Aus der Kategorie "wie ruiniert man sich potenziell das Geschäftsmodell" machen derzeit Nachrichten zum Portal Glassdoor die Runde. Die Seite ist vor allem im angloamerikanischen Raum eine beliebte Anlaufstelle für Mitarbeiter von Unternehmen, um ihren Arbeitgeber unter dem Schutze der Anonymität zu bewerten und somit Jobinteressenten vor einem bösen Erwachen zu bewahren oder ihnen einen Eintritt schmackhaft zu machen. Ein vergleichbarer Dienst im deutschsprachigen Raum wäre Kununu.

Allerdings hat man sich bei Glassdoor vor einiger Zeit eine Änderung überlegt und begonnen, diese ohne weiterer Konsultation der eigenen User einzuführen: Deanonymisierung. Auf Basis (nicht nur) öffentlicher Quellen werden dort nämlich seit kurzem Userprofile – zumindest in den USA – mit Klarnamen ergänzt, schreibt Ars Technica.

Das Logo des Portals Glassdoor
Dem Arbeitgeber auf einer anonymen Plattform Feedback geben – und dann sieht man doch die echten Namen? Das sollte nicht passieren.
IMAGO/Zoonar

Name einfach eingetragen

Dort nennt man etwa den Fall von "Monica", einer nunmehr ehemaligen Nutzerin von Glassdoor. Sie war seit einem Jahrzehnt angemeldet, nutzte die Plattform selbst bei ihren Jobsuchen und um anderen Arbeitenden einen Einblick in ihren jeweils aktuellen Arbeitsplatz zu bieten. Sie berichtet, dass die den Support von Glassdoor per Mail kontaktiert hatte, um bestimmte Informationen aus ihrem Profil entfernen zu lassen. Stattdessen ergänzten die Mitarbeiter ihren Klarnamen, der ihnen aus ihrer E-Mail bekannt war, und "enttarnten" sie damit. Monica löschte daraufhin umgehend ihr Konto und warnte in einem Eintrag auf ihrem Blog vor der Plattform.

Die Löschung entpuppte sich allerdings zunächst nur als Stilllegung, ehe sie einen formellen Löschantrag einreichte, dessen Bearbeitung aber bis zu 30 Tage dauern kann. In ihrem Falle war die Entfernung allerdings binnen weniger Tagen erledigt. Bis dahin war ihr Klarname weiterhin mit ihrem Profil verknüpft. Dort ist er zwar für andere Nutzer nicht einsichtig, könnte aber ihre Autorschaft hinter verschiedenen Bewertungen von Firmen bei einem Datenleck oder erfolgreichen Cyberangriff offenlegen.

Ein Versuch, einfach nur ihren Namen aus dem Profil entfernen zu lassen, scheiterte letztlich an einem Glassdoor-Manager, der auf die neue Praxis pochte. Monica ist erzürnt, denn in den Privacy-Richtlinien von Glassdoor heißt es: "Wenn wir Ihre Daten mit ihrer Zustimmung gesammelt und verarbeitet haben, können Sie diese Zustimmung jederzeit widerrufen." Diese Zustimmung, so schildert sie, hat sie aber nie gegeben, da zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung eine Angabe des Klarnamens nicht verpflichtend war.

Glassbowl-User werden zu Fishbowl zwangsverpflichtet

Sie ist nicht die einzige Betroffene, denn Glassdoor hat offenbar vor einiger Zeit seine Richtlinien geändert. Lange erlaubte der Dienst eine anonyme Anmeldung, was eine zusätzliche Schutzebene bedeutet. Glassdoor ist immer wieder Ziel von Begehren von Arbeitgebern, die gegen kritische Rezensionen vorgehen möchten. Vor Gericht wird das Portal daher immer wieder von der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) unterstützt. Sollte sich eine Firma juristisch durchsetzen, war die Ausforschung von Autorinnen und Autoren bisher dennoch nicht garantiert.

Nunmehr ist die Hinterlegung des Klarnamens bei der Anmeldung aber verpflichtend. Bei älteren Konten ergänzt Glassdoor diesen selbstständig, wenn man ihn erfährt – wie im Falle von Monica aus der E-Mail-Konversation. Aber auch andere Daten werden genutzt, etwa aus der zugekauften Arbeitnehmer-Community Fishbowl. Neue und bestehende Nutzer erhalten dort automatisch auch ein Nutzerkonto. Um dieses zu entfernen, muss man sich zuvor mit der App und einem Social Log-in, einer Telefonnummer oder Arbeits-E-Mail-Adresse einloggen.

Monicas Blogposting machte schnell die Runde, und auch einige andere Nutzer meldeten, dass in ihren Profilen plötzlich Informationen standen, die sie Glassdoor nie mitgeteilt hatten. Darunter teilweise auch falsche Angaben. Dementsprechend melden auch zunehmend mehr Menschen, dass sie ihren Glassdoor-Account ebenfalls aufgegeben haben.

Höheres Risiko für Nutzer

Über die neue Praxis zeigt man sich auch bei der EFF besorgt. So weist etwa Aaron Mackey, ein Anwalt im Dienste der Organisation, darauf hin, dass auch wenn Firmen Daten von Fishbowl verwenden könnten, um per Ausschlussverfahren herauszufinden, wer etwa eine negative Rezension auf Glassdoor hinterlassen hat.

"Ich habe den Eindruck, dass das, was sie tun, den Versprechungen und Zielen von Glassdoor zuwiderläuft", meint Mackey. "Wenn der Zweck von Glassdoor es ist, Angestellten zu ermöglichen, ehrlich über verschiedene Belange ihrer Arbeit zu sprechen, egal ob Bezahlung, Arbeitsbedingungen oder Belästigung, dann ist es ein Problem, wenn ihre Namen potenziell zugeordnet werden können." Insbesondere dann, wenn sie gar keine andere Wahl hätten, als Glassdoor diese Information zu geben. Glassdoor habe sich zehn Jahre lang für den Schutz von Arbeitnehmern auf seinem Portal starkgemacht, es sei "traurig anzusehen, dass sie mit Fishbowl ihr Geschäft nun anders ausrichten". Für Nutzer sei es nun möglicherweise riskanter, Bewertungen zu veröffentlichen.

Bei Glassdoor pocht man darauf, dass man sich weiterhin "verpflichtet sieht, eine Plattform bereitzustellen, auf der Menschen ihre Meinungen und Erfahrungen über ihre Arbeit und Arbeitgeber anonym teilen können, ohne sich vor Einschüchterung oder Racheakten fürchten zu müssen". Man wolle auch weiterhin Auskunftsbegehren gerichtlich entgegentreten. Auch mit der Integration von Fishbowl bleibe man "eisern dem Datenschutz der Nutzer verpflichtet" und werde sie auch weiterhin verteidigen, wenn Arbeitgeber ihre Identität herausfinden wollen. (gpi, 21.3.2024)