Wladimir Putin betritt einen Saal, um zur Presse zur sprechen.
Wladimir Putin sieht sich in seinem Kurs bestärkt.
AFP/POOL/NATALIA KOLESNIKOVA

Wladimir Putin hat die Wahl verloren – in der russischen Botschaft in Wien und im Generalkonsulat Salzburg. Dort haben die Wählerinnen und Wähler am Sonntag mehrheitlich für den eher liberalen Wladislaw Dawankow gestimmt. In Russland selbst sieht es freilich anders aus. Mit 87,28 Prozent sei Putin der Wahlsieger, so die zentrale Wahlkommission. Über 72 Millionen Russinnen und Russen hätten ihn gewählt, glaubt man den offiziellen Zahlen. Überprüfen kann man diese freilich nicht. Wirklich unabhängige Wahlbeobachter, etwa die der Organisation Golos, waren nicht zugelassen. "Es kann festgestellt werden, dass die Gesellschaft keine Möglichkeit hatte, eine echte Kontrolle über diese Wahlen auszuüben", kritisieren Experten von Golos.

Wladimir Putin fühlt sich gestärkt und wird weiter am Umbau der russischen Gesellschaft zu einer Art Sowjetunion 2.0 arbeiten. "Ich habe von einem starken, unabhängigen, souveränen Russland geträumt. Und ich hoffe, dass die Ergebnisse der Abstimmung es uns allen ermöglichen werden, diese Ziele gemeinsam mit dem russischen Volk zu erreichen", so Putin. Im Vordergrund steht für ihn der Krieg in der Ukraine. "Vor allem müssen wir die Aufgaben im Rahmen eines speziellen Militäreinsatzes lösen, die Verteidigungsfähigkeit stärken, die Streitkräfte stärken." Russland hat genügend Munition, die Rüstungsindustrie läuft auf Hochtouren, neue Soldaten werden angeworben. Das aber kostet Geld. Viel Geld. Die Russinnen und Russen werden sich deshalb auf Steuererhöhungen einstellen müssen. Viele befürchten zudem eine neue Mobilmachung hunderttausender Reservisten.

Einen Angriff Russlands auf Nato-Gebiete müsse man in absehbarer Zeit aber nicht fürchten, sagte Russland-Experte Gerhard Mangott im Gespräch mit dem STANDARD: Die Ambitionen seien ihm zufolge vielleicht da, nicht aber die militärischen Fähigkeiten: "Es wird Jahre brauchen, um das Militär nach dem Krieg in der Ukraine neu aufzubauen", so Mangott. "Diese Zeit müssen westliche Staaten nützen, um ihre Armeen zu stärken, damit die Abschreckungsfähigkeit wieder zunimmt." Weder Russland noch die Ukraine würden derzeit eine Waffenruhe anstreben, weil beide Seiten darauf setzten, sich militärisch noch durchsetzen zu können.

Personalentscheidungen in Moskau

Im Westen wurde die Wahl vielfach als undemokratisch bezeichnet, die EU brachte bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel noch am Montag neue Sanktionen auf den Weg – mit Blick auf den Tod des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ankündigte.

In Moskau wird jetzt eine neue Regierung gebildet. Offen ist, ob Putin sein Personal neu aufstellt. Personalentscheidungen würden "in Ruhe, in einer funktionierenden, kameradschaftlichen Weise" getroffen, in dieser Angelegenheit "muss man sich nicht aufregen", so der alte und neue Präsident. Putin stützt sich auf loyale Gefolgsleute. Verteidigungsminister Sergej Schoigu zählt dazu, Außenminister Sergej Lawrow, Ministerpräsident Michail Mischustin, der Vizechef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, und Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin.

Was aber ist mit der russischen Opposition? Die Aktion "Mittag gegen Putin" war durchaus ein Erfolg. Tausende Menschen hatten am Sonntag in mehreren russischen Städten gegen Putin demonstriert, indem sie sich gegen Mittag vor den Wahllokalen versammelten und anschließend ungültige Stimmen abgaben. So erfolgreich die Aktion war, eine dauerhafte Bewegung wird daraus nicht werden. Und wenn, wären ihre Mitglieder schnell im Exil oder im Straflager. In langen Schlangen vor den Wahllokalen zu stehen ist nicht verboten. Trotzdem meldet das Bürgerrechtsportal OVD-Info mindestens 74 Festnahmen. Und die Repression wird zunehmen, auch da sieht Putin nach seinem Wahlsieg die Mehrheit hinter sich. Selbst wenn man die erklärten Kriegsgegner Boris Nadeschdin und Jekaterina Dunzowa zur Wahl zugelassen hätte: Putin hätte trotzdem mit haushoher Mehrheit gewonnen.

Harte Urteile für Regimekritiker

Russlands Opposition ist weitgehend zerschlagen. Alexej Nawalny ist unter ungeklärten Umständen gestorben. Wladimir Kara-Mursa wurde zu 25 Jahren verurteilt, es ist die höchste Haftstrafe, die bislang in Russland gegen einen Oppositionellen verhängt wurde. Jüngst wurde Oleg Orlow von der mittlerweile verbotenen Organisation Memorial zu zweieinhalb Jahren Straflager verurteilt. Er hatte Kritik am Krieg gegen die Ukraine geäußert. Achteinhalb Jahre Gefängnis lautete das Urteil gegen den Politiker Ilja Jaschin. Dieser hatte die Ermordung von Zivilisten in der ukrainischen Stadt Butscha angeprangert.

Hoffnung setzt die Opposition im Ausland auf Julija Nawalnaja, die Witwe des verstorbenen Kreml-Kritikers Nawalny. An der russischen Botschaft in Berlin hatte sie sich am Sonntag an der Aktion "Zu Mittag gegen Putin" beteiligt. Sie könnte zur Galionsfigur werden. Dazu müsse sie aus dem Schatten ihres Mannes treten und ein eigenes Profil als selbstständige politische Figur herausbilden, meint die Politologin Tatjana Stanowaja. (Jo Angerer aus Moskau, Anna Giulia Fink, 18.3.2024)