Simon Rattle begeisterte in Wien.
Simon Rattle begeisterte in Wien.
EPA/Robert Ghement

Wenn die Liliputbahn durch die zartgrünen Praterauen rattert und der Zahlschein für die Freibadsaisonkarte ins Postfach flattert, dann ist Frühling. Frühlingsgefühle weckt auch Beethovens "Pastorale". Nachtigall, Wachtel und Kuckuck rufen in seiner idyllischen Sechsten, ein Bächlein plätschert, nur kurz stört ein Gewitter die ländliche Geselligkeit.

Zum sonnenbeschienenen Fest der Sinnlichkeit und Lebensfreude wurde die "Pastorale" in der Interpretation des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Simon Rattle strahlte, hüpfte und animierte das Orchester zu federnder Dynamik und kraftvollem Elan. So viel Liebe hier! Und auch einige wundervoll zarte Pianissimo-Idyllen zum Atemanhalten. Die Musizierenden waren bei der Landpartie Feuer und Flamme und gaben ordentlich Schub. Die glänzend-kecke Oboe im Scherzo: beglückend!

Tonnenschwere Gesteinsschicht

Superengagiert war zuvor auch die österreichische Erstaufführung von Thomas Adès' Viertelstünder "Aquifer" bestritten worden. Der Titel benennt eine wasserführende Gesteinsschicht, das Werk wies den 53-jährigen Engländer als Aktionisten aus, der in seinen besten Momenten (beim grellen Schalk und den düster-schweren Lamenti) an Schostakowitsch erinnerte. Viel Lärm um nichts? Jedenfalls bretterte "Aquifer" tonnenschwer über den zuvor gehörten Wagner: das Vorspiel zu "Tristan und Isolde" und Isoldes Liebestod (ohne Isolde).

Rattle und die Bayern erschufen eine sinnliche, lodernde Deutung der tragischen Liebesgeschichte, sogar den letzten Pianissimo-Akkord in H-Dur ließ der ewig junge 69-Jährige noch zu wärmender, körperlicher Forte-Stabilität anschwellen. Dvořák als Zugabe und Jubel am ersten von zwei Gastspielabenden. (Stefan Ender, 18.3.2024)