Die Gläubiger der Signa seien "lauter reiche Leute", sagte vor einigen Tagen der Konzernsanierer Erhard Grossnigg, der für April seinen Abgang angekündigt hat. Ist das richtig? Die kurze Antwort lautet: nein. Es gibt fünf Gruppen, von Steuerzahlern bis zu kleinen Zulieferern, die von der Signa-Pleite besonders hart getroffen sind.

Die Steuerzahler

Auf den ersten Blick scheinen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von der Signa-Pleite nicht stark betroffen zu sein. Auf der Gläubigerliste der wichtigsten Gesellschaft Prime finden sich lediglich zwei Einträge, wonach die Prime dem Finanzamt für Großbetriebe in Wien in Summe knapp eine Million Euro schuldet. Bei der Signa Development sind es insgesamt knapp 150.000 Euro.

Tatsächlich treffen aber – abseits der Forderungsanmeldungen der Gläubiger – deutlich mehr Faktoren die Steuerzahler. Da wäre etwa der berühmte Privatjet aus René Benkos verblichenem Reich: Im Cofag-U-Ausschuss wurde bekannt, dass sein Betrieb quasi vom Staat mit rund neun Millionen Euro subventioniert worden ist. Das lief über Benkos Einkommenssteuererklärungen, in denen er die Verluste der Jet-Firma als steuermindernd geltend machte.

Nicht nur Superreiche sind von der Signa-Pleite betroffen
Lukas Friesenbichler/DER STANDARD

Weiter wäre da die Pleite der Möbelkette Kika/Leiner im Sommer 2023. Sie erfolgte nur wenige Tage, nachdem die Signa den Möbelkonzern verkauft hatte. Zuvor unter der Signa hatte Kika/Leiner Corona-Hilfen bekommen, vor allem Steuerstundungen: Rund 150 Millionen Euro durfte Kika/Leiner später als regulär abliefern. Geld, das nach der Kika/Leiner-Insolvenz verloren sein dürfte – zumindest weitgehend.

Eine ähnliche Geschichte spielte sich in Deutschland bei der Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof ab, die ebenfalls hohe Corona-Hilfen erhalten hat – und nun zum dritten Mal insolvent ist.

Die Banken

Die Banken spielten bei der Finanzierung der Signa-Expansion eine ganz bedeutende Rolle: Sie gaben Kredite und ließen sich dafür, meist, Sicherheiten einräumen. Durchforstet man das Anmeldeverzeichnis der Signa Prime, gleicht das einer Weltreise zu den Kreditinstituten dieser Erde.

Mit rund 742 Millionen Euro hat die traditionsreiche Bangkok Bank Public Company die höchsten Forderungen angemeldet, die Wiener Raiffeisen Bank International (RBI) folgt mit fast 435 Millionen Euro, zudem fordert sie elf Millionen Euro Schadenersatz. Die Schweizer Privatbank Julius Bär ist mit 160 Millionen plus einer Schadenersatzforderung von 300 Millionen Euro dabei, die Südtiroler Volksbank mit 255 Millionen.

Die Bank Austria macht 125 Millionen Euro geltend, die RLB NÖ-Wien rund 49 und die Erste Bank 35 Millionen. Auch deutsche Banken haben der Signa kräftig unter die Arme gegriffen, nun will etwa die Landesbank Hessen-Thüringen 284 Millionen oder die Bayerische Landesbank 146 Millionen. Ob APS Bank in Malta, deutsche Sparkassen, Graubündner Kantonalbank (drei Millionen): Sie alle waren dabei. Der Signa Holding borgten sogar kleine Raiffeisen-Regionalbanken Geld, Wels etwa elf Millionen und Bad Leonfelden zwei Millionen. Selbst die erst zehn Jahre junge Airbus-Tochter Airbus Bank fordert 13 Millionen Euro von der Signa Development.

Die Investoren

So zerknirscht präsentierte sich Hans Peter Haselsteiner, Miteigentümer des Baukonzerns Strabag, selten. "Wie konnte mir das passieren?", lamentierte der 15-Prozent-Eigentümer der Signa Holding im Jänner im ORF über sein eigenes Engagement. Er rätsle, "warum ich nicht kritischere Fragen gestellt habe". Fazit: Die Signa sei ein "schmerzhaft teurer Fehler" gewesen, die Geschäfte habe freilich René Benko bestimmt. Ähnlich dürfte es die französische Autodynastie Peugeot empfinden. Ihr Investment-Arm setzte mit dem Signa-Engagement seit 2019 laut Bloomberg 272 Millionen Euro in den Sand. Peugeot-Invest-Chef Bertrand Finet tritt mit Juli ab.

Zweifellos haben Benko-Investoren wie Haselsteiner und die Peugeots – und viele andere Akteure der Business-Elite, vornehmlich aus Österreich und Deutschland, aber auch große und kleine Anleihehalter – horrende Verluste erlitten. Viele von ihnen finden sich auch in den Gläubigerlisten wieder. Haselsteiner etwa war es, dem letztlich der Kragen platzte – er trat im November jenen Aufstand der Investoren los, dem die Entmachtung Benkos folgte.

Offen ist noch die spannende Frage, wie viel die Superreichen in der Glanzzeit der Signa an Profit lukrierten, ehe sich das Investment ins Negative drehte – wie also die Netto-Rechnung über das gesamte Investment aussieht. Haselsteiner wollte diese Frage nicht beantworten. Wie immer gilt auch hier, dass der Zeitpunkt des Einstiegs über den Erfolg bestimmt.

Indes erhoben Investoren gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schwere Vorwürfe gegen Benkos Taktiken. Karl Gernandt, Vermögensverwalter des Hamburger Logistikmilliardärs und Investors Klaus-Michael Kühne, sieht Investoren der Signa-Gruppe durch deren Gründer René Benko "hinters Licht geführt". Benko habe dafür sein Firmenkonstrukt mit mehr als 1.000 Unterfirmen genutzt. Er habe "letztlich betrügerisch" gehandelt. Der Tiroler habe "in all den Luxemburger Zwischenholdings" Schulden versteckt, sagte Gernandt, Chef der Kühne Holding, dem "Spiegel". Die milliardenschweren Investoren zeigen sich demnach sich von Benko enttäuscht. "Gesundes Wachstum" habe es bei Benkos Signa wohl schon lange nicht mehr gegeben, sagt einer seiner wichtigen Geldgeber dem Magazin. Stattdessen sei die wachsende Kluft zwischen Kosten und Einnahmen mit regelmäßigen Kapitalerhöhungen und Gebäudeverkäufen kaschiert worden. Norbert Wess, ein Anwalt Benkos, wies die die Anschuldigungen als "Medienkampagne gegen Benko" gegenüber der APA zurück.

Die Beschäftigten

Viel eigenes Personal hatte die Signa-Gruppe nicht. Die Beschäftigtenzahl bei den großen Gesellschaften Signa Holding, Prime und Development bewegt sich im niedrigen dreistelligen Bereich. Abseits davon, dass Leute ihre Jobs und Einkommen verloren haben, sind viele von ihnen auch in anderer Hinsicht finanziell geschädigt: Sie konnten sich an der Signa beteiligen, hatten einmal jährlich die Möglichkeit, Anteile der Gruppe zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen. Jene, die Letzteres nicht rechtzeitig getan haben, stehen nun im Regen.

Noch weit mehr Menschen sind in der Handelssparte betroffen. Hier arbeiten zehntausende Leute, ob in Deutschland, Großbritannien, der Schweiz oder in Österreich. Die meisten Ketten à la Kika/Leiner und der zum Verkauf stehenden Galeria (Deutschland) kriselten zwar durchwegs schon, bevor Benko einstieg – aber die nunmehrige Signa-Pleite lässt das Schicksal mancher dieser Häuser und ihrer Beschäftigten noch düsterer aussehen.

In Deutschland hat Galeria soeben Insolvenz angemeldet – zum dritten Mal in wenigen Jahren. Hier wurden schon seit dem Jahr 2020 rund 4000 Stellen abgebaut – wie viele der rund 17.000 Übriggebliebenen folgen werden, ist offen. In Österreich verloren im Vorjahr mehr als 1600 Menschen ihre Jobs bei Kika/Leiner, kurz nachdem die Signa ausgestiegen war.

Die kleinen Zulieferer

Vom Übersetzungsbüro in Düsseldorf über den Fitness-Coach in Wien, das Online-Immobilienportal in Frankfurt, einen Lebensmittelhändler in Salzburg bis zur Berliner Expertin für Kommunikation von Fragen der Architektur: Derartigen kleinen Dienstleistern schulden die großen insolventen Gesellschaften Prime und Development etliche Millionen Euro.

Dazu kommt die Signa Holding, bei der viele teure Repräsentationsaufgaben gebündelt waren – und wo heute vom Blumenhändler über den Flugzeugreiniger bis zum Hotelier eine Unzahl von Zulieferern auf Bezahlung wartet. Weitere wichtige Signa-Entitäten wie die deutsche Kaufhauskette Galeria sind in diese Rechnung noch nicht einmal miteinbezogen. Die Höhe der Schulden bei einzelnen Lieferanten beginnt im Bereich weniger Hundert Euro (der Fitness-Coach) und reicht bis zu hunderttausenden (das Übersetzungsbüro).

Es mag nicht überraschen, dass bei einer Milliardeninsolvenz viele kleine Dienstleister unter die Räder kommen. Aber gerade sie sind aufgrund geringer finanzieller Reserven häufig gezwungen, knapp zu kalkulieren – da kann der Ausfall von 10.000 Euro massive Probleme bereiten. In der Wiener KMU-Szene etwa stößt man derzeit laufend auf Leute, die über Verluste wegen der Signa-Insolvenz klagen. Für sie dürfte sich die Behauptung von Noch-Signa-Manager Erhard Grossnigg, die Reichen würden die Rechnung zahlen, wie Hohn anhören. (Renate Graber, Joseph Gepp, red, APA, 24.3.2024)