den Gazastreifen eroberte, war er zwei Jahre alt. Barneas Vater kam als Kleinkind nach Israel, seiner Familie gelang die Flucht aus Nazideutschland. In Palästina angekommen, gab sich die Familie einen hebräischen Namen, aus Joseph Brunner wurde Yossef Barnea. David Barnea, von seinem Umfeld Dadi genannt, gilt als zielstrebig und gewissenhaft. Nach seinem Militärdienst bei der Eliteeinheit Sayeret Matkal studierte er Betriebswirtschaft in den USA und machte Karriere in der Privatwirtschaft, bevor er Mitte der 1990er-Jahre beim Mossad begann, wo er erstaunlich schnell den Aufstieg schaffte.

Ende der 1990er-Jahre leitete Barnea, der neben Hebräisch und Englisch auch Arabisch spricht, eine Mission im Ausland, die als strategisch bedeutend eingestuft wird – Details unterliegen der Militärzensur. Anders als sein Mentor und Amtsvorgänger Jossi Cohen, dem politische Karrieregelüste nachgesagt werden, galt Barnea seit der Amtsübernahme im Juni 2021 als zurückhaltend und eher medienscheu – eine Eigenschaft, die er nun überwinden muss. (Maria Sterkl, 24.3.2024)