Grellorange leuchten die T-Shirts, die in sauberen Stapeln und nach Größen geordnet darauf warten, dass jemand sie über den Oberkörper zieht. Oded betrachtet sie stolz. "Über 2.000 haben wir schon verkauft", sagt er, ganz ohne Werbung. Wer eines der Shirts mit der Aufschrift "Nach Hause" haben will, muss nach Jerusalem fahren und sich in ein kleines Hinterhofmuseum nahe dem zentralen Busbahnhof begeben. Dort empfängt sie Oded, ein 63-jähriger Mann mit langem, grauem Bart, der daran gewöhnt war, dass sich hier stundenlang niemand blicken lässt. Doch seit einigen Monaten ist Oded gut beschäftigt.

Immer mehr Menschen kommen ins Gush-Katif-Museum, das ganz der Propaganda für eine jüdische Besiedlung des Gazastreifens gewidmet ist. Zum Beispiel eine junge Frau, die in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland wohnt. Für den festlichen Umzug zum jüdischen Purim-Fest, das am Sonntag beginnt, braucht sie rund ein Dutzend der grellorangen Shirts in verschiedenen Kindergrößen. Unter dem Schriftzug "Nach Hause" steht: "Wir kehren zurück nach Gush Katif."

Oded betreut das Gush-Katif-Museum.
Maria Sterkl

Sogar Friedhöfe nach Israel verlegt

Gush Katif – so hießen die israelischen Siedlungen im Gazastreifen, bevor sich Israel im Jahr 2005 aus Gaza zurückzog und alle Siedlungen räumen ließ. Wohnhäuser, Spielplätze, Landwirtschaften wurden abgerissen, die Friedhöfe nach Israel verlegt. Eine gewaltige Protestbewegung rechter Israelis unterstützte damals die Gush-Katif-Bewohner. Sie betrachteten die Räumung als empörenden Verrat der Regierung an denen, die sich als die wahren Zionisten begriffen. Hunderttausende demonstrierten monatelang, doch die Regierung unter Ariel Sharon blieb hart. Ihr Gedanke war: Israels Siedlungspolitik sollte sich aufs Westjordanland konzentrieren – und dort massiv investieren.

Seit dem 7. Oktober wittern immer mehr rechts gesinnte Israelis eine Chance, dass Gaza wieder von Israelis besiedelt werden könnte. "Wir können nicht mit solchen Monstern als Nachbarn leben", sagt Oded, und es ist nicht klar, ob er die Hamas meint oder gleich alle Palästinenser in Gaza. "Es führt kein Weg daran vorbei, als selbst die Kontrolle zu übernehmen." Wäre das nicht die Aufgabe der Armee? "Das ist nicht genug", meint Oded, "die Armee braucht die Unterstützung der Siedler."

Mangelnder Respekt vor Armee

Eine Gruppe radikaler junger Siedler setzte bereits Taten. Am Grenzübergang Erez, der von Militärs streng bewacht wird, bahnten sich zwanzig von ihnen Ende Februar den Weg in den Gazastreifen. Von den israelischen Soldaten wurden sie nicht gestoppt, als sie rund 500 Meter entfernt von der Grenze begannen, mit Holzplanken und Blechpaneelen die ersten behelfsmäßigen Behausungen für eine künftige illegale Siedlung in Gaza zu errichten. Erst nach mehreren Stunden wurden sie von Soldaten zurück nach Israel begleitet.

Die wenigsten Israelis würden auch nur auf die Idee kommen, sich der militärischen Sperrzone am Grenzzaun zu nähern. Nicht nur, weil es gefährlich sein kann, sich so nahe an der Kampfzone aufzuhalten – sondern auch aus Respekt vor der Armee. Die radikalen Siedlergangs hingegen zeigen wenig Respekt vor der militärischen Autorität. Sie sind es aus dem Westjordanland gewöhnt, die Armee als eine Art private Sicherheitsfirma zu gebrauchen. Immer wieder errichten die Banden im Westjordanland neue Outposts, also kleine illegale Siedlungen, oft auf Privatgrund. Von der Armee erwarten sie dann, dass sie diese Siedlungen vom Zugriff durch die palästinensischen Eigentümer abschirmt, und meist geschieht das auch.

"Freiwillige Emigration"

Oded, der Aufseher im Gush-Katif-Museum, hat mit den radikalen jungen Siedlern wenig gemeinsam. Er ist ein ruhiger, freundlicher älterer Mann, der zwar von den Palästinensern in Gaza nicht allzu viel hält, seine Besiedlungsfantasien aber nur im Geiste auslebt. Er selbst wohnt in Jerusalem, und dort will er auch bleiben. Dennoch ist er "überzeugt, dass es das Beste für uns alle ist, wenn wir Gaza wieder besiedeln". Und was passiert mit den 2,3 Millionen Palästinensern, die dort leben? "Die können dorthin gehen, wo man sie gern hat – nach Südafrika zum Beispiel", meint er. Also Massenvertreibung, ethnische Säuberung? "Nein, nein", sagt Oded, "freiwillige Emigration natürlich."

Dieses Bild einer massenhaften palästinensischen Auswanderung, vorgeblich aus freien Stücken, ist nicht in Odeds Kopf entstanden. Es wird von führenden rechten Figuren schon lange propagiert, seit Beginn des Gazakriegs so laut wie nie. An einem Sonntagabend Ende Jänner versammelten sich rund tausend Rechtsgesinnte in einem Jerusalemer Kongresszentrum zur Veranstaltung "Israels Sieg – Besiedelung bringt Sicherheit", um die Besiedelung Gazas zu propagieren – die lokale Bevölkerung könnte sich ja anderswo niederlassen. Auf den Videos, die dort entstanden, sieht man euphorisch im Kreis hüpfende Männer, die nationalistische Lieder grölen. Das alles wäre wohl kaum beachtet worden, hätten an der Konferenz nicht auch äußerst prominente Israelis teilgenommen: Elf Minister der rechts-religiösen israelischen Regierung traten dort auf, darunter auch Vertreter von Benjamin Netanjahus Likud-Partei.

Nur Tage zuvor war Israel vom Internationalen Gerichtshof ermahnt worden, weil seine Regierung zu wenig gegen öffentliche Aufrufe zu Völkermord und Massenvertreibung unternimmt. "Ich hätte nie gedacht, dass wir irgendwann wieder von einer Rückkehr nach Gush Katif träumen können", sagt Oded. Seit einigen Monaten hofft er wieder. "Vielleicht ist es bald so weit." (Maria Sterkl aus Jerusalem, 20.3.2024)