Die österreichische Bodenstrategie wurde vor wenigen Wochen beschlossen, allerdings ohne die grün geführten Bundesministerien – weshalb sie streng genommen gar nicht gilt. Jedenfalls nicht als Beschluss der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK). Länder und Gemeinden votierten am 29. Februar für die Bodenstrategie vom Stand Juni 2023 – die das von den Grünen so vehement eingeforderte verbindliche 2,5-Hektar-Ziel beim täglichen Bodenverbrauch nicht enthält. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte am Donnerstag im ORF-Radio, sie werde für dieses Ziel auf jeden Fall weiterkämpfen.

Weniger Spatenstiche – jedenfalls auf der grünen Wiese – muss es künftig geben, wenn Österreich den Bodenschutz ernst nehmen will.
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Im Gemeindebund, wo es drei Tage vor dem "Beschluss" einen personellen Wechsel an der Spitze gab, will man nun auch noch einen eigenen "Kommunalen Bodenschutzplan" auf die Beine stellen. Schon in seinen Antrittsinterviews wies der neue Präsident Johannes Pressl, der Alfred Riedl ins Amt nachfolgte, stets auf einen "Werkzeugkoffer" hin, den die Ortschefinnen und Ortschefs benötigen würden, um vernünftige Bodenpolitik zu machen. Gemeint waren damit rechtliche Instrumente, um beispielsweise Rückwidmungen leichter durchführen zu können. Mehr "Zugriff" auf Grundstücke in ihrer Gemeinde hätten viele der heimischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gern, das ist beim Thema Bodenverbrauch immer wieder zu hören.

Entschädigungsfrei rückwidmen

Und genau das findet sich in dem Papier, das von der Website des Gemeindebunds heruntergeladen werden kann, auch gleich als erster Punkt im Abschnitt "Maßnahmen für einen sparsamen Umgang mit der Ressource Boden". Da werden "Erleichterungen für Rückwidmungen von Baulandüberschüssen" gefordert (dabei handelt es sich um gewidmetes, aber noch unbebautes Bauland) beziehungsweise die notwendigen gesetzlichen Grundlagen dafür (eben der "Werkzeugkoffer"). Und jedenfalls für überlegenswert hält man auch die Frage, ob Rückwidmungen nicht entschädigungsfrei möglich sein sollten oder ob Rückwidmungskosten durch die öffentliche Hand übernommen werden sollten.

Fachleute wie Arthur Kanonier von der Technischen Universität Wien fordern seit Jahren, dass über Rückwidmungen zumindest einmal ernsthaft diskutiert werden sollte. Denn die Gemeinden könnten in Sachen Baulandmobilisierung dann aus einer viel stärkeren Position heraus verhandeln, so das Argument. Und mit Rückwidmungen von Brachen könnten Neuwidmungen anderswo auch viel leichter argumentiert werden, was die Bodeninanspruchnahme insgesamt drosseln würde. In jedem Fall müsste ein solcher Eingriff aber verfassungsrechtlich gut abgesichert werden, das heißt mit Zweidrittelmehrheit im Parlament. So weit will Pressl noch gar nicht denken; über die Umsetzung der Pläne will man sich erst später Gedanken machen. Zunächst sei das Papier einmal als Diskussionsgrundlage anzusehen.

Weitere darin genannte Ideen für die Diskussion: Maximalgrößen von 700 Quadratmetern für Einfamilienhausparzellen. Das ist immer noch recht viel; Wohnbauforscher Wolfgang Amann sagte Ende Februar, man könne ein Eigenheim auch auf 250 Quadratmeter Grundfläche errichten, "mit geschlossener Bauweise wie bei Reihenhäusern oder mit Doppelhäusern". In diese Richtung müsste es auch nach Ansicht der Architektenkammer gehen.

Gewisse Verdichtungsregeln sowie "Anbauverpflichtungen" im Fall sehr großer Bauparzellen schlägt aber auch der Gemeindebund vor. Außerdem wird im Papier eine "Andienungspflicht" von leerstehenden Objekten an die öffentliche Hand genannt, konkret im Kapitel "Flächenmanagement und Effiziente Innenentwicklung".

Neuwidmungen nur für die öffentliche Hand

Und ebendort ist auch noch etwas anderes sehr Interessantes enthalten. Der Gemeindebund schlägt vor, dass Neuwidmungen "in Zukunft nur mehr ins öffentliche Eigentum bzw. mit öffentlicher Verfügungsmöglichkeit" geschehen sollen. Das heißt, dass nur noch auf Flächen, die schon der öffentlichen Hand gehören, neues Bauland ausgewiesen werden darf. Dafür sollten "klare gesetzliche Grundlagen" geschaffen werden. Außerdem sollten in den Grundverkehrsgesetzen der Bundesländer "Vorrangregeln" für Gemeinden beim Verkauf von Liegenschaften definiert werden.

Nicht zuletzt schlägt man auch zahlreiche steuerliche Anreize und Förderungen vor. Letztere kann man sich im Gemeindebund auch dafür vorstellen, dass jemand in einem bestehenden Einfamilienhaus eine zweite Wohneinheit einbauen lässt. Bei diesen Ideen wären naturgemäß die Länder die Ansprechpartner, sagt Pressl im Gespräch mit dem STANDARD.

Und wie hält es der neue Gemeindebundchef mit der Widmungskompetenz der Gemeinden? Unter Pressls Vorgänger Alfred Riedl wurde sie mit Zähnen und Klauen verteidigt. Unter Pressl, studierter Landschaftsplaner, wird sich das nicht fundamental ändern. "Die demokratisch gewählte Gemeinschaft vor Ort soll weiterhin unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben und überregionaler Festlegungen entscheiden können, wie sich die Gemeinde entwickelt", heißt es im Papier. Ebendiese Vorgaben von den Ländern brauche es aber. Und eine nicht näher definierte "Sanktionierungskompetenz" der Gemeinden kann man sich durchaus auch vorstellen.

Mehr Transparenz

Letzter Punkt im Papier: "Mehr Transparenz im Umwidmungsprozess". Über Widmungen und Zweck der jeweiligen Widmung sollte es immer öffentliche Debatten in den Gemeinden im Vorfeld geben. Ein solches "Demokratiepaket" auf lokaler Ebene hatte im Herbst auch Neos-Bautensprecher Johannes Margreiter im STANDARD-Interview vorgeschlagen. "Wenn wir die Widmungsverantwortung haben, müssen wir auch die Verantwortung für den Bodenverbrauch tragen", so lautet das Credo des neuen Gemeindebundpräsidenten.

Und zur Mobilisierung von Leerstand schlägt er zudem eine höhere Grundsteuer vor, ebenso wie Leerstandsabgaben, hier vor allem aber aus der Motivation einer "Berücksichtigung verschiedener Herausforderungen" heraus. Genannt wird hier beispielsweise das Spannungsfeld "Touristische Region vs. Ländlicher Raum", womit wohl gemeint ist, dass man differenzieren müsse zwischen touristischen Hotspots mit ihren Zweitwohnsitzerproblemen und anderen, kaum touristisch interessanten ländlichen Regionen.

Abfrage der Stimmung

Der "Kommunale Bodenschutzplan" wurde kürzlich an alle 2.082 Mitgliedsgemeinden verschickt. Nach einer internen Diskussion über das Papier will man auch mit Fachleuten das Gespräch suchen, sagt Pressl, und dabei sollen explizit auch NGOs wie der WWF angesprochen werden. Danach will man mit der Politik über die Umsetzung diskutieren. Angesprochen fühlen dürfen sich hier in erster Linie die Bundesländer, die für Raumordnung und Wohnbauförderung zuständig sind. Einige Maßnahmen aus dem "Werkzeugkoffer", den sich Pressl wünscht, etwa die Frage der Rückwidmungen, würden wohl wie erwähnt eine Verfassungsmehrheit im Parlament erfordern.

Um die Stimmung in Sachen Bodenschutz in den Kommunen zu erheben, ging neben dem Bodenschutzplan auch ein digitaler Fragebogen an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Gefragt wird da etwa, ob die bestehenden Regelungen bei der Raumordnung als "zu streng oder zu locker" empfunden werden. Und gleich die erste Frage lautet, ob "die Raumordnungs- und Flächenwidmungskompetenz auf Gemeindeebene gut aufgehoben" sei. Man darf gespannt sein, was da herauskommt. (Martin Putschögl, 23.3.2024)