Trump am 15.3. vor dem Gerichtssaal in Manhatten, in dem eine Anhörung zur Anklage wegen Schweigegeldzahlung an Stephanie Gregory Clifford alias Stormy Daniels stattfindet.
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Es war ein Medienspektakel sondergleichen. Schon am frühen Morgen hatten sich Demonstranten und Gegendemonstranten im Süden Manhattans eingefunden. Hubschrauber filmten die Fahrt des prominenten Angeklagten zum Gerichtsgebäude. Alle amerikanischen TV-Sender waren live dabei. "Wir werden sicherstellen, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist", verkündete Staatsanwalt Alwin Bragg bei der Eröffnung der ersten Anklage gegen Donald Trump: "Kein Geld und keine Macht dieser Welt ändert das amerikanische Prinzip."

Das war am 4. April 2023. Doch ein Jahr später klingt dieses Versprechen ziemlich hohl. Zwar laufen inzwischen vier Strafverfahren mit insgesamt 90 Anklagepunkten vom Verstoß gegen Spendengesetze bis zur Verschwörung zum Wahlbetrug, doch kein einziger Prozess hat bislang begonnen. Eine Verurteilung des Ex-Präsidenten, geschweige denn eine Gefängnisstrafe, vor der Wahl am 5. November wird von Tag zu Tag unwahrscheinlicher.

Schauspielerin Stephanie Clifford beim Prozessauftakt.
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Der vergangene Freitag brachte zwei weitere Rückschläge. Bis dahin galt der von Bragg verfolgte New Yorker Fall um die Schweigegeldzahlung an den Porno-Star Stephanie Gregory Clifford alias Stormy Daniels als aussichtsreichster Kandidat für einen baldigen Showdown vor dem Kadi. Der Prozessbeginn war auf den 25. März festgelegt. Doch dann tauchte plötzlich neues Beweismaterial auf – und Richter Juan Merchan verschob den Termin bis mindestens Mitte April.

Privatleben der Anklägerin

Derweil entschied ein Richter in Georgia zwar, dass die unter Beschuss geratene Staatsanwältin Fani Willis im dortigen Verfahren wegen Trumps Versuch der Stimmenmanipulation im Amt bleiben darf. Sie musste sich aber von ihrem Chefermittler trennen. Die Auseinandersetzung über das Privatleben der Anklägerin hat das Verfahren schon mehr als zwei Monate verzögert, einen Termin für den Prozessbeginn gibt es weiter nicht.

Auch das wohl wichtigste Bundes-Verfahren wegen Trumps Beteiligung am versuchten Wahlbetrug und Kapitolsturm liegt auf Eis. Der Prozess hätte eigentlich am 4. März in Washington eröffnet werden sollen. Doch zog Trump mit der Behauptung, als Ex-Präsident besitze er Immunität für Handlungen während seiner Amtszeit, vor den Supreme Court. Die Oberrichter lassen sich Zeit. Erst für die letzte Aprilwoche haben sie eine Anhörung angesetzt, ein Urteil dürften sie frühestens Ende Juni fällen. So lange muss der Putsch-Prozess warten. Selbst wenn der Supreme Court die Immunität des Ex-Präsidenten verneint, sind dann mindestens drei Monate für dessen Vorbereitung erforderlich. Der Auftakt wäre theoretisch also einen Monat vor der Präsidentschaftswahl, bei der Trump als Kandidat antritt. Das gilt als extrem unwahrscheinlich.

Verzögerungsstrategie

Im letzten Verfahren wegen der von Trump in seinem Privatanwesen Mar-a-Lago versteckten geheimen Regierungsdokumente muss sich Richterin Aileen Cannon, die einst von dem Ex-Präsidenten ernannt wurde, durch einen Berg von Eingaben kämpfen. Der für den 20. Mai geplante Prozessauftakt ist schon geplatzt. Die Staatsanwaltschaft drängt nun auf Juli, Trumps Anwälte fordern eine Vertagung bis nach der Wahl. Das Verfahren läuft in Florida. Unter den Geschworenen dürften sich also auch viele Republikaner befinden, was eine Verurteilung ohnehin fraglich macht.

Von der Anklägerin zur Angeklagten: Fani Willis.
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In allen vier Verfahren geht damit Trumps Strategie der Verzögerung und Sabotage voll auf. Mal bestehen seine Anwälte auf zusätzlicher Zeit, um die Akten zu studieren, wie im New Yorker Schweigegeldvefahren. Mal werfen sie eine gewaltige Nebelkerze wie mit der Immunitätsforderung, die von keinem ernsthaften Juristen geteilt wird. Mal argumentieren sie, der Ex-Präsident sei wegen Terminen in anderen Prozessen leider nicht verfügbar, wie in Florida.

Verkehrte Welten

Der vielleicht größte Coup ist ihnen aber in Georgia mit der Aufdeckung der Beziehung zwischen Staatsanwältin Willis und dem von ihr eingestellten Ermittler Nathan Wade gelungen. Wochenlang wirkte Willis wie die Angeklagte und musste sich vor Gericht peinlichste Fragen zu ihrem Privatleben gefallen lassen, während Trump die Afroamerikanerin mit immer vulgäreren Ausfällen beleidigte. Willis musste sich vom Richter wegen der Verquickung von Job und Liebesleben einen "schweren Mangel im Urteilsvermögen" bescheinigen lassen. Selbst wenn es zum Prozess kommen sollte, dürfte es ihr schwerfallen, die volle Aufmerksamkeit der Geschworenen auf Trumps versuchten Wahlbetrug zu lenken.

Trump sei fest entschlossen, die "Grenzen des traditionellen demokratischen Systems und der Gerichtsbarkeit auszutesten", urteilte die "New York Times" kürzlich. Seine Ankläger müssten "ein perfektes Spiel" spielen, um diese Strategie zu kontern. Das aber tun sie erkennbar nicht. (Karl Doemens aus Washington, 18.3.2024)

Trump: "Prozess gegen mich ist ein kompletter Betrug!"
Bei einem Prozess in New York ist Donald Trump unlängst zu einer Strafzahlung in Höhe von 350 Millionen Dollar verurteilt worden. Bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan bezeichnete er den Prozess jetzt als "Betrug". Er werde aber dennoch die Wahl gewinnen, sagte Trump
DER STANDARD