Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IKG-Präsident Oskar Deutsch.
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Die Zahl der antisemitischen Vorfälle stieg im Vorjahr rasant an. Gerade im Netz hat sich die Zahl der Meldungen, die von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) dokumentiert werden, beinahe verdoppelt: Waren es 2022 noch 385 Meldungen, so wurden im Vorjahr 758 derartige Vorfälle erfasst. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel habe es eine regelrechte Explosion gegeben: Auf sozialen Medien würden seitdem im Tagesschnitt rund acht antisemitische Beiträge gemeldet – vor dem 7. Oktober waren es circa 1,5 Fälle täglich.

Vor diesem Hintergrund kündigte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Montag einen "digitalen Aktionsplan" gegen Antisemitismus an. Dabei soll primär die Einbeziehung der Betreiber der großen sozialen Medien vorangetrieben werden. Die Plattformen seien durchaus bereit, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um der Verbreitung von Hass und Antisemitismus im Netz entgegenzutreten. Edtstadler nehme – anders als noch vor wenigen Jahren – einen "spürbaren Kooperationswillen" wahr.

Illegale Inhalte müssen besser geahndet werden

Grundsätzlich ist der Digital Services Act (DSA) der EU – ein umfassendes Regulierungspaket, das besonders großen Onlineplattformen neue Pflichten auferlegt, am 17. Februar in Kraft getreten. Unter anderem verpflichtet dieser große Onlineanbieter – insbesondere soziale Medien – dazu, verlässliche Mechanismen zum Melden illegaler Inhalte zur Verfügung zu stellen und Meldungen zügig zu bearbeiten.

Auch müssen die Meldungen von "Trust Flaggers", vertrauenswürdigen Organisationen, die staatlich zertifiziert werden, vorrangig geprüft werden. Für die Zertifizierung dieser Stellen ist hierzulande die Regulierungsbehörde Komm Austria verantwortlich. Das soll alsbald geschehen: Die Behörde werde "Organisationen mit nachgewiesener Sachkompetenz als vertrauenswürdige Hinweisgeber" anerkennen, heißt es in einem Papier des Bundeskanzleramts zu den angestrebten Maßnahmen.

Vernetzung im Fokus

Einen Fokus will die Regierung auf die Vernetzung mit allen relevanten Interessengruppen legen: Am 6. beziehungsweise 7. Mai soll eine Antisemitismuskonferenz stattfinden, bei der insbesondere Vorfälle im Internet Thema sein sollen, sagte Edtstadler. Dort wolle man auch Vertreterinnen und Vertreter der sozialen Plattformen einladen. Thema soll etwa sein, wie die Bekämpfung derartiger Hassinhalte mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) gefördert werden könnte. Überhaupt wolle die Regierung sich vermehrt proaktiv auch auf EU-Ebene einbringen und sich über Initiativen zur Bekämpfung von Antisemitismus im Netz mit anderen Mitgliedsstaaten austauschen. Gerade im heurigen Superwahljahr bestünden gravierende Risiken für die Demokratie, die es zu bekämpfen gelte.

Jüdinnen im Fokus von Verschwörungserzählungen

Besonders bei gängigen Verschwörungserzählungen werden oft antisemitische Ressentiments geschürt – Jüdinnen und Juden würden, wie der IGK-Präsident Oskar Deutsch erklärte, als "minderwertig und mächtig zugleich" dargestellt. Für Edtstadler sei klar: Es sei auch die Aufgabe der Zivilgesellschaft, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen. "Das ist nicht ein Problem von Jüdinnen und Juden, sondern unser aller Problem, um das wir uns kümmern müssen", sagte sie. Die Vorfälle seien nicht bloß neonazistisch oder rechtsextrem motiviert, sondern kämen auch aus der Mitte der Gesellschaft. Es sei die Verantwortung der Republik – aber auch jedes Einzelnen –, diesen bedrohlichen Entwicklungen entgegenzutreten. (muz, 18.3.2023)