Die Hoffnung, dass man sich zumindest in der Uno einig werden könnte, währte nur kurz. Ein von den USA im UN-Sicherheitsrat eingebrachter Resolutionsentwurf, in dem Washington erstmals auf Uno-Ebene eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen forderte, ist am Freitag am Veto Russlands und Chinas gescheitert. Auch Algerien stimmte dem Vorschlag letztendlich nicht zu. Russland nannte den Vorschlag "heuchlerisch", nach Sicht des UN-Botschafters Wassili Nebensja hätte der Entwurf Israel freie Hand für einen Einsatz in der Stadt Rafah gegeben.

Ein Großteil der UN-Mitglieder stimmte dem Vorschlag der USA für eine Waffenstillstandsresolution zu. Russland und China verhinderten aber die Annahme.
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Die USA hatten den Ruf nach einer Waffenruhe mit der Forderung nach der Freilassung der nach wie vor über hundert Menschen verbunden, die sich seit dem pogromartigen Terror der Hamas in Geiselhaft der islamistischen Organisation befinden.

Klare Worte aus Washington

Während in New York über Krieg und Frieden diskutiert wurde, streckten in Jerusalem rund zwei Dutzend Demonstranten rot gefärbte Mehlpackungen in die Höhe. Sie sind eine symbolische Kritik an der Kriegsführung Israels, die mit zehntausenden toten Zivilisten in Gaza und einer akuten Hungersnot einhergeht. Jeden Freitagmittag gehen die linken israelischen Aktivisten in Westjerusalem auf die Straße, um einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern. Der Protest wird zumeist von der Polizei gewaltsam aufgelöst, so auch diesen Freitag, es gab eine Festnahme.

Ein Ende der Hungersnot in Gaza und die Frage, was nach dem Krieg dort passiert: Das waren die Themen, die laut Eingeweihten das persönliche Gespräch zwischen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und US-Außenminister Antony Blinken dominierten, das zeitgleich in Jerusalem stattfand.

Wie aus einem Bericht des israelischen Aufdeckerjournalisten Barak Ravid auf der News-Plattform "Walla" hervorgeht, soll Blinken auch in der anschließenden Sitzung des Kriegskabinetts klare Worte gefunden haben, was den Tag danach in Gaza betrifft. Es sei ein massives Risiko für Israels Sicherheit, den Krieg in Gaza fortzusetzen, ohne einen klaren Plan zu haben, wer Gaza nach dem Krieg regieren und kontrollieren soll, warnte demnach Blinken. "Ihr versteht das jetzt noch nicht – aber wenn ihr es erkennt, ist es vielleicht zu spät", wird der Minister in dem Bericht zitiert.

"Notfalls auch alleine"

Auch Netanjahus Lieblingsthema, die geplante israelische Militärinvasion in Rafah im Süden Gazas, fand laut Netanjahu einen prominenten Platz auf der Gesprächsagenda. Die USA sind strikt gegen eine Invasion in der zum Massenflüchtlingslager umfunktionierten Stadt – Blinken hatte sie im Vorfeld des Gesprächs erneut als "Fehler" bezeichnet.

Auch die Staats- und Regierungschefs der EU warnten in ihrer Erklärung am Freitag vor einer solchen Offensive. Netanjahu aber hält sie weiter für unumgänglich. Das habe er auch Blinken mitgeteilt, verkündete er danach gegenüber der Presse: "Ich sagte ihm, dass wir die Hamas nicht besiegen können, ohne nach Rafah zu gehen und die restlichen Bataillone (der Hamas, Anm.) dort auszuschalten." Wobei er klarstellte, dass Israel dabei notfalls auch ohne die Hilfe des mächtigen Verbündeten auskommen könne: "Wenn es sein muss, werden wir es alleine schaffen", sagte Netanjahu.

US-Außenminister Antony Blinken wurde in Israel mit zahlreichen Flaggen empfangen, richtete aber dennoch klare Worte an die Regierung Benjamin Netanjahus.
AP/Evelyn Hockstein

Just vor Blinkens Besuch setzte Israels Regierung einen Schritt, der von den USA wohl als Provokation aufgefasst werden wird: Insgesamt 800 Hektar Land im von Israel besetzten Westjordanland wurden vom Verteidigungsministerium als Staatseigentum deklariert, um dort Siedlungsbauten und einen Gewerbepark zu errichten. Es handelt sich um ein Gebiet im Jordantal, rund vierzig Kilometer nordöstlich von Jerusalem gelegen. Damit soll der dort gelegene winzige Moschaw Yafit laut dem öffentlichen Sender Kan gleich um mehrere Hundert Wohneinheiten erweitert werden.

Provokation für den Besucher

Die USA haben Israel wiederholt zu einem Stopp des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten aufgerufen, da er gegen internationales Recht verstößt und eine Zweistaatenlösung untergräbt. Die aktuelle Entscheidung ist dem rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotritsch zuzurechnen, der sich in den Koalitionsverhandlungen zusätzlich zum Ministeramt auch eine Stabsstelle im Verteidigungsministerium gesichert hatte. Das dortige "Siedlungsdirektorat" ist nun Smotritsch unterstellt.

Erst vor einem Monat, als Terroristen das Feuer auf israelische Zivilisten nahe der Siedlung Ma'ale Adumim eröffnet und einen Menschen getötet sowie elf weitere verletzt hatten, nahm Smotritsch das zum Anlass, um 250 Hektar Land für die Erweiterung von Ma'ale Adumim zu widmen. Dies sei "eine Antwort" auf den Terrorakt, erklärte der Chef der Partei Religiöse Zionisten.

Laut der Organisation Peace Now wurden seit Smotritschs Amtsübernahme so viele Baugenehmigungen für Siedlungen im Westjordanland erteilt wie nie zuvor. Möglich ist das durch eine drastische Vereinfachung des Genehmigungsprozesses: Anders als unter früheren Regierungen müssen solche Baubewilligungen kein mehrstufiges Verfahren, an dem auch das Büro des Ministerpräsidenten beteiligt sein muss, mehr durchlaufen. Die Entscheidungsgewalt liegt jetzt de facto allein bei Smotritsch, einem langjährigen Siedlerlobbyisten und Verfechter der Annexion der besetzten Gebiete durch Israel. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 22.3.2024)